Die Würde des Menschen ist ein Konjunktiv. Wiglaf Droste

Чтение книги онлайн.

Читать онлайн книгу Die Würde des Menschen ist ein Konjunktiv - Wiglaf Droste страница 7

Die Würde des Menschen ist ein Konjunktiv - Wiglaf Droste

Скачать книгу

Paket« ist »die perfekte Lösung«, die »kompakte Paketlösung« eben.

      Tatsächlich bekommt man »im Paket« mehr angedreht als einem lieb sein kann; »im Paket« ist wie »All you can eat«, alles was reingeht, auch wenn es wehtut. Im Paket ist wie »all inclusive« und schließt eben auch all das ein, was man auf gar keinen Fall haben oder erleben möchte. Wer etwas »im Paket« bekommt, kann sich des Unerwünschten, Unerbetenen gewiss sein; ob das, was er eigentlich bestellte, »im Paket« dann überhaupt noch vorhanden ist, fällt eher in den Bereich des Fakultativen. »Im Paket« bedeutet »Friss oder stirb« und ist also, mit einem anderen Haudraufundschlusswort gesagt, ganz und gar »alternativlos«.

      Die Steigerung von »im Paket« heißt »im Doppelpack«; Doppelpack bedeutet zwei Pakete in einem, man bekommt also doppelt soviel bei gleichzeitiger doppelter Ersparnis, aber Ersparnis von was? Wer darüber einmal nachdenkt, und zwar kompakt, dem schwirrt schon bald der Kapet-, nein: der Paketkopf: Doppelpack schlägt sich, Doppelpack verträgt sich.

      Paket ist ein anderes Wort für Mogelpackung: »im Paket« bekommt man zehn Dinge angedreht, von denen man mindestens neun gar nicht will oder braucht. Das gilt im – gepriesen sei das Wort »online Bestell-Shop« – eben­so wie im Bankwesen oder in der Politik. Pakethändler sind Trickbetrüger, und ein Anlageberater oder Finanzminister, der Ihnen etwas »im Paket« serviert, hat eine große Karriere als Hütchenspieler entweder schon hinter oder noch vor sich.

      Pakete sind ein gutes Geschäft für den, der nichts zu bieten hat, aber jede Menge Schruuz und Schrapel loswerden muss. Sie haben kleine Kinder, die hin und wieder anderswo gern etwas zerdeppern oder Sie sind selbst ungeschickt und klumsig und möchten deshalb eine Haftpflichtversicherung abschließen? Im Paket geht das doch viel besser, und ehe Sie sich’s versehen, sind Sie gegen alles versichert, das Ihnen außerhalb eines Versicherungsbüros niemals zustoßen kann. Auch der Kindermund weiß ein Lied davon zu singen und schuf eine Pa­ro­die auf die Reklameparole eines großen Versicherungskonzerns: »Hoffentlich am Schwanz versichert«. Aber im Paket, bitte.

      Wer die Welt »im Paket« anbietet, betrachtet auch ihre Bewohner paketweise, als Herde und Abmelkmasse, die nicht en detail, sondern en gros Gewinn abwirft, eben »im Paket«. Denn die Geschäftsordnung besteht: Wer nicht allein zugrunde geht, der geht zusammen, im Paket.

      Super sagen

      Alle sagen »super«, und das schon lange. Mindestens seit Beginn der Neunzehnhundertneunziger Jahre ist alles »super«, auf Österreichisch »ßuupá!«, auf Schweizerdeutsch »ßuuprr!«. Auch die beinahe schon verzweifelt deutliche Parodierung durch »Supi! Supi! Supi!«, die ich dem »Super«-Geschrei im Jahr 1993 entgegenwarf, richtete selbstverständlich nichts aus gegen die Inflation des »super« beziehungsweise sogar »das ist ja suuper!«

      »Super« passt perfekt zur allgemein perfekten Superlativitis, in der nichts mehr »geht so«, »so lala«, »och ja, ganz gut« oder französisch »ça va« sein darf, denn das wäre dann schon »suboptimal«, also das Gegenteil von »super«. Die McKinseyisierung der Welt schafft eine eigene, mckinseyisierte Sprache, in der jeder Kosteneinsatz »minimiert«, jeder Gewinn »maximiert« und somit alles »optimiert« wird, zumindest theoretisch, und der einzige Laden, der garantiert immer verdient, heißt McKinsey. In Brechts Gedicht »Ein Fisch mit Namen Fasch« sind Funktion und Nutzen der McKinsey-Sorte Existenz treffend beschrieben. Niemals ist oder wäre die McKinseysprache das, was manche Leute als »rassistisch« oder »sexistisch« bezeichnen, wenn Geschlecht und Hautfarbe eines Menschen genannt werden; die McKinseysprache ist ganz neutral menschenfeindlich, sie kennt nur noch »Personen«, die man entlassen beziehungsweise »freisetzen« oder »freistellen« kann, und das ist unbedingt ein Fortschritt.

      Ungemein tröstlich aber ist, dass es einen Ort gibt, an dem man ohne Bedenken »Super« sagen kann. Es handelt sich dabei um eine Tankstelle.

      Entspannte Kommunikation

      Der Mann am Nebentisch sieht aus wie Til Schweiger mit diesen Gesichtsflusen, über die man in ein paar Jahren sagen wird, sie seien in besonders peinlichen Zeiten Mode gewesen. Er trägt halblange schwarze Hosen und spricht mit ausladenden Handbewegungen. Ohne neugierig zu sein, erfährt man, dass sein »Projekt« gut läuft und »Perspektive hat« und alles »ganz entspannt« ist. Auch seine Freizeitgestaltung ist »der Hammer« und »total entspannt«, sagt er, ruckelt mit dem Kopf und rudert mit den Armen herum.

      Seine Zuhörerin ist deutlich jünger als er, sie hat langes, dunkles Haar, leuchtend dunkle Augen und sagt nichts. Das wäre auch schwierig, denn er spricht ohne Unterlass über sein eines Thema: Wie er doch so großartig und alles so entspannt ist. Dabei starrt er sie aus engen Spermaaugen an, schenkt Wein nach, den er »echt super« findet und das auch mitteilt, sonst wüsste man es ja nicht, und dann wäre das Leben an den Nebentischen des großen Mannes inhaltslos und leer.

      Sein Telefon klingelt, er spricht kurz hinein, »ja, alles klar, machen wir so, ganz entspannt«, und dann berichtet er der Dunkelhaarigen, dass auch »das nächste Ding total easy« sein wird. Irgendwann schweigt er tatsächlich mehrere Nanosekunden am Stück; ob er sich eine Zungenzerrung zugezogen hat? Die Dunkelhaarige nutzt die Gelegenheit und spricht. »Mein Freund«, hebt sie an, das ist deutlich, er unterbricht sie und fragt: »Wie läuft es denn so mit euch beiden, alles ganz entspannt?«

      Sie spricht weiter, er verlegt sich aufs Interesseheucheln, sagt »Aaah ja«, nickt beständig und lässt seinen ejakulatfarbenen Blick auf ihr liegen, sie klammert sich an die Schutzworte »mein Freund«, und dann passiert das Malheur: Der Samen tritt ihm zwischen den Lidern aus, und sie reicht ihm ein Papiertaschentuch.

      Männer, die »...und meine Wenigkeit« sagen

      »Weniger wäre mehr gewesen«, lautet ein nicht selten zutreffendes Urteil. Manchmal will weniger aber auch nur mehr sein: Wenn jemand sich selbst »meine Wenigkeit« nennt, dann ist dieses Wenige weit mehr an Eitelkeit, als man sonst geboten bekommt.

      »Meine Wenigkeit« klingt verdruckst und protzig zugleich und platzt schier vor geheuchelter Bescheidenheit. Wer »meine Wenigkeit« sagt, spricht von sich selbst in der dritten Person und ist schon gut fortgeschritten auf dem Weg in den Cäsarenwahn. Der hört sich im Endstadium dann so an: »Das hat ein Lothar Matthäus nicht nötig«, oder: »Der Papa geht jetzt mal in den Laden und dann kommt der Papa aber auch gleich wieder raus.« Es sind die Würstchen, die den Napoleon-Komplex kultivieren. Würstchen erkennt man daran, dass sie zu allem ihren Senf dazugeben müssen. Oder daran, dass sie »meine Wenigkeit« sagen.

      Niemals hörte ich eine Frau sich selbst »Meine Wenigkeit« nennen. Keine Frau, und mag sie noch so mit sich hadern, bringt das über sich. »Meine Wenigkeit« ist männlich, eine Mischung aus Selbsterhöhung und Selbsterniedrigung. Man bläst sich auf, man macht sich runter, und dazwischen ist nichts. Beziehungsweise eben »Meine Wenigkeit«.

      Welches Kind hätte »Mein Urgroßvater und ich« von James Krüss gelesen, wenn das Buch »Mein Urgroßvater und meine Wenigkeit« hieße? Robert Gernhardts Roman »Ich Ich Ich« dürfte unter dem Titel »Meine Wenigkeit Meine Wenigkeit Meine Wenigkeit« kaum einen Leser gefunden haben, und Arthur Rimbaud wäre mit dem Satz »Meine Wenigkeit ist ein anderer« allenfalls als prätentiöser Selbstspreizer aufgefallen.

      Vieles schon ist gegen den nicht sehr originellen und genau deshalb aber auch so gern genommenen und gehörten Satz »Ich liebe dich« vorgebracht worden. Verglichen mit »Meine Wenigkeit liebt dich« aber leuchtet er geradezu arsch- und sternenhimmelklar.

      Blasenexperten

      »China, also die ganze chinesische Wirtschaft, das ist doch nur eine einzige gigantische Blase. Und wenn die platzt ...«

      Der ältere Herr am Nebentisch

Скачать книгу