100.000 Tacken. Reiner Hänsch

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100.000 Tacken - Reiner Hänsch

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hier, seh’n Se doch selbs, Herr Knippschild“, sagt der gute Herr Dorenkamp – ein, wie soll man sagen?, seriöser älterer Herr trifft es wohl am besten – und reicht mir einen Fünfziger. „Zwei von den falschen Lappen hab ich noch behalten. Hier, fühlen Se mal!“

      Ich nehme den Schein entgegen und reibe ihn zwischen Daumen und Zeigfinger, kann aber nichts Besonderes feststellen. Auch der Druck und die Farben sind meiner Meinung nach einwandfrei.

      „Und hör’n Se mal. Der knistert doch ganz anders“, fügt Dorenkamp aufgeregt hinzu und fasst ihn selber noch mal an, um ihn kräftig knistern zu lassen.

      Naja, wenn man ihn länger in der Hand hat, dann merkt man, dass vielleicht wirklich irgendetwas anders ist an diesem Fünfziger. Ja, ich glaube, er knistert tatsächlich etwas anders, obwohl ich mir noch nie über das Knistern eines Geldscheines Gedanken gemacht habe. Das merkt man wahrscheinlich nur, wenn man die Scheine länger in der Hand hat als nötig. Vielleicht zählt Herr Dorenkamp den ganzen Tag sein Geld und bringt es dann auch abends in seinen Geldspeicher, wie ich das ja demnächst auch tun werde. Er hat sein Geld eben sehr lieb und da achtet er auf jede Kleinigkeit.

      „Und hier, pass’n Se auf.“ Mit diesen Worten legt er den Schein in eine Keramikschale, zückt ein Feuerzeug und zündet ihn an.

      „Hey, was machen Sie denn da, Herr Dorenkamp. Das sind doch fünfzig Euro!“ Und ich versuche, den Schein zu retten und verbrenne mir fast die Finger dabei.

      „Nein, lass’n Se’n brennen. Der is’ ja falsch. Aber achten Se ma auf de Flamme. Bläulich.“

      Ja, er hat recht, die Flamme ist bläulich.

      „Aber was hat das denn zu bedeuten? Wieso ist das denn dann …?“

      Und woher weiß er, dass echte Scheine dann wahrscheinlich nicht bläulich verbrennen. Sollte Herr Dorenkamp etwa selbst … Nein, nein. Vielleicht ist es ganz anders, und Juwelier Dorenkamp hat so viel Geld, dass er sich damit Zigarren anzündet. Für einen kleinen, sehr deutlichen Moment sehe ich ihn in einem abgedunkelten Hinterzimmer an einem Pokertisch mit einigen zwielichtigen Gestalten sitzen. Eine üppige Blondine steht hinter Herrn Dorenkamp und knabbert ihm am Ohr, während er sich mit einem Fünfziger eine dicke Zigarre anzündet. Woher soll er das sonst wissen?

      „Die Pollezei hat’s mir gesacht. Die wissen sowwat.“

      Ach so. Na, und außerdem ist Herr Dorenkamp ja auch schon sehr lange verheiratet. Da würde er sicher niemals mit so einer Blondine im Hinterzimmer … Schluss jetzt, Alex!

      „Ach so, die verbrennen also Scheine.“

      „Ja, daran kann man’s erkennen. Auch erkennen, wenn man ganz sicher sein will.“

      „Und wenn’s dann nicht bläulich brennt …?“, frage ich dann trotzdem noch, aber die Antwort ist mir ja eigentlich schon klar. Und deshalb zuckt Herr Dorenkamp auch nur mit den Schultern und sagt: „Tja, dann … hasse Pech gehabt, Junge, woll. Hahaha.“

      Ja, ja.

      „Und Sie mussten den falschen Fünfziger dann bei der Polizei lassen und bekommen ihn nicht ersetzt?“, frage ich ihn dann und mache mir ein paar Notizen.

      „So isses“, sagt er. „Ich hätte se lieber dem ollen Kurzhöfer angedreht. Der merkt doch sowieso nix mehr“, kichert er albern los, was ich ihm als seriösem Herrn eigentlich nicht zugetraut hätte. „Aber dat darf man ja nich.“

      „Nein. Das darf man nicht, Herr Dorenkamp. Wissen Sie denn, wer Ihnen die Scheine gegeben hat?“, frage ich weiter.

      „Na, dat hat de Pollezei mich ja auch schon gefracht, aber ich weises nich genau. „Ich weiß nur, dat einer von Herrn Fauseweh kommt, unser‘m Briefträger. Der hat bei mir so ein kleines Schmuckstück für seine Frau gekauft. So’n billigen Modeschmuckring, wissen Se. Eigentlich verkaufe ich sowwat ja gar nich. Naja … Und ich habb ihm noch fast zwanzich Euro wieder rausgegeb’n. Echte zwanzich Euro.“

      „Ja, klar. Aber Sie meinen doch nicht, dass Herr Fauseweh …“

      „Nä, nä, der bestimmt nich. Aber irgendjemand hat ihm den Schein ja angedreht. Jemand, der es vielleicht selbs nich wusste, datter falsch ist. Dat ist ja dat Schwierige bei de Rückverfolgung, man weiß nie genau, wo dat Geld herkommt.“

      Ja, das stimmt. Schwierig.

      „Na, ich bleib mal dran. Vielen Dank, Herr Dorenkamp und einen schönen Tag noch!“

      Die Sonne kommt mal kurz raus und es ist noch kälter geworden in Leckede-Hintersten. Wenn das so weitergeht, dann haben wir Weihnachten vielleicht sogar Schnee.

       Lord Dumbledore

      „Also gut“, sagt Steffi, und seufzt allerdings ein wenig zu theatralisch dabei, als ob sie einem ständig nörgelnden Kind schweren Herzens endlich nachgeben würde. Gibt ja sonst keine Ruhe.

      Es geht natürlich um die Sache mit dem Haus, das ich persönlich ja schon sehr ins Herz geschlossen habe – mitsamt aller, nein, einiger Bewohner – und Steffi ja eigentlich auch, oder? Aber … sie ist halt vorsichtig, kann sich nicht so schnell entscheiden, weder bei H&M in der Damenabteilung bei der Anschaffung eines neuen Kleidungsstückes noch beim Häuserkauf anscheinend, und hat halt noch so ihre Bedenken, wie ich sie kenne.

      Und obwohl sie „also gut“ gesagt hat, bringt sie dann doch noch mal den arabischen Markt mit der Hinrichtung eines Hammels oder eines Kameldiebes ins Spiel, der möglicherweise ja den Hausfrieden bedrohen könne, und erinnert auch kurz und mahnend an Herrn Horstkötter im Feinripp, der ihr nicht so sehr gefallen hat, wie sie sagt, und der einem ja vielleicht noch mal ganz schön Ärger bereiten könne, auch mit seinem sehr gewöhnungsbedürftigen lautstarken Musikgeschmack. Und auch die Familie Göktürk mit ihren möglicherweise etwas gefährlichen Verfahren der Nahrungszubereitung kommt zur Sprache.

      Aber … sie hat „also gut“ gesagt und das zählt, finde ich.

      „Schön ist es ja, Alex. Von außen wenigstens, obwohl ja auch da … na gut, das hat man sicher schnell gemacht. Und vielleicht hast du ja recht mit dem Betongold und so. Ist möglicherweise das Beste, was wir mit Onkel Günters Geld machen können. Obwohl es ja nicht reicht, das weißt du?“

      „Daaa mach dir mal keine Sorgen“, sage ich beschwichtigend und reichlich voreilig, weil ich es natürlich noch nicht genau weiß, ob unser höchstpersönlicher Berater von der Sparkasse, Heribert Beckebanz, die andere Hälfte auch locker macht. „Aaach, das klappt auf jeden Fall.“

      Steffi zieht ihre Stirn ein wenig kraus, sagt aber dann: „Ich hab mir auch alles noch mal angesehen und … ja, es sieht wirklich nicht schlecht aus. Und die Zahlen lügen ja nicht …“

      „Genau“, sage ich und sie sieht mir meine wachsende Hoffnung natürlich auch an. Mir, der ich doch so gerne Immobilienbesitzer werden und für meine kleine Familie bis in alle Ewigkeit sorgen will. Mit diesem Haus wird es gehen. Ich freue mich auch sehr, dass es meine Idee war und dass ich mit Steffi ohne jede Hilfe eines Dritten (na gut, vielleicht noch mit Hilfe von Herrn Beckebanz von der Sparkasse) die ganze Sache stemmen werde.

      „Die Zahlen lügen nicht. So ist es, und auch der Don hat gesagt, wir sollen’s machen, Schatz. Sieben Prozent wären sehr gut.“

      Steffi

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