Messerwetzen im Team Shakespeare. Ulrich Land

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Messerwetzen im Team Shakespeare - Ulrich Land Mord und Nachschlag

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Leute, auf unsern von uns gegangnen Mitbruder! Ein Prosit der Vergänglichkeit!« Worauf sie mit lautem Knall eine Flasche Schaumwein entkorkte.

      Ja, weiß ich nicht, ist mir nicht weniger unbegreiflich als Ihnen, wo sie die her hatte bei ihrem bescheidenen Auskommen in unserem Theater. Aber Sie werden es mir nachsehen, dass diese Frage nicht die Vordringlichste war, die mir in dieser Situation durch den Kopf ging. – Kann sein, dass es diese eine Bouteille war, die uns der Duke of Somerset geschenkt hatte. Zu irgendeiner Premierenfeier, paar Jahre vorher. Ich weiß es nicht. Jedenfalls ein Vermögen wert!

      Helen setzte vorsichtshalber selbst schon mal als Erste die Flasche an den Hals. Worauf Kyd ein »Nicht zu fassen, Helen!« entfuhr. »Er ist noch nicht mal unter der Erde.«

      Augenscheinlich vom Gedanken beseelt, das traurige Thema womöglich doch noch wechseln zu können, bevor es zu spät war, legte Shakespeare Kyd eine geschäftliche Frage vor. »Ach, Thomas, wie sieht’s eigentlich aus? Ich hab lang nichts mehr aus deiner Versschmiede zum Unterzeichnen vorgelegt bekommen – frisch von der Esse eines Thomas Kyd!«

      »Ich danke Eurer Hoheit untertänigst für die angelegentliche Erinnerung, indes Ihr werdet vielleicht verstehen, um des hohen Himmels willen, dass mir in diesen Tagen andre Dinge durch den Schädel turbeln, als dass ich meinen Hamlet fertigbringen oder mir gar neue Stücke rausschinden könnte. Solltet Ihr Plackscheißer oder Schreibautomaten ohne Gefühl, Sinn und Verstand suchen, so seid Ihr bei mir an der falschen Adresse.«

      »Nun man nicht so empfindlich«, sagte Shakespeare mit dem freundlichsten aller Lächeln auf den Lippen, »immerhin liegst du meilenweit hinter deinem Soll zurück. Weiß nicht, wie lang wir das noch dulden können.«

      The show must go on.

      Kyd entschloss sich offenbar, keinen Volksaufstand zu veranstalten. Nicht weil ihn diese Abmahnung irgendwie beeindruckt hätte, …

      … das glaub ich auch nicht, ganz gewiss nicht …

      . sondern weil er definitiv derjenige innerhalb der Truppe war, dem das Ganze im wahrsten Sinne des Wortes an die Nieren ging. »Ich flehe dich an«, sagte er in bemüht servilem Tonfall, »dein Name, der Name William Shakespeare ist der einzige, der das Gewicht hat, vor der Krone Gehör zu finden. Direkt, ohne Umweg durch die labyrinthischen Reihen der vorgeschalteten Hofschranzen.«

      »Und was bitte sollte ich da bewirken?«

      »Zum Donner, dass man seine Leiche sucht!« Kyd fuhr jetzt doch aus der Haut und schoss sämtliche Zurückhaltung in den Wind.

      »Und was bitte willst du mit dieser Leiche? – An so warmen Tagen, was glaubst du, wie rasant da die Fäulnis voranschreitet; du würdest ihn nicht mal wiedererkennen!«

      Kyd war außer sich! »Ist das zu viel verlangt, dass ein Christopher Marlowe begraben wird nach Art rechtschaffener Sterblicher! Dass er nicht einfach in Vergessenheit verfault wie die stinkenden Köpfe, die wir jedes Mal bewundern dürfen auf dem Weg zur Bankside, abgeschlagen irgendwelchen armseligen Leuten und aufgespießt über der Brücke.«

      Shakespeare zog keine Augenbraue hoch. Nicht mal die, die er schon fertig mit Schminke nachgezogen hatte.

      »Um sorgsame Nachforschungen anhalten, das sollst du!«, beschwor ihn Kyd, »bei Gott, das ist der letzte Dienst, Will, den du Marlowe erweisen kannst!«

      »Immer nur soll ich für euch meinen Schädel hinhalten.«

      Egal, ob mit, ob ohne Perücke, ob frisch gewaschen oder fetttriefend, Hauptsache: meinen Schädel. – Wenn ich mir selbst aus ein paar Jahrhunderten Abstand mal ins Wort fallen darf.

      »Hat der Unglückliche ohnedies nichts mehr von«, murmelte Helen. »Mögen seine sterblichen Überreste den Schmeißfliegen zur Kinderstube gereichen.«

      Genau darauf hatte ich insgeheim gesetzt, dass nämlich Helen Kyd in den Rücken fallen würde.

      »Wenn wir ihm die letzte Ehre in seinem Sinne erweisen wollen, Leute, dann müssen wir ein dröhnendes Spektakel ausrichten, eine Orgie, bei der Dionysos die Augen übergelaufen wären.« Helen strahlte!

      Schmissige Party mit hipper Mucke und Ecstasy ohne Ende! Ich geh mal davon aus, Sie wissen, wie ausgelassen Marlowe feiern konnte. Zu Lebzeiten, logisch.

      »Mit Fasanenkeulen fett wie Konkubinenschenkel«, setzte Helen ihren bunten Reigen fort, »mit gertenschlanken Jünglingen und Weibsen üppig wie Paradiesäpfel, mit Strömen von Bier so hell wie Jungmädchensäfte – das wär in Marlowes Sinne gehandelt. Ein einziges Fest, ein Riesentheater!«

      »Jau, Theater, das wär ’n Gedanke wert«, stieß Shakespeare genussvoll in das Horn, das Helen ihm anbot, »eine Neuinszenierung, sagen wir: seines Dr. Faustus’, meinethalben. Würde das Publikum in Scharen herbeiströmen und die Kassen herzerfrischend klingeln lassen, wenn wir vorher nur laut genug in alle Welt posaunen, dass Fausts Schöpfer im Himmel angekommen ist. Oder in der Hölle, einerlei.«

      »Ja, wheresoever, schnurzpiep«, fuhr Kyd Shakespeare übers Maul.

      Was Kyds Vorsatz anging, brav zu buckeln, um für Marlowe rauszuholen, was noch rauszuholen war, den schien er aufgegeben zu haben. Da waren nach seinem Dafürhalten, wie’s aussah, eh Hopfen und Malz verloren. Ja, zugegeben, vermutlich hatte er recht mit dieser Einschätzung.

      »Ob die Münzen klingeln oder nicht«, mäkelte Kyd, »das ist die einzige Frage, die dich wirklich bewegt.«

      Worauf Helen mal wieder ein Blankverslein zu trällern wusste:

       »Der Wind, der die ganze Welt vorwärtsbläst.«

      Nein, damit konnte, damit wollte Kyd sich nicht zufrieden geben. War ja klar. Wär Ihnen nicht anders gegangen. Und Christopher selbst hätte das schließlich auch nicht so stehen lassen. Außerdem ist Angriff immer noch die beste Verteidigung.

      »Will, was ist los? Haperts mit der Liquidität?«, blies Kyd etwas plump zur Attacke, »brauchst Penunzen, wie? Und das, wo du doch Jahr für Jahr deine allemal 200 Pfund mit deiner Bühne, unserm Spiel und unsern Stücken einheimst!«

      Hat nicht viel gefehlt, und er hätte mir – und zwar nicht zum ersten Mal – er hätte mir die große, die ganz große Abzocke vorgehalten, als wären meine schwarzen Konten aufgeflogen, als hätt ich mich wieder mit irgendwelchen Spekulationen verhoben. Infenion-Inferno, Großheuschreckenklatsche, Realwirtschafts-Crash! Jedes Mal feine Sümmchen, die ich bei jeder Gelegenheit, die sich bot, in die Schanz geschlagen hatte. Und am Ende hätte er mir am liebsten auch noch die fest verabredeten Bonuszahlungen verweigert! Hätte mich nicht gewundert, wenn er so weit ausgeholt hätte. Aber, na ja, Sie wissen, er mochte zwar ein wackerer Dichter sein, aber von Geld hatte er keinen Dunst. Wie eigentlich alle in meinem Umfeld damals. Da war ich der unangefochtene King. Und tat ja auch nach Kräften, was ich tun konnte. – Aber ich bitte Sie! Natürlich zum Wohle aller, versteht sich von selbst, nichts als dem Wohle aller verpflichtet. – Ja, und der Wahrheit. Aber das sagte ich ja schon.

      »Momentchen.« Während Shakespeare noch anhob, eine entsprechende Erwiderung zu platzieren, schien Kyd begriffen zu haben, dass er das völlig falsche Thema aufgerufen hatte, dass Shakespeare sofort den coolen Geschäftsmann geben würde und er auf diesem Terrain ohne Frage den Kürzeren ziehen würde. »Momentchen, war ausgemachte Sache, dass wir uns, was Geschäfte angeht, nicht gegenseitig über die Schulter gucken, schon gar nicht in die Suppe spucken. Das gilt für Schauspieler und Schreiberlinge, Thomas.«

      Kyd

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