Der Serienmörder von Paris. David King

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Der Serienmörder von Paris - David  King

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wie die Aussagen zu bewerten waren.

      Massus Detektive nahmen im gesamten Gebäude Fingerabdrücke und durchsuchten jeden Winkel nach Beweisen für die Verbrechen oder nach Hinweisen auf die Opfer. In einem der kleinen Schuppen auf dem Hof fanden sie eine kleinere zweite Grube mit Löschkalk. Sie war ca. 4,50 bis sechs Meter tief, 1,80 Meter breit und 1,80 bis 2,70 Meter lang. [Wegen der Vermengung des Löschkalks mit dem Untergrund konnten die exakten Maße nicht ermittelt werden, Anm. A. T.] Auch in dieser Grube befanden sich menschliche Knochen. Daneben stand ein Fuhrwerk mit einem fehlenden Rad. Hatten die Nachbarn dieses Vehikel gehört? An verschiedenen Stellen im Hauptgebäude entdeckten die Ermittler Arbeiterkleidung, verdreckt mit Löschkalk. Im Eingang stand ein brauner, mit dunklen Flecken verunreinigter Koffer, der eine Nagelfeile enthielt, einen Wimpernformer, die Hülle eines Regenschirms und elf Paar Frauenschuhe. Die dunklen Flecken rührten mit hoher Wahrscheinlichkeit von Blutstropfen her.

      In Dr. Petiots Behandlungszimmer fand man eine in der Tschechoslowakei hergestellte Gasmaske, die der Arzt, wie die Polizei mutmaßte, wegen des Gestanks der verwesenden Leichen aufsetzte, wenn er sie zum Ofen transportierte. Darüber hinaus entdeckten sie eine „Injektionsnadel“ und eine aus Wachs gefertigte kleine Büste einer Frau.

      Die Ermittler Petit und Renonciat fanden ein schwarzes Seidenkleid mit einem tief ausgeschnittenen Dekolleté, verziert mit zwei goldenen Schwalben. Es stammte aus dem Hause Silvy-Rosa in der Rue Estelle in Marseille. An dem Stoff ließ sich noch deutlich der Geruch von Parfüm wahrnehmen. Einem anderen Ermittler fiel ein kleiner runder und aus der Mode gekommener Damenhut in die Hände, überzogen mit braunem Samt und geschmückt mit einer Pfauenfeder, hergestellt von Suzanne Talbot in der Pariser Rue Royal 14. In dem Behandlungszimmer lag zudem ein Frauennachthemd, bestickt mit dem Buchstaben „T“, und ein edles graues Männerhemd mit roten Streifen und den roten, kunstvoll aufgenähten Initialen „K. K.“, die jemand versucht hatte abzureißen. Die Beamten fanden noch weitere Kleidungsstücke mit denselben Initialen: ein weißes Hemd mit dunkelblauen Streifen und zwei Unterhosen.

      Ein weiterer Fund unterstrich jedoch das wahre Ausmaß der menschlichen Tragödie, die sich hier abgespielt hatte. Versteckt in einem Wandschrank in Petiots Keller lagerten 22 Zahnbürsten, 22 Fläschchen Parfüm, 22 Kämme und Taschenkämme, 16 Lippenstifte, 15 Etuis mit Gesichtspuder und 36 Fläschchen mit Make-up, Mascara und weiteren Schönheitsprodukten. Darüber hinaus lagen dort zehn Skalpelle, neun Fingernagelfeilen, acht Handspiegel, acht Eistaschen, sieben Brillen, sechs Puderquasten, fünf Zigarettenspitzen, fünf Gasmasken, fünf Pinzetten, zwei Regenschirme, ein Spazierstock, ein Taschenmesser, ein Kopfkissenbezug, ein Feuerzeug und ein Damenbadeanzug. Offensichtlich befanden sich viele Frauen unter den Opfern. Der Mörder schien darauf versessen gewesen zu sein, ihre persönlichen Habseligkeiten zu horten. Hatte er die Frauen wie ein Sadist gequält oder sie missbraucht, bevor er sie in Stücke hackte und die Körperteile in der Löschkalkgrube entsorgte? Diese Frage nahm an Bedeutung zu, als die Polizei einen weiteren grausigen Fund in der Rue Le Sueur machte: zwei Gläser mit männlichen Genitalien, konserviert in Formaldehyd.

      Am Morgen des 12. März – über den exakten Zeitpunkt wird spekuliert – hielt dann ein schwarzer Citroën vor dem Haus. Darin saßen vier hochrangige deutsche Offiziere. Sie betraten das Gebäude, kehrten aber schnell wieder zum Auto zurück. Am frühen Nachmittag, hier liegt ebenfalls keine genaue Zeitangabe vor, wurde ein Telegramm vom Oberkommando der deutschen Besatzungsmacht in Massus Büro am Quai des Orfèvres abgegeben. In dem Schriftstück stand Folgendes: „Befehl von den deutschen Behörden. Unverzüglich Petiot verhaften. Gefährlicher Wahnsinniger.“

      Während Kommissar Massu den Haftbefehl ausstellte, rief ein Polizeibeamter in der Kriminalpolizeibehörde an, der eine Entdeckung in Petiots Heimatregion gemacht hatte. 1926, also ein Jahr, bevor Petiot Georgette geheiratet hatte, war seine Geliebte Louisette Delaveau unter mysteriösen Umständen verschwunden.

      Louisette Delaveau, oder Louis, wie er sie nannte, hatte als Haushälterin bei einem Patienten von Petiot gearbeitet. Sie und der Doktor hatten einander bei einem Abendessen kennengelernt, wo Delaveau, eine 24-jährige Brünette mit dunklen Augen, die Mahlzeit serviert hatte. Petiot hatte sich augenblicklich zu der Frau hingezogen gefühlt. Sein Freund René Nézondet hatte ihn niemals in so einer Hochstimmung erlebt.

      Petiot nutzte seine zahlreichen Kontakte in der Stadt, um mehr über die Frau herauszufinden. Er erfuhr, dass sie gerne in der Rue Carnot einkaufte, die Messe in Notre Dame besuchte und gelegentlich in Frascots Bistro ausspannte. Der Besitzer der Gaststätte, Léon Fiscot, auch genannt „der alte Frascot“, gehörte zufällig zu Petiots Patienten. Überrascht und über die Gelegenheit erfreut, hier als Kuppler zu agieren, stimmte Frascot der Rolle des Vermittlers zu. Petiot schrieb der jungen Frau einen Brief und bat seinen Freund darum, ihn zu überbringen. Louise sollte ihn, im Fall, dass sie interessiert wäre, in der Praxis anrufen oder ihn in seinem Haus in der Rue Carnot besuchen.

      Als sie Petiot am darauffolgenden Tag anrief, verabredeten sich die beiden zu einem abendlichen Rendezvous in Frascots Bistro. Das Treffen verlief vielversprechend und endete mit einem romantischen Spaziergang zu Petiots Haus. Die beiden trafen sich von nun an heimlich und arrangierten spontane Schäferstündchen. Schon kurz darauf zog Louisette beim Doktor ein. Um den Schein zu wahren, wurde sie seine Köchin und Haushälterin.

      Die Schwierigkeit, mit einem Menschen wie Petiot zusammenzuleben – obsessiv, zwanghaft und schon damals dazu neigend, sich bei Auktionen „Schnäppchen“ zu sichern –, forderte schon bald seinen Tribut. Weitere Spannungen zeigten sich, nicht zuletzt, da Petiot eine Affäre mit einer Patientin begonnen hatte. Möglicherweise war Delaveau schwanger, wie sie einer Freundin anvertraute, sie versicherte dabei aber, dass sich Petiot darum kümmern würde. Man vermutete schon länger, dass der junge Arzt sich mit illegalen Abtreibungen einen Nebenverdienst sicherte.

      Im Mai 1926 verschwand Louisette Delaveau. Freunden erklärte Petiot ihre „Abreise“ als Folge eines turbulenten Streits, der sie quasi aus der Stadt stürmen ließ, ohne einen Zielort anzugeben. René Nézondet erinnerte sich an die Gemütsverfassung des Freundes, der wie am Boden zerschlagen wirkte. Bei einem gemeinsamen Mittagessen kurz nach dem Vorfall begann Petiot zu weinen. Dann starrte er ziellos in die Ferne. Sogar seine Hände zitterten stärker als gewöhnlich.

      Wie sich herausstellte, hatte sich Louisette weder von ihrer Freundin noch von anderen Bekannten verabschiedet. Sie hinterließ keine Nachsende-Adresse. Auch verzichtete sie auf die Mitnahme von persönlichem Besitz. „Falls sie in meiner Abwesenheit zurückkehrt“, beauftragte Petiot Suzanne, die die Stelle Louisettes zwischenzeitlich eingenommen hatte, „dann erklären Sie ihr, wo sie ihre Sachen finden kann, und überreichen ihr diesen Brief“. Die neue Angestellte erfuhr nicht, was in dem Brief stand. Louisette kehrte jedoch niemals zurück.

      Nur wenige vermuteten damals ein Verbrechen. In einem an die Polizei gerichteten Schreiben wurde Petiot zwar des Mordes an seiner Geliebten beschuldigt, doch die Ermittler fanden keinerlei Hinweise auf eine solche Tat. Daraufhin stellte man die offizielle Suche nach wenigen Monaten ein.

      Berichten zufolge wurde Petiot nicht lange nach Louisettes Verschwinden dabei gesehen, wie er einen großen Rattankorb in den Kofferraum seines Sportwagens lud. Die Zeugenaussage gewann wenige Tage später an Bedeutung, als der Leichnam einer jungen Frau in den Mittzwanzigern in einem ebensolchen Korb außerhalb von Dijon gefunden wurde. Kommissar Massu konnte den Stellenwert des Fundes besser einschätzen als seine Kollegen damals, denn ihm standen zusätzliche Informationen zur Verfügung. Die Leiche in dem Korb war geköpft worden, der Körper zerstückelt und die inneren Organe waren herausgeschnitten worden …

      Massu führte seine Ermittlungen immer methodisch und mit so geringer emotionaler Beteiligung wie möglich durch. Er versuchte nicht, zwischen „großen“ und „kleinen“ Verbrechen zu unterscheiden, oder wie er es nannte: interessanten und uninteressanten Fällen. Bei jedem Fall handelte es sich im Grunde genommen um Opfer und Täter – die erste

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