Mord im Hause des Herrn. Franziska Steinhauer

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Читать онлайн книгу Mord im Hause des Herrn - Franziska Steinhauer страница 14

Mord im Hause des Herrn - Franziska Steinhauer Mord und Nachschlag

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spottete Britta weiter.

      »Oder mit Motorrädern, wie? Vielleicht haben sie ja auch Fahrräder benutzt«, fuhr Bernt gereizt dazwischen.

      Lundquist entfernte den Namen Gunnar Thaisen neben dem Foto des Opfers und pinnte ihn etwas abseits wieder an.

      »Obwohl ich Oles Einwand verstehe, tendiere ich doch eher dazu, eine Verbindung zu Holm zu vermuten. Wenn der Saab von Helsigbor nach Helsingoer übergesetzt ist, kann sich vielleicht einer der Kontrolleure an ihn erinnern. Schließlich ist ja nicht gerade Hochsaison für die Fähre und der Wagen ist auffällig. Bernt, du fährst runter und klärst das. Nimm ein möglichst gutes Foto vom Opfer mit: Möglicherweise erinnert sich jemand an ihn. Ole, aus irgendeinem Grund ist Gunnar Thaisen damals mit seiner Familie ausgereist; er hat selbst den Namen geändert. Finde heraus, warum da so eine Geheimniskrämerei gemacht wird und wo er bis dahin gewohnt hatte, welche Schule er besucht hat, und so weiter. Du weißt schon. Die dänischen Kollegen sollen mal die Firma von Gunnar Thaisen checken. Droht vielleicht eine Insolvenz? – Lars, du hast ja schon Kontakt zu den Kollegen ... Die Tatsache, dass er nicht wirklich das Opfer war, muss nicht bedeuten, dass er mit der Sache gar nichts zu tun hat. Britta, du fährst nach Holm. Vielleicht hat das Mordopfer auf dem Weg dorthin in einem Kro etwas getrunken, um den Burger runterzuspülen. Ein Rollstuhlfahrer wird bemerkt. Frag auch die spielenden Kinder auf der Straße, die Rentner auf den Bänken – vielleicht ist jemandem das fremde Auto aufgefallen. Ich fahr mit Lars auch in unser idyllisches Dorf. Wir werden uns von dem einen oder anderen Klatsch und Tratsch erzählen lassen. Kontakt über Handy. Okay?«

      Damit war die Runde beendet.

      »Woher kriegt man eigentlich einen Rollstuhl, wenn man ihn nicht aus gesundheitlichen Gründen braucht?«, gähnte Britta im Gehen.

      ****

      Lundquist strauchelte. Unsanft stieß er mit der Schulter gegen das Regal mit den Biografien und konnte nur mit Mühe verhindern, das Brett mit den Komponisten von Weltrang im Sturz abzuräumen. Nicht jetzt, dachte er, nicht jetzt! Er hatte doch wirklich Schwierigkeiten genug.

      Eine junge Frau stand plötzlich neben ihm, ohne dass er hätte sagen können, woher sie gekommen war. Ihre langen, dunklen Haare waren streng aus dem Gesicht gekämmt. Als sie den Kopf bewegte, sah Lundquist einen dicken, geflochtenen Zopf.

      Besorgt sah sie ihn aus dunklen Augen an.

      »Geht es dir nicht gut? Vielleicht kann ich dir irgendwie helfen?«

      Lundquist schüttelte energisch den Kopf.

      Das musste ja nicht unbedingt sein. Junge Frauen sollten nicht auf diese Weise ihr Interesse für ihn entdecken. Kam gar nicht in Frage!

      »Ich kann das gut verstehen«, plapperte die junge Frau unterdessen munter weiter, »dieser Weihnachtsstress kann schon mal den stärksten Mann umhauen. Das muss dir gar nicht peinlich sein.«

      Dabei ermutigte sie ihn mit ihrem strahlendsten Lächeln.

      »Ich habe vier Kinder. Alles Jungs. Damit habe ich also faktisch fünf Männer im Haus. Außerdem zieht morgen mein Schwiegervater bei uns ein. Dann sind es sechs. Und genau wie in jedem Jahr hat natürlich keiner Zeit für irgendwelche Weihnachtsvorbereitungen. Na ja. Dabei ist doch die Adventszeit eigentlich die Zeit der Ruhe und Besinnung, eine Zeit, die die Menschen zur inneren Einkehr nutzen sollten. Und was machen sie? Statt sich gemütlich vor dem Kamin einzukuscheln und sich den Bauch mit Lebkuchen voll zu schlagen und dabei lange Gespräche bei Kerzenschein zu führen, hasten sie raus in die Kälte und hetzen durch die Geschäfte.«

      Wie konnte sie nur ohne Pause so viel reden? Ob sie wohl bei ihren vielen Männern nichts zu sagen hatte und sich alles für Gelegenheiten wie diese aufhob, um es mit einem Mal loszuwerden? Bei einem möglichst harmlos aussehenden Fremden?

      »Statt Liebe im Blick zu haben, jagen ihre Augen unruhig und gierig über die Auslagen der Geschäfte. Ist das nicht wirklich schade?«

      Lundquist nickte unbestimmt und begann abwesend seine Schulter zu massieren.

      »Entschuldige, ich will dich nicht weiter aufhalten. Wenn wirklich alles in Ordnung ist ...«

      Sie sah ihn prüfend an.

      »Dann hast du ja sicher auch noch viel zu erledigen.«

      »Danke«, murmelte Lundquist.

      Als sie sich zum Gehen umwandte überlegte er, dass sie, wenn sie vier Kinder hatte wahrscheinlich nicht so jung war, wie er zunächst gedacht hatte. Sie ging sogar leicht gebeugt, fiel ihm jetzt auf. Und plötzlich tat es Lundquist leid, dass er sie so wenig freundlich behandelt hatte. Sie war keinen Deut glücklicher als er – vielleicht trotz der Kinder gerade jetzt vor Weihnachten besonders einsam. Sonst hätte sie vielleicht auch nicht so viel über die Sehnsucht nach Wärme und Liebe gesprochen, oder? Ach ja, du Hobbypsychologe, tadelte er sich.

      »Wie alt sind deine Kinder denn?« Mit einem Schritt hatte er die zarte Frau wieder eingeholt. Sie zuckte zusammen, als er sie so überraschend ansprach. Doch einen Moment später wich der Schreck und sie lächelte ihn schon wieder an.

      »Zwischen neunzehn und zwei.«

      »Ist ja sicher viel Arbeit für dich – besonders in den Wochen vor Weihnachten. Vielleicht kann dein Schwiegervater ja ab morgen ein bisschen mithelfen.«

      »Er ist ein böser alter Mann, der mich hasst, weil ich seinen Sohn in die Stadt gelockt habe und er den Hof nicht übernehmen wollte.«

      Sie klang so ohne Hoffnung, dass Lundquist spürte, wie sich ein Tonnengewicht auf seine Brust legte.

      So wollte er das Gespräch nicht enden lassen.

      »Ich habe eine kleine Tochter. Gerade jetzt verursacht sie einen ziemlichen Stress. Sie ist noch klein, vier Jahre alt, aber in dem Alter ist der Dickkopf manchmal besonders groß. Und mit Vernunft allein ist da nicht viel zu erreichen«, sagte Lundquist.

      »Für vernünftiges Handeln bleibt ihr noch der ganze Rest ihres Lebens«, sagte die junge Frau. »Solange sie Kind ist, darf sie auch unvernünftig sein – das ist ihr Privileg. Und auch wenn sie schwierig sind – ohne die Kinder wäre Weihnachten doch nur halb so schön.«

      Sie sah ihm jetzt nicht in die Augen. Er wusste, sie wollte ihn nicht die Lüge entdecken lassen.

      »Vielleicht kannst du dir die Zeit vor dem Fest ein wenig ruhiger gestalten«, sagte sie.

      »Ich muss noch rasch einen Mörder fangen, bevor Weihnachten werden kann.«

      »Wie furchtbar: einen lieben Menschen auf so gewaltsame Weise verlieren zu müssen – und dann auch noch zu dieser Zeit.«

      So hatte Lundquist das noch gar nicht gesehen. War es nicht immer schlimm, wenn ein Mensch sterben musste? Ganz gleichgültig wann es passierte? Litten die Angehörigen um Weihnachten herum mehr, wenn einer ihrer Lieben starb oder noch schrecklicher: ermordet wurde? Und das Opfer? Was mochte jemand denken, dem bewusst war, er konnte nur noch diesen einen Gedanken fassen ...? Er strich abwesend über seine Arme, als wollte er sich wärmen. Eine Gedichtzeile fiel ihm ein, die er vor vielen Jahren gelesen hatte und die ihn damals tief beeindruckte:

      Am schlimmsten: Nicht im Sommer sterben,

      wenn es hell ist

      und

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