Der Serienmörder von Paris. David King

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Der Serienmörder von Paris - David  King

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da Debauve es bereits früher am Tag unter dem Küchenschrank versteckt hatte.

      Interessanterweise gelang es der Polizei, deutlich erkennbare Fingerabdrücke auf einem Brandeisen sicherzustellen, das aus dem Schuppen entwendet und mit hoher Wahrscheinlichkeit zum Aufbrechen des Safes benutzt worden war. Die Beamten sicherten die Fingerabdrücke der 21 Angestellten, doch sie stellten keine Übereinstimmung fest. Als man Petiot um seine Fingerabdrücke bat, weigerte der sich zuerst standhaft. Robert Seguin, sein Nachfolger im Amt des Bürgermeisters von Villeneuve-sur-Yonne, beschrieb den Tumult, der ausbrach, als Petiot schließlich nachgab. Er verlor seine Haltung und riss wutentbrannt eine Seite aus dem Buch des Einwohnermeldeamts. „Zornig presste er die Finger in die Tinte, drückte sie auf das unersetzliche Papier und keifte: ‚Macht doch, was ihr wollt. Das bringt nichts – das werdet ihr schon sehen.‘“ Petiot stürmte daraufhin aus dem Amtszimmer und knallte die Tür zu.

      Massu bat die Ermittler der Brigade Mobile von Dijon um die Akte des Debauve-Mordes, doch niemand fand sie. Das erregte das Misstrauen der Beamten. Schnell gab es wilde Spekulationen, und viele glaubten, dass der Bürgermeister seinen Einfluss geltend gemacht hatte, um sie zu vernichten. Jahre darauf wurde das Dossier durch einen Zufall dann doch gefunden. Es war nicht unter dem Buchstaben D für Debauve eingeordnet worden, sondern unter M für Mord. Es war erstaunlich dünn und enthielt weder Vernehmungsprotokolle noch einen Hinweis über Petiots Erscheinen am Tatort.

      Verständlicherweise erregte ein Verbrechen solchen Ausmaßes die Aufmerksamkeit nicht nur der Polizei, sondern auch der Presse und der Einwohner. Ein freier Mitarbeiter des Lokalblatts Le Petit Régional verfügte über erstaunlich viele Informationen. Durch seine Recherchearbeit vervollständigte sich das Bild, was sogar die Ermittler verblüffte. Neben einigen bedeutenden Erkenntnissen eher theoretischer Natur fand er die Tatwaffe, also den Hammer, in einem kleinen Flüsschen in der Nähe der Molkerei. Der Täter hatte ihn dort mit hoher Wahrscheinlichkeit hineingeworfen, damit die Fingerabdrücke durch den sich bildenden Rost unkenntlich werden. Der freie Mitarbeiter ließ seine Reportagen stets inkognito drucken. Seine Identität wurde erst 1945 enthüllt. Es war Marcel Petiot.

      Frascot behauptete damals, dass er exklusive Informationen zu dem Fall habe, und er deutete an, Petiot vor dem Feuer bei der Molkerei gesehen zu haben, womit er indirekt empfahl, dass die Jagd auf den Mörder im Büro des Bürgermeisters beginnen sollte.

      Was genau Frascot über den Tatabend wusste, wird wohl niemals enthüllt werden, denn wenige Wochen nach Debauves gewaltsamen Tod traf er sich mit Petiot an der Bar des Hôtel du Dauphin. Während des Gesprächs klagte er über einen schmerzhaften Rheumaschub. Petiot erzählte ihm von einem neuen, bahnbrechenden Medikament, das die Symptome mit hoher Sicherheit lindere, wenn nicht sogar vollständig kuriere. Um dem alten Freund einen Gefallen zu erweisen, bot ihm der Arzt eine kostenlose Injektion an. Die beiden begaben sich auf den Weg zu Petiots Praxis, die die Straße hinab lag. Drei Stunden später war einer der wichtigsten Zeugen im Mordfall tot.

      Dem offiziellen Autopsiebefund zufolge war die Todesursache Frascots ein Aneurysma, verursachte durch „einen Unfall … einen plötzlich verlangsamten Herzschlag oder eine nicht bekannte Nebenwirkung einer subkutanen Injektion“. Das lag sicherlich im Bereich des Möglichen, doch der Doktor, der die Autopsie durchführte und die Sterbeurkunde unterzeichnete, war Villeneuve-sur-Yonnes Gerichtsmediziner. Und diese Position – wie Massu voller Erstaunen und Entsetzen feststellte – wurde von einem gewissen Dr. Marcel Petiot besetzt.

      Nach einer Beerdigung auf dem Passy-Friedhof kehrten die Totengräber in Petiots Haus zurück. Sie bargen die Knochen und verwesende Körperteile aus der ausgetrockneten Grube, legten sie in hölzerne Behälter, die entfernt an Särge erinnerten und ließen sie zum gerichtsmedizinischen Institut am Place de Mazas im 12. Arrondissement transportieren.

      Das Institut Médico-Légal (IML) war eines der berühmtesten forensischen Laboratorien weltweit. Nachdem das IML 1914 aus dem ehemaligen Gebäude gleich hinter Notre Dame am Place de Mazas gezogen war, hatte es sich von der ursprünglichen Funktion eines Leichenschauhauses zu einer fortschrittlichen Institution entwickelt, die die Rolle der Wissenschaft im Rahmen kriminalistischer Untersuchungen revolutionierte. Alphonse Bertillon war einer der berühmtesten und innovativsten Ermittler, ein früher Verfechter des sogenannten „anthropometrischen“ Ansatzes, mit dessen Hilfe Individuen durch spezifische eindeutige Messergebnisse identifiziert werden konnten.

      Die französischen Gesetze des 19. Jahrhunderts differenzierten zwischen Erst- und Wiederholungstätern, wobei man die Ersttäter eher milde bestrafen konnte, was meist auch geschah. Um diesen Vorteil auszunutzen, legten sich Kriminelle oft verschiedene Namen zu, womit sie – im Fall, dass der Betrug nicht aufgedeckt wurde – immer wieder als Ersttäter galten. Nach Bertillons Methode identifizierte man jeden Verbrecher nun ein für alle Mal anhand von elf Punkten: Größe, Länge der ausgestreckten Arme, Höhe und Breite des Kopfes, Länge des Fußes, des Mittelfingers, des kleinen Fingers, des Armes vom Ellbogen bis zum Mittelfinger und weiteren Merkmalen. Hierbei zog man die linke Seite vor, denn sie veränderte sich bei einem Rechtshänder durch harte physische Arbeit kaum. Durch die präzisen Messungen ließ sich eine Person unzweifelhaft identifizieren. Zwei Menschen mochten nach Bertillon ein, zwei, vielleicht sogar drei übereinstimmende Werte vorweisen, doch niemals elf. Hier lag seinen Berechnungen zufolge die Wahrscheinlichkeit bei 1:268.435.456. Um selbst diese Möglichkeit auszuschließen, fügte er dem Verfahren noch drei weitere Referenzpunkte hinzu: die Augen- und Haarfarbe sowie die Farbe des Teints.

      Im Februar 1883, nach einer jahrelangen Bestandsaufnahme von Daten und einer Verfeinerung des Klassifizierungssystems, identifizierte Bertillon einen Wiederholungstäter erfolgreich, eine Leistung, die als erster wissenschaftlicher Ermittlungsansatz der Kriminalgeschichte in die Annalen einging. Im Laufe der nächsten Jahre demonstrierte Bertillon den Wert seiner Methode wiederholt und ertappte 1884 nicht weniger als 241 Straftäter und sogar 425 im darauffolgenden Jahr. Am Ende der Dekade waren es schon 3.500. Ungefähr zur Mitte der 90er Jahre des 19. Jahrhunderts konnte die Polizei einen Katalog mit fünf Millionen Profilen vorweisen.

      Bertillon bereicherte die Ermittlungsarbeit durch weitere Techniken. Er standardisierte das Verbrecherfoto, indem er das Anfertigen einer Frontalaufnahme und einer Seitenaufnahme festlegte. Darüber hinaus forderte er von den Kollegen, immer eine Fotokamera zum Ort eines Verbrechens mitzunehmen, um dort die sogenannten Tatortfotos zu schießen. Zwar sträubte sich der Tüftler zuerst gegen die Technik der Daktyloskopie, der Abnahme von Fingerabdrücken, da er sie als Gefahr für sein eigenes System ansah, unterstützte die Anwendung der Methode dann aber doch. Bertillons Ansehen war innerhalb kurzer Zeit so rasant gestiegen, dass der britische Schriftsteller Sir Arthur Conan Doyle seinen Protagonisten Sherlock Holmes „seine tiefe Wertschätzung für den französischen Gelehrten“ ausdrücken ließ. Im Roman Der Hund von Baskerville beschreibt Dr. Mortimer, der Gegenspieler des fiktionalen Meisterdetektivs, Holmes und Bertillon als die zwei besten Ermittler Europas.

      Zur Zeit des Falls Petiot leitete Dr. Albert Paul, Paris’ höchster Gerichtsmediziner, das IML. Der 65-jährige Forensiker bzw. Leichenbeschauer, wie man diesen Berufsstand ursprünglich bezeichnete, stammte aus einer Familie von Ärzten und Rechtsanwälten. Nachdem er sein Studium unter Paul Brouardel, einem führenden Experten auf den Gebieten der forensischen Pathologie und der forensischen Entomologie, also Insektenkunde, abgeschlossen hatte, wurde Paul 1918 Professor der forensischen Medizin an der Sorbonne und arbeitete an vielen bedeutenden Fällen, von denen besonders die Morde des Henri Landru in den Jahren 1920/1921 für großes Aufsehen sorgten. Landru führte die Behörden jahrelang an der Nase herum, während er in aller Seelenruhe reiche Frauen tötete, beraubte und dann deren Körper verbrannte.

      Dr. Paul knackte schließlich den Fall, indem er Landrus Technik, sich der Leichen zu entledigen, kopierte, das heißt, er verbrannte menschliche Körperteile in einem Küchenherd. „Ein rechter Fuß“, erkannte Paul, „verbrannte in 50 Minuten, ein halber Schädel mit vorher entnommenem Gehirn in 36 Minuten, ein kompletter Schädel in 70 Minuten. Ein Kopf mit

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