Mord im Hause des Herrn. Franziska Steinhauer
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Читать онлайн книгу Mord im Hause des Herrn - Franziska Steinhauer страница 10
»Eventuell wird ein Kaiserschnitt notwendig«, erklärte Lars besorgt.
»Viele Stars planen von Anfang an eine Geburt per Sectio. Die Babys sollen schöner sein – nicht so zerknautscht«, grinste Sven.
»Gitte hat versprochen bei irgendwelchen Problemen gleich anzurufen. Über das Mobiltelefon kann sie mich ja zum Glück immer erreichen. – Und wie läuft es bei dir?«
»Meine Mutter ist eifersüchtig. Sie intrigiert kräftig und versucht, Lisa gegen Magda aufzuhetzen. Alles ziemlich unerfreulich.«
»Unerfreulich ist gut«, gab Knyst empört zurück, »Scheiße ist das!«
»Ja, so kann man das auch sagen. Sie ist wild entschlossen, ihre Position mit Zähnen und Klauen zu verteidigen.«
»Und wie kommt Lisa damit klar?«
»Ich glaube, sie ist manchmal ein bisschen verwirrt.
Aber sie kann Magda wirklich gut leiden. Lisa ist jetzt viel fröhlicher – du würdest die Kleine nicht wiedererkennen. Sie lacht wieder, singt Lieder aus dem Kindergarten und hüpft, wenn wir einkaufen gehen, ausgelassen neben mir her. Ich bin sehr froh darüber, glaub mir.«
»Klingt doch wirklich gut.«
Drei Querstraßen weiter hielt Lars am Straßenrand. »Bis morgen früh«, verabschiedete sich Knyst. »Ich hol dich ab. Und falls irgendwas mit Gitte sein sollte, dann rufe ich dich an.« Müde und mit der dumpfen Ahnung von unerbittlich heraufziehendem Ärger, die ihn schon den ganzen Tag begleitet hatte, ging Lundquist auf die lange Häuserzeile zu.
Er konnte nicht wissen, wie Recht er mit diesem undefinierbaren Gefühl haben sollte.
****
An diesem Abend fand das Dorf keine Ruhe.
Jedermann schien auf den Beinen zu sein oder zu telefonieren. Keiner wollte nach dieser grausigen Entdeckung in der Kirche mit sich, seinen eigenen Gespenstern oder seinen Mutmaßungen alleine sein.
Auch am Stammtisch im Kro wurde heftig diskutiert. »In meiner Kirche – so ein Verbrechen in meiner Gemeinde!«, jammerte Pfarrer Landulf aufs Neue. »Ein Fremder sucht des Nachts Schutz und Zuspruch in meiner Kirche und wird dort ermordet! Was für eine ungeheuerliche Vorstellung!«
»Tragisch wäre das schon. Aber viel schlimmer finde ich, dass die Polizei offensichtlich der Meinung ist, dass der Täter aus dem Ort stammt«, warf Bjarne ein und verteilte eine neue Runde Kurze an seine Gäste. »Der Inspektor, der heute Morgen hier war, hat im Grunde nur danach gefragt, wer hier im Ort wusste, wie schwer dieses Glaskreuz war und ob es hier einen Rollstuhlfahrer gibt. Also vermuten sie eine Verbindung zum Ort.«
Protestgemurmel füllte den Raum und mischte sich mit den Rauch- und Alkoholschwaden zu einem unguten Gebräu.
»Also jetzt mal ehrlich – warum sollte wohl einer aus dem Dorf einen Fremden in der Kirche erschlagen? Das ist doch völlig blödsinnig«, stellte Knut Rasmusson fest, der mit seiner Familie einen kleinen Öko-Bauernhof am Rand des Ortes betrieb.
»Vielleicht war er ja gar nicht so fremd«, mischte sich der Elektriker ein und warf einen vorsichtigen Seitenblick auf den riesigen Knut, der bei Widerspruch schon mal leicht die Geduld verlieren konnte und die Situation dann handgreiflich klärte. »Zumindest wäre es doch eine unglaubliche Anhäufung von Zufällen, wenn mehrere Fremde nachts zufällig zur Kirche gegangen und dort zufällig auf einen Mann getroffen wären, gegen den sie zufällig einen gewaltigen Groll hegten und ihn anschließend flugs ermordeten.«
Das allgemeine Gemurmel flackerte erneut auf und steigerte sich zu einer Art Bärenbrummen.
»Wenn jetzt Sommer wäre – na gut. Dann könnte man ja an irgendwelche durchgeknallten Touristen denken, die ihre privaten Rechnungen bei uns in der Kirche begleichen. Wenn die Sommergäste einfallen und sich hier niederlassen wie Schwärme von Fliegen auf frischem Aas, dann könnte es ja vielleicht schon mal so ein unglückliches, zufälliges Zusammentreffen geben. Aber jetzt, mitten im Winter, kurz vor Weihnachten!«
Wilhelm Schneider wiegte nachdenklich seinen großen, nahezu quadratischen Kopf, der auf einem so dünnen Hals saß, dass man ständig fürchten musste, er könne abbrechen wie eine reife Frucht vom Stiel.
»Vielleicht haben die sich ja auch in der Kirche verabredet. Irgendwelche Geschäfte – vielleicht Drogendealer?«
Knut wollte augenscheinlich lieber niemanden aus dem Dorf in die schauerliche Angelegenheit verwickelt sehen.
»Ach, du meinst das internationale Drogenkartell hat sich die Weltkarte vorgenommen, und weil ihnen Holm sofort ins Auge stach, haben sie prompt beschlossen, ihre Geschäfte bei uns zu erledigen?«
Wilhelm Schneider senkte seine Stimme auf Drogenbossniveau, lehnte sich lasziv auf seinem Stuhl zurück, verschränkte die Arme und setzte eine Gangstermiene auf, die Robert de Niro auch nicht besser hingekriegt hätte.
»Fein, sagen sie, dieses Holm wird ja sicher auch eine Kirche haben. Dorthin locken wir unseren Lieblingsgegner und lassen ihn anschließend gepflegt dort ermorden, schließlich kommen für uns als Mitglieder der ehrenwerten Gesellschaft nur fromme Morde in Frage.«
Bjarne warf einen schnellen Seitenblick durch den wabernden Zigarettenqualm, um Schneiders Promillestand abzuchecken. Besser, er gab jetzt keine Kurzen mehr aus, beschloss er dann.
Und dann fiel in die der Theatereinlage folgende Ruhe plötzlich ein Satz wie ein Trompetenstoß vor Jericho:
»Vielleicht ist das ja ein göttliches Zeichen. Eine Strafe für die Sünder!«
****
Er saß oben im Baum vor dem Haus und wartete auf sie.
Er hatte Angst.
Mehr als je zuvor in seinem Leben.
Schniefend zog er die Nase hoch und wischte mit dem Ärmel schmierige Reste von der Oberlippe. Sie sollten ihn nicht weinen sehen. Die Freude würde er ihnen nicht machen. Er würde sie auch nicht um Gnade anbetteln. Diesmal nicht, nie mehr.
Von seinem Platz im Baum aus konnte er in sein Zimmer hineinsehen. Wie gerne läge er jetzt in seinem Bett mit einem spannenden Buch oder einer Hörspielcassette, den Kater auf dem Bauch.
Er seufzte.
Es hatte keinen Sinn.
Sie würden mit Sicherheit kommen – da könnte auch das Bett keinen Schutz bieten. Morgen war wieder Schule, und schließlich konnte er sich nicht auf Dauer vor ihnen verkriechen.
Das wollte er auch gar nicht – er war nicht feige!
Diesmal konnte es kein Pardon geben – das war klar. Noch nie zuvor waren der Dicke, der Dünne und der Kurze so gedemütigt worden, und nie zuvor hatte er sie so wütend gesehen.
Er war zu weit gegangen – das war unverzeihlich. Deshalb wusste er auch so sicher, dass sie kommen würden, und zwar noch heute. Die Sache duldete aus ihrer Sicht keinen Aufschub. Und da war es besser, im Baum auf sie zu warten, denn von seinem Ast aus würde