Bittere Orangen im Glas. Frank Winter

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Bittere Orangen im Glas - Frank Winter Mord und Nachschlag

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auf dumme Gedanken kam. Ihrem neuen Lesetempo entsprechend, sollten es besser beide Augen sein! Er nahm den Bus zur Princess Street, stieg an der ersten Haltestelle aus und ging zu Fuß weiter. Von der anderen Straßenseite war gut zu sehen, was sich bei Crazy Jam abspielte. Immer wieder betraten und verließen Kunden das Geschäft. Nicht alle wirkten seriös. Am Abend ging dann Anne Redpath als Erste. Beschwingt singend entkettete sie ihr Mountainbike und radelte davon. Es folgte Apolonia und dreißig Minuten nach Ladenschluss ihre zweite Angestellte, Sophie Tawse. Die nette, kleine Frau trug schwarze Lederkleidung, Rucksack und Motorradhelm! Zehn Minuten spazierte sie vor dem Geschäft auf und ab, ungeduldig werdend, völlig anders als bei ihrem Gespräch! Nach abermals zehn Minuten war sie nahe dran, ihren Helm auf den Gehweg zu schleudern, schwang ihn schon hin und her. Alberto hörte die Motorradfahrer lange, bevor er sie sah. Auf Harley-Davidsons donnerten Zweiergruppen aus Leith heran, steckten in schwarzem Leder und dunklen, halben Helmen, fuhren vorbei und machten an der nächsten Kreuzung einen U-Turn. Die Schultern zierten zwei weiße Dämonen, White Demons, auf blauem Grund. Weiß und blau, die Farben der schottischen Flagge. Konnte es sein, dass die brave Miss Tawse mit diesen Gestalten bekannt war? Lange musste er auf die Antwort nicht warten. Mitten auf der Princess Street hielten sie an und blockierten den Verkehr. Sophie streckte den Daumen in die Luft und allen Zusehenden wurde klar, dass sie die Männer kannte.

      Zu Hause rannte Alberto zum Laptop. Maria war erstaunt, dass er schon wieder da war. Ihrer Einschätzung nach hatte er ja ein weiteres Rendezvous! Er tippte bei Mister Yahoo »White Demons« ein. Die Gruppierung wurde in den Fünfzigerjahren von D-Day-Veteranen gegründet und militärisch organisiert. Die Teufel waren selbständig. Nicht aus Faulheit oder übertriebener Lust am Unkonventionellen, sondern weil sich feste Jobs nicht mit regem Vereinsleben unter einen Hut bringen ließen: Bei den regelmäßigen Treffen, Festen, Motorradrennen, Paraden etc. zu fehlen, war absolut tabu. Ständig im Krieg mit anderen Banden, erwarben sich die weißen Dämonen im Laufe der Jahre eine Reputation für Gewalttätigkeit. Wie zahlreiche Zeitungsartikel belegten, hatten die Fehden oft mit Drogenhandel zu tun. Prostitution, Diebstahl und Erpressung gehörten auch zum Repertoire. Feine Gesellschaft hatte Miss Tawse sich ausgesucht! Die brutalste Rockergruppe Großbritanniens, mitten im schönen Edinburgh! Warum konnte es nicht ein harmloser Verein sein, nette Menschen, die in ihrer Freizeit gerne Motorrad fuhren? Le acque silenziose sone profonde. Stille Wasser sind tief, sagte man!

      »Miss Apolonia erzählte mir nichts von einem Buchprojekt. Das versichere ich Ihnen.« MacDonald war unschlüssig, warum er einen vereidigten Gerichtszeugen mimen musste! Mrs Howatson, die nach eigener Aussage jüngst einen Verlag gegründet hatte, klingelte an seiner Tür und rückte ins Labor vor! Seit zweiundzwanzig Minuten variierte sie dieselbe Frage, eine beliebte Verhörtechnik. Ob sie nebenberuflich für den CIA oder Homeland arbeitete? Warum in die Ferne schweifen, Angus? »Auch im schönen Schottland beherrschen Kriminalbeamte ihr Handwerk.«

      Mrs Howatson neigte neugierig den Kopf. Sie war Ende Vierzig, mit konservativem Hosenanzug und kunstvoll drapiertem Dutt, der von großer, blauweiß-lackierter Stricknadel dominiert wurde. Worauf bezog sich der stattliche Autor mit seinen Kriminalbeamten? Weil Mrs Howatson nichts zu erwidern wusste, betastete sie ihren Ehering.

      Sein Lautsprechen war Angus überaus peinlich. »Dumme Angewohnheit, die alleinstehende Menschen mitunter entwickeln. Sind diese, äh, Farben Ihres Haarschmucks symbolisch zu interpretieren?«

      »Wie meinen Sie das, mein Herr?«

      »Blau und weiß, die schottische Flagge …«

      »Möglich, ja, aber nicht absichtlich. Apo hat nichts verraten, sagen Sie?«

      »Nein. Tut mir leid, Sie enttäuschen zu müssen.« Mit etwas Distanz wäre alles lustig. Doch stand zu befürchten, dass Mrs Howatson ihm für immer und ewig beim Marmeladenkochen Gesellschaft leistete. Als sie versuchte, einen Blick auf den Dutt zu erhaschen, musste er beinahe lachen.

      »Duftet es hier nach Schinken, Mister MacDonald?«

      Sollte er die Aussage verweigern? Es wäre der Albernheit Gipfel gewesen. »Bereiten Sie eine Fleischpastetenfüllung zu?«, fragte sie herausfordernd.

      »So ähnlich.«

      »Was blubbert im Topf so schön? Schinken ist es kaum. Sauerkirschen! Für Marmelade, stimmt’s?«

      »Jawohl.«

      »Nach eigenem Rezept?«

      »Natürlich, nur so!«

      »Apo entwickelt ebenfalls eine Marmelade, die …«

      »Ich versichere Ihnen, noch niemals Rezepte gestohlen zu haben, Mrs Howatson! Darf ich fragen, woher Sie meine Adresse kennen?«

      »Telefonbuch.«

      »In dem stehe ich nicht.«

      Sie patschte eine Hand auf die andere. »Rona, Dummerchen, du! Internet.«

      »Ebenfalls unmöglich.«

      »Apo dann.«

      Immer diese Verstümmelung von Namen! Wieviel Zeit nahm es in Anspruch, die letzten beiden Silben noch auszusprechen? Lo-nia. Ein Wickelkind schaffte das!

      »Apo hat Ihre Adresse von diesem italienischen Gentleman bekommen, Mister …«

      »Ja?« Er würde ihr nicht den Gefallen tun, auf den uralten Trick reinzufallen und den Namen auszusprechen.

      »Vitiello. Alberto mit Vornamen. Jawohl.«

      »Miss Apolonia arbeitet also an einem Marmeladenbuch?«

      »Schön wäre es! Die Kleine ist nicht sehr konzentriert momentan.«

      »Nach zwei schweren Anschlägen verständlich, oder?«

      »Ach, sie politisiert mir zu viel!«

      »Die Broschüren …?«

      »Meines Erachtens vergeudet sie ihre Zeit. Politik sollte man Profis überlassen.«

      »Williams Rede!«

      »Ihr Herr Bruder?«

      »Sie kennen ihn?«

      »Nur aus Zeitungsartikeln. Entschiedener Vertreter schottischer Unabhängigkeit.«

      »Wie alle Abgeordneten der Scottish National Party, ja. Immerhin leben wir in einer englischen Kolonie.«

      »Spielen Sie auch mit dem Gedanken zu politisieren?«

      »Gott bewahre, nein!«

      »Sie wissen, wo Ihre Stärken liegen, Mister MacDonald. Das lobe ich mir.« Mrs Howatson schaute ihn treuherzig an. »Könnten Sie mir bitte einen Gefallen tun?«

      »Worum handelt es sich?«

      »Mit Apo reden, wegen ihres Abgabetermins für das Buch …«

      MacDonald zuckte zusammen.

      »Verzeihen Sie außerordentlich. Ich hätte das nicht fragen sollen.«

      »Nein, ist schon gut. Doch warum sollte sie ausgerechnet auf mich alten Knochen hören?«

      »Stichwort Hoffnungsschimmer. Alle, die ihr nahestehen, blieben

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