Mord im Hause des Herrn. Franziska Steinhauer

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Mord im Hause des Herrn - Franziska Steinhauer Mord und Nachschlag

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aufgefallen? War er vielleicht mit anderen unterwegs?«

      »Nee, der war allein. Der starrte die ganze Fahrt über nur vor sich hin. Aber auf der Rückbank lag so ’ne Fitnesszeitschrift, Hochglanzpapier und so Muskelmänner drauf. Hab noch gedacht: klar, logisch, genau, das würd ich auch lesen, wenn ich behindert wär und mich runterziehen wollte. Na, is doch wahr!«

      ****

      Die Geschwindigkeit, mit der sie am Horizont größer wurden, war schier unglaublich. Als säßen sie auf Motorrädern.

      Zorn beflügelt.

      Das hatte er neulich in einem Buch gelesen.

      Zorn beflügelt.

      Übelkeit stieg in ihm auf.

      Und Zweifel.

      Vielleicht wäre es doch besser gewesen, sich weiter in das Arrangement zu fügen. Er wusste nicht, was besser war, die Übelkeit – weil er eine Entscheidung getroffen hatte, die er für mutig hielt – oder die Angst, dass es sich vielleicht nicht um Mut, sondern um Leichtsinn oder gar Dummheit gehandelt hatte.

      Sie bogen so schnell in den Weg zu seinem Haus ein, dass die Hinterräder wegrutschten und eine beeindruckende Staubwolke entstand. Wie im Western, wenn der Böse mit finster entschlossenem Gesicht in die Stadt ritt.

      Und genauso viel Spannung lag in der Luft.

      Sie entdeckten ihn praktisch sofort.

      »He, Folkvin, komm runter, du Ratte, oder wir schütteln dich vom Baum wie Fallobst!«, kreischte der Lange und in dem Augenblick entdeckte er die Baseballschläger, die sie mitgebracht hatten, und er spürte, wie ihm das Herz in die Hose fiel.

      Der Dicke sah zu ihm hoch und er erkannte in seinem Blick, dass seine schlimmsten Befürchtungen wahr würden.

      Sie tatsächlich gekommen waren, um ihn zu ermorden.

      Hier und jetzt würden sie das Theater mit ihm ein für allemal beenden.

      ****

      »Was haben wir?«, fragte Lundquist trocken in die Runde.

      »Bei der Überfahrt mit der Fähre ist er tatsächlich aufgefallen. Das Auto war ungewöhnlich genug, um bemerkt zu werden. Einem Skipper fiel die Lenkradschaltung auf. Er hat auch den Fahrer wiedererkannt und meinte, er sei allein unterwegs gewesen«, fasste Örneberg zusammen.

      »Dann wissen wir jetzt, wie er eingereist ist«, meinte Britta lapidar. »Aber die Aussage deines Zeugen beweist nicht, dass er wirklich allein war, oder? Schließlich könnten die Mörder ja auch in einem anderen Auto unterwegs gewesen sein. Oder sie hatten einen Treffpunkt in Schweden vereinbart.« Sie seufzte.

      Trotz aller Ergebnisse schien sich die Ermittlung im Kreis zu drehen.

      Im Grunde bestätigte sich nur, was sie schon wussten. »Die Kirche in Holm könnte auch selbst der Treffpunkt gewesen sein. Der Mord muss doch nicht von vornherein geplant gewesen sein. Vielleicht kam es tatsächlich unerwartet zum Streit.«

      »Schon möglich«, brummelte Lundquist. »Aber wenn es wirklich eine handgreifliche Auseinandersetzung gegeben haben sollte, hat sie jedenfalls nicht an der Kirche stattgefunden: Auf dem Kirkogaard fanden sich schließlich keine Spuren. Keine niedergetrampelten Blumen, Fußabdrücke auf Gräbern, Abschürfungen an Steinen oder Ähnliches. Und dann wüsste ich mal gern, wie man sich prügelt, wenn man im Rollstuhl sitzt.«

      Lundquist sah fragend in die frustrierte Runde. Nirgendwo ein Punkt zum Ansetzen.

      »Er saß doch gar nicht im Rollstuhl!«, protestierte Wikström.

      »Aber er wollte, warum auch immer, verdammt noch mal, dass alle glaubten, dass es so wäre«, insistierte Lundquist.

      »Ja gut. Aber wäre er in eine Prügelei verwickelt worden, hätte er sich doch nicht wehrlos niederschlagen lassen!«, widersprach Ole halsstarrig.

      »Der Hieb kam von hinten«, stellte Sven Lundquist unbeirrt fest. »Der Gerichtsmediziner meint, das Opfer habe links vom Täter gesessen oder gestanden. Seiner Meinung nach muss es gar kein Handgemenge gegeben haben. Nach Spurenlage wurde das Opfer hinterrücks niedergeknüppelt.«

      »Ich hab hier was Neues«, mischte sich Lars Knyst ein. »Eine ganz andere Richtung. Laut Melderegisterauszug hieß Gunnar Thaisen früher Folkvin Jesser. Geboren am 12.07.1967 in Göteborg. Keine Angaben zum Vater. Seine Mutter hieß Marian Jesser. Jahrgang 1941. 1977 zog Frau Jesser mit ihrem Sohn nach Malmö und reiste von dort ein halbes Jahr später nach Dänemark aus. Noch während der Zeit in Malmö tauften sich Mutter und Sohn kurzerhand um. Von nun an hießen sie Elisabeth und Gunnar Thaisen.«

      »Und das geht so einfach?«, fragte Ole erstaunt. »Nein. Eigentlich nicht. Aber die Mutter gab an, von einer kriminellen Organisation verfolgt zu werden. Man verwechsle sie wegen einer zufälligen Namensähnlichkeit mit einem ehemaligen Bandenmitglied, das andere bei der Polizei verraten haben soll. Die Akte enthält einen Hinweis, dass die Kollegen die Mutter für psychisch auffällig hielten und ihr zu einer Therapie rieten. Das lehnte sie jedoch ab. Nach einigem Hin und Her bekamen sie schließlich ihre neuen Pässe und die Akten wurden sogar verschlüsselt.«

      »Glaubst du an die Geschichte?«, fragte Lundquist misstrauisch.

      »Ausschließen kann ich es nicht – aber mir geht es ähnlich wie den Beamten, die die Sache damals bearbeitet haben: Die Frau gehört wahrscheinlich in eine Therapie.«

      »Gibt es irgendeinen Hinweis auf eine Behinderung des Jungen?«, fasste Lundquist nach.

      »Ja. In der Akte ist die Ausstellung eines zusätzlichen Behindertenausweises vermerkt.«

      »Folkvin Jesser muss ja auch irgendwo zur Schule gegangen sein. Wenn wir Glück haben, erinnert sich einer der Mitschüler an ihn oder ein Lehrer. Lars, das lässt sich doch sicher über den Computer rausfinden.«

      Knyst nickte.

      Lundquists Mobiltelefon klingelte fordernd.

      »Ja? Lundquist. Was?! Wir sind schon fast bei euch!«

      »Hanne Steenkluth ist ermordet worden. Britta, wir fahren sofort hin. Und ihr versucht in der Zwischenzeit, mehr über Folkvin Jesser herauszufinden. Wir brauchen dringend mehr Informationen.«

      Damit stürmten beide aus dem Raum.

      »Du warst doch noch mal bei ihr?«, fragte er, während sie neben ihm den Flur entlang stürmte. »Hat sie dir was Neues erzählt?«

      »Nein«, antwortete Britta atemlos. »Ungewöhnlich war nur, dass sie nicht wie andere alte Menschen auf die Straße hinaussieht, wenn sie nicht schlafen kann, sondern den Dienst bei der Telefonseelsorge übernimmt.«

      »Nicht gerade zwingend ein Mordmotiv, oder?«

      ****

      »Warum hast du die Alte umgebracht, du brutaler Idiot?!«

      Seine ohnehin heisere Stimme ging in einem wilden Zischen unter.

      »Aber

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