100.000 Tacken. Reiner Hänsch

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100.000 Tacken - Reiner Hänsch

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und schleppen uns über knarzende, dunkle Eichendielen schwer erledigt, aber auch leicht euphorisch und doch irgendwie von dunklen, ungewissen Ahnungen durchzogen nach draußen.

      Puuh. Geschafft.

      Willi Dunkeloh übergibt mir dann auch noch den kiloschweren Schlüsselbund und ist dann genauso schnell weg wie Herr Pollmann. Der Kasten ist verkauft, seine Mission beendet.

      Er nickt noch mal nachdenklich und sagt dann ernst und endgültig, fast, wie man auf einer Beerdigung zu den Angehörigen „Mein Beileid“ sagt: „Alles Gute für euch, woll!“, so als ob wir das wirklich gebrauchen könnten, und geht.

      „Ihr könnt mich gärne anruf’n, wenner noch Frag’n habbt, woll!“, ruft er uns noch zu, als er schon fast nicht mehr zu sehen ist und sich in gewisser Sicherheit wähnt.

      Ja, ja, alles klar. Und dann stehen wir da.

      Wir haben es also tatsächlich gemacht. Wir haben ein riesiges altes Haus gekauft und blicken einer sorgenfreien Zukunft entgegen.

      Ja?

      Na also, ich denke doch. So soll es jedenfalls sein.

      „Nix verstanden“, sage ich als Erstes zu Steffi, ohne dass sie mich danach fragt.

      „Ich auch nicht“, sagt sie ganz bescheiden und kleinlaut, wie ich sie gar nicht kenne.

      Aber das mit dem „nix verstehen“ scheint ab jetzt ganz normal für uns zu werden in dieser Schattenwelt, in der wir uns bewegen. Ist das einfach alles zu viel für uns? Sieht so aus.

      Ich weiß auch gar nicht, wie wir bisher so durch unser ärmliches Leben gestolpert sind, wo wir doch von solch grauenhaften Gesetzen und finsteren Regeln so überhaupt nichts verstehen. Sind wir möglicherweise die einzigen, die nichts kapieren? Wie konnten wir nur bis hier und heute überleben, wenn man Wortgebilde wie Auflassungsvormerkung oder Zwangsvollstreckungsunterwerfung noch nie gehört hat und auch keine Ahnung hat, wie und wozu man sie benutzen könnte.

      Es liegt sicher daran, dass manche Worte einfach für manche Köpfe gar nicht gemacht sind. Sie prallen einfach ab, wie an einem unüberwindlichen Schutzschirm. Der Körper schützt sich, weil es sonst nur Ärger gibt innendrin.

      Die bösen Worte vertragen sich einfach nicht mit den anderen, den normalen. Wie soll ein Wort wie zum Beispiel Ölwechsel, Elternabend oder Rasenmähen mit einem Wort wie Annuitätendarlehen oder Notaranderkonto klarkommen? Das funktioniert doch nie.

      Und das soll es auch nicht. Da sind sich doch die Notare, die Anwälte, die Ärzte, die Steuerberater, Handyverkäufer und die Gebrauchtwagenverkäufer einig. Man ist da verbal lieber unter sich und bastelt sich seine eigene Fremdsprache. Zu viele Mitwisser können da nur schaden. Der Kunde braucht ja schließlich nur an der richtigen Stelle zu unterschreiben. Und das haben wir ja auch gemacht.

      Und dabei verstehen wir sie ja, diese Sprache. Es ist ja unsere. Die Worte gehen rein, weil das Ohr ja gut funktioniert, aber sie bleiben nicht lange drin. Wenn unser Steuerberater, Herr Grenningloh, mir zum Beispiel erklärt, dass es durchaus steuerunschädlich und für mein sozial akzeptiertes Weiterbestehen in dieser Gesellschaft lebenswichtig ist, alle Quittungen und Rechnungen aufzubewahren und darauf zu achten, dass die Mehrwertsteuer ausgewiesen ist und die Bewirtungsbelege auch ausgefüllt und unterschrieben sein müssen, dann verstehe ich ihn natürlich, aber ich begreife es anscheinend nicht, weil ich es dann doch nicht mache.

      Ich kann mich dann natürlich zwingen, seine Worte und Ermahnungen eine Weile bei mir zu behalten, wie ein ekliges fettes, kaltes Stück Fleisch, ohne zu würgen, aber spätestens nach ein paar Tagen, haben mich die Worte dann doch wieder auf ganz natürlichem Wege verlassen.

      Kann man nix machen.

      „Na, die werden uns schon nicht über’s Ohr hauen, Steffi. Können die ja nicht machen. Guck mal, der Dumbledore ist ja schließlich ein Notar.“ Ich betone das Wort besonders erhebend, wie ich meine. „Da wird schon alles korrekt sein.“

      Steffi sieht mich an und kann auch schon wieder lächeln. Na bitte.

      „Ja klar, denke ich auch“, sagt sie dann und so beruhigen wir uns ganz wunderbar gegenseitig.

      „Komm, wir gehen zur Feier des Tages noch zu Gaetano!“

      Ja, das ist schön. Lecker essen bei Gaetano und Giovanna am Marktplatz in Leckede-Hintersten. Sapori Italiani heißt sein wunderbarer kleiner Laden. Das wird ein Fest. Hoffentlich hat er gut geheizt, weil es wirklich verdammt kalt geworden ist bei uns im Sauerland.

      ***

      „Aaah, kommte reine, Alessandro, Sstääffii!“, singt Gaetano durch seinen kleinen Feinkost-Laden mit Restaurantabteilung im vorderen Bereich und breitet freudig beide Arme aus. Es ist Mittag und recht voll. Alle Tische sind besetzt, weil Gaetano wirklich die beste Pasta von Leckede, nein, überhaupt macht. Außerdem verkauft er leckere Schinken, eine Wahnsinns-Salami und ganz besonderen, verschimmelten Käse.

      „Sstääfii, schönste Frau von de Wäälte!“

      Das sagt er etwas leiser, damit seine eigene Frau, Giovanna, ihn nicht hört, und dann küsst er meine Steffi wieder von allen Seiten ab, weil Giovanna gerade nicht da ist, und ich kann schon gar nicht mehr hinsehen. Zum Glück kommt da die gute Giovanna breit lächelnd aus der Küche, und ich kann dann auch ein bisschen rumknutschen. Giovanna ist eine kleine rundliche, sehr herzliche, geradezu mütterliche Person mit einem riesigen Busen, der einem fast die Luft nimmt, wenn sie einen erbarmungslos an sich drückt.

      „Ragazzo! Bello!“, schnurrt sie, drückt mir einen Schmatzer auf die Wange, dass ich fast ersticke. „Sstääffii, freu isch mir!“

      „Wolle ässe, cari amici, liebe Freunde?“, fragt Gaetano freudig und reibt sich die Hände. Er reibt sich immer die Hände, das ist so eine Angewohnheit von ihm, und manch einer, der ihn nicht kennt und zum ersten Mal seinen Laden betritt, hat vielleicht das Gefühl, dass er ihm in die Falle gegangen ist.

      Ja, wollen wir.

      „Prego. Il menù!“

      Damit schleudert er uns lässig die laminierte Speisekarte auf den Tisch, und bevor wir etwas daraus aussuchen können, weiß er schon, was wir auf jeden Fall nehmen sollen und nimmt uns die Karten schon wieder weg.

      Es gibt heute Tortellini Colosseo und Rigatoni della Casa für alle, einen trockenen Weißen und dann noch einen, und es schmeckt wie immer fantastisch. Und Gaetano hat seinen Laden gut geheizt.

      „Hast du Geld?“, fragt Steffi.

      „Jep!“, sage ich großspurig, weil der Wein schon sehr angenehme Wirkung zeigt. „Über zweihundertausend.“

      „Nein, ich meine jetzt zum Bezahlen, natürlich“, sagt sie und schmunzelt, weil wir auf einmal so reich sind. Jetzt hat sie es also auch begriffen und es scheint ihr zu gefallen.

      „Ja klar.“

      Ich zücke einen Hunderter und Gaetano gibt mir einen Fünfziger zurück. Aufgerundet. Ja, billig ist er nicht, unser italienischer Freund.

      „Grazie mille!“

      „Gaetano, wir haben ein Haus gekauft!“, sage ich ihm dann stolz,

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