Der Serienmörder von Paris. David King

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Der Serienmörder von Paris - David  King

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gehandelt habe. Er habe lediglich den Versuch unternommen, die Patienten durch immer niedrigere Dosen von der Sucht zu entwöhnen. Diese Methode helfe den ihm Anvertrauten dabei, für ihre Sucht „nicht einfach auf Beutefang zu gehen und zu stehlen oder sogar einen Menschen umzubringen“. Zudem sei es „die einzige bekannte Therapie“. Der Staat beschuldige ihn zu Unrecht des Drogenhandels. Würde er tatsächlich Handel betreiben, wie wären dann die bescheidenen 50 Francs zu erklären, die er bei einer Visite erhalte, und wie die 200 Francs für das Heroin, das auf dem Schwarzmarkt doch wesentlich mehr Geld einbringe?

      Zu den für Van Bever ausgestellten Rezepten meinte er, dass dieser ihm gesagt habe, er sei süchtig. Nach einer gründlichen Untersuchung habe er die Diagnose angeblich bestätigt gesehen. Später, anlässlich der dritten Visite, seien ihm dann aber Zweifel gekommen, denn Van Bever, der behauptete, taub zu sein, konnte eine Frage beantworten, nachdem sie ihm von seiner Freundin ins Ohr geflüstert worden war. Ab dem Moment habe er sich geweigert, weitere Rezepte auszustellen. Sowohl Van Bever als auch Gaul widerlegten dieser Aussage später.

      Die beiden änderten dann ihre Aussagen in bestimmten Punkten und sorgten damit für eine solche Verwirrung, dass sich der Richter gezwungen sah, sie und den Arzt anzuklagen. Der springende Punkt bestand darin, dass Van Bever nun behauptete, Petiot habe die ganze Zeit über gewusst, dass er kein Süchtiger gewesen sei und die Drogen der Geliebten zukommen habe lassen. Falls die Schuld der Patienten nachgewiesen worden wäre, hätte das unweigerlich eine Haftstrafe für sie nach sich gezogen. Petiot wiederum hätte im Fall einer Verurteilung mindestens seine Zulassung als Arzt verloren. Der Prozess sollte am 26. Mai 1942 vor dem Tribunal Correctionnel stattfinden.

      Zwei Monate vor der Verhandlung verschwand Van Bever jedoch.

      Er wurde zuletzt am Morgen des 22. März in einem Café in der Rue Piat gesehen. Van Bever trank dort zusammen mit seinem Freund und Arbeitskollegen, dem Kohlelieferanten Ugo Papini, einem ehemaligen Hutmacher aus Italien, einige Biere. Während des Gesprächs verständigte der Ober Van Bever, der sich in einer Ecke des Cafés mit einem großen, sauber rasierten Mann in den Mittvierzigern unterhielt, der eine Baskenmütze trug. Kurz darauf kehrte er zurück, sich dafür entschuldigend, dass er den Fremden begleiten müsse. Papini empfand die Situation als hochgradig mysteriös. Van Bever sagte lediglich, dass es sich bei dem Fremden um einen Freund von Jeanette Gaul handle, oder genauer gesagt um den Mann einer ihrer Freundinnen. „Möglicherweise hat Jeanette Schulden, die ich nun begleichen soll“, entschuldigte sich Van Bever und versprach, nicht lange wegzubleiben.

      Als Van Bever am Abend noch immer nicht zurückgekehrt war und auch am folgenden Tag nicht zur Arbeit kam, sorgte sich Papini so sehr, dass er sein Zimmer aufsuchte, das wie üblich äußerst unordentlich wirkte. Merkwürdigerweise lag der Tabak von Van Bever, einem starken Raucher, noch dort. Bei dem Gespräch im Café hatte er Papini etwas über einen dringlichen Brief erzählt, der sich im Zimmer befand, aber nicht auffindbar war. Papini setzte unverzüglich einen Brief an Van Bevers Rechtsanwalt auf, Maître Michel Menard, in dem er vorschlug, eine Vermisstenanzeige beim Procureur de la République, also dem Staatsanwalt, aufzugeben.

      Am 26. März 1942 füllte Papini einen dementsprechenden Bericht aus, worin er seine Befürchtungen wegen der Sicherheit des Freundes klar ausdrückte. Weder er noch die Polizei verdächtigten jedoch Dr. Petiot, denn zu der Zeit gab es einen wahrscheinlicheren Täter.

      Während der letzten Monate hatte Van Bever häufig France Mignot, ebenfalls eine Prostituierte, aufgesucht. Im November 1941 begleitete er sie zum Haus ihrer Familie in Troyes. Als er sich gerade auszog, um Sex mit ihr zu haben, griffen ihn die Brüder und die Mutter der Prostituierten tätlich an. Er erlitt Stichwunden, wurde zusammengeschlagen und ausgeraubt. Nach seiner Entlassung aus dem Krankenhaus erstattete Van Bever Anzeige. Die Polizei nahm das Mädchen, ihre Mutter und die Brüder in Gewahrsam, und man setzte den Prozess für den 24. März 1942 an. Da Van Bever dann nur zwei Tage vor der Verhandlung verschwunden war, mutmaßte Papini, dass der für das Verschwinden des Freundes Verantwortliche aus dem Familienumfeld der Mignots stammen müsse.

      Aber dann überbrachte am 26. März, also exakt zwei Monate vor Petiots Prozess, ein unbekannter Mann zwei Briefe in das Büro von Jeannete Gauls Pflichtverteidiger Maître Françoise Pavie, der am Boulevard Saint-Germain eine Kanzlei besaß. Beide Schriftstücke stammten angeblich von Van Bever. Der erste, adressiert an seinen Rechtsanwalt Maître Menard, informierte diesen, dass seine Dienste nicht länger in Anspruch genommen werden würden. Es war eine sehr merkwürdige Art und Weise, die Geschäftsbeziehung zu einem alten Familienfreund zu beenden. Der zweite Brief richtete sich an Jeannette Gaul und wirkte noch unverständlicher.

      „Es ist nicht länger nötig, irgendwelche Geschichten zu erzählen“, begann der Verfasser das Schreiben. Er behauptete, selbst ein Drogensüchtiger zu sein, der ein bis vier Injektionen täglich brauche, und er riet ihr dringlich, die Wahrheit zu erzählen. In dem Brief stand wenig über Bevers Freundin, jedoch umso mehr über seinen Arzt:

      Du weißt, dass Dr. Petiot mich im angrenzenden Raum untersuchte. Das ist dadurch belegt, dass er den Wundschorf an den Einstichstellen bemerkte. Wenn ich falsche Aussagen gemacht habe, dann nur aus dem Grund, weil ich eine zeitweilige Auszeit benötigte, um mir anderswo ein neues Leben aufzubauen. Wir werden uns bei deiner Entlassung treffen und versuchen, ein gemeinsames Leben zu führen, weg von all dem Dreck. Ich küsse dich von ganzem Herzen.

      Der Brief war mit „Jean Marc Van Bever“ unterzeichnet worden.

      Warum aber sollte Van Bever sich die Mühe machen, einen Brief zu schreiben, in dem er zwei Drittel des Textes für das Eingeständnis einer Drogenabhängigkeit aufwendete, die entweder gar nicht zutreffend war oder aber, träfe sie zu, keine Neuigkeit gewesen wäre. Und warum verschwendete er den knappen Platz, um Petiots Aussage zu erhärten? Warum unterzeichnete er einen Brief an die Geliebte mit seinem vollständigen Namen? Fragen über Fragen. Van Bevers Rechtsanwalt zweifelte deshalb sofort daran, dass die Briefe von seinem Mandaten geschrieben wurden.

      Die Polizei setzte die Suche nach Van Bever fort und durchkämmte systematisch Bars, Gefängnisse, Krankenhäuser, Notunterkünfte, ja sogar Leichenhallen und weitere in Frage kommende Orte in der Hauptstadt und dem Umland, was aber erfolglos blieb. Die Verhandlung gegen die Angeklagten fand wie geplant am zehnten Polizeigerichtshof statt. Man erklärte Van Bever für schuldig in Abwesenheit und verurteilte ihn zu einem Jahr Gefängnis und einer Geldstrafe von 10.000 Francs. Doch er tauchte nie wieder auf.

      Jeanette Gaul wurde zu einer sechsmonatigen Haftstrafe und einer Geldstrafe von 2.400 Francs verurteilt, doch sie kam schon im Mai 1942 wieder auf freien Fuß, also drei Monate später, gerechnet vom ersten Tag der Untersuchungshaft. Daraufhin verdiente sie sich den Lebensunterhalt wieder als Prostituierte, wurde rückfällig und suchte Dr. Petiot sogar erneut auf. Gaul verstarb drei Monate später an Wundstarrkrampf, verursacht durch eine verdreckte Injektionsnadel.

      Petiot führte während der Verhandlung an, dass Van Bevers Verschwinden – „Er wagt es nicht, hier zu erscheinen“ – seine eigene Unschuld beweise. Er kam schließlich mit einer Geldstrafe von 10.000 Francs davon, gegen die sein Rechtsanwalt René Floriot Einspruch einlegte. Letztendlich reduzierte man sie auf 2.400 Francs, allerdings erst Monate später. Dr. Petiot hatte seinen Kopf aus der Schlinge gezogen und eine weiße Weste behalten.

      Während sich die Wogen der „Van Bever / Gaul“-Ermittlung glätteten, zog für Petiot allerdings schon neues Unheil am Horizont herauf – ein zweites Drogendelikt. Die Begleitumstände waren ähnlich. Angeblich hätte er eine Patientin entgiftet, die daraufhin durch Tricks und Täuschung versuchte, an mehr Drogen zu gelangen. Als der Fall ans Tageslicht gelangte, zeigten sich sogar weitere verblüffende Parallelen:

      Bei der Patientin handelte es sich um die 28-jährige Régine oder Raymonde Baudet. Anfang 1942 verschrieb ihr Petiot Soneryl, ein mildes Schlafmittel. Baudet versuchte das Wort „Soneryl“

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