Der Serienmörder von Paris. David King

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Der Serienmörder von Paris - David  King

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war ein gebürtiger Pariser, der am 9. Dezember 1889 zur Welt gekommen war. Der Vater starb in seinem zweiten Lebensjahr, und die Mutter musste die Familie daraufhin allein ernähren. Sie arbeitete in einem Lebensmittelgeschäft. Im Alter von 13 Jahren begann Massu die Arbeit bei einem Fleischer in der Rue des Capucines. Er verbrachte die nächsten sechs Jahre mit dieser Tätigkeit und schuftete bei verschiedenen Arbeitgebern in der Stadt. Im Januar 1908, kurz nach dem 18. Geburtstag, meldete er sich freiwillig für die Armee und trat dem 117. Infanterieregiment bei. Massu erreichte den Rang eines Sergeants und wurde zwei Jahre später entlassen. Schließlich fand er eine Anstellung im Kreditbüro des großen Kaufhauses Galeries Lafayette, nur wenige Schritte von Dr. Petiots zukünftigem Heim entfernt. Massu blieb dort, bis die Polizei seine Bewerbung positiv beschied.

      Am 16. Dezember 1911, im Alter von 22 Jahren, begann Massu die Laufbahn in der Brigade Mobile unter Charles Vallet, die gegründet worden war, um die Sicherheit der Pariser auf der Weltausstellung 1900 zu garantieren. Seine ersten Arbeitstage fielen zufälligerweise mit der Verfolgung der berüchtigten Anarchisten zusammen, bekannt als die Bonnot-Bande.

      Jules-Joseph Bonnot und seine Männer sahen den Diebstahl als einen Akt der Befreiung und entwendeten Automobile und Schnellfeuergewehre. Weder Geschäfte noch Privatwohnungen waren vor ihnen sicher. Am 21. Dezember 1911 raubten sie eine Zweigstelle der Bank Société Générale aus und flohen in einem Automobil, was ihnen einen eindeutigen Vorsprung verschaffte, denn die Polizei verfolgte damals Kriminelle entweder auf Fahrrädern oder Pferden. Das Regime der „Automobil-Banditen“, wie die Presse sie nannte, endete während Massus erstem Jahr bei der Polizei. Sie wurden getötet oder gefangen genommen.

      Massu verbrachte die ersten Jahre mit der Verfolgung von Taschendieben, was er als eine „gute Ausbildung“ bezeichnete, denn er lernte dabei, einem Verdächtigen zu folgen, diese Person genau zu observieren und ihn oder sie schließlich auf frischer Tat zu ertappen. Der zukünftige Kommissar hatte sich zu einem geduldigen Detektiv mit einer scharfen Beobachtungsgabe entwickelt, der die Mittel und Wege der Polizeiarbeit bis ins kleinste Detail kannte. Besonders lobte man ihn für seine empathischen Fähigkeiten, durch die er sich in die Lage eines Kriminellen hineinversetzte. Seine Vorgesetzten übertrugen ihm zunehmend größere Verantwortungsbereiche, und er wurde im August 1921 zum Sekretär befördert und schließlich – im Januar 1933 – zum Polizeikommissar. Dabei erntete er den Ruf eines Vorgesetzten, der die Stärken und Schwächen der Männer in seiner Einheit erkannte und dementsprechend einsetzte. Einige superbe Vernehmungsbeamte konnten im ungünstigsten Fall noch nicht mal einen Taschendieb festnehmen, wohingegen einige Beamte, die sich bei Verfolgungsjagden als wahre Bluthunde entpuppten, in einem Verhörraum hoffnungslos verloren waren. Massus Aufgabe bestand darin, die verschiedenen Fälle den dafür geeigneten Ermittlern zu übergeben.

      Seine eigene Spezialität lag im Verhör. Er gewichtete die Bedeutung einer Befragung für ein Ermittlungsverfahren außergewöhnlich hoch. An einem Tatort sichergestellte Beweise und erste Verhöre vor Ort stellten sich später oftmals als durchaus fragwürdig heraus. Sie waren Spielball verschiedenster Interpretationen, und auch die Wissenschaft konnte im günstigsten Fall nicht als unfehlbar bezeichnet werden. Es war gut möglich, dass die Zeugen vor Ort logen, die Beamten in die Irre führten oder fehlerhafte Aussagen zu Protokoll gaben. Bei einem Verhör war es hingegen einfacher, detaillierte Informationen zu erlangen. Diese – wenn sie im Einklang mit verifizierbaren Beweisen außerhalb des Verhörraums standen – eröffneten den sichersten Weg im Rahmen einer Klärung der Schuldfrage, was letztendlich dazu führte, dass der Gerechtigkeit Genüge getan wurde.

      Der Erfolg bei einem Verhör setzte die Fähigkeit voraus, die eigene Strategie individuell auf den jeweiligen Verdächtigen zuzuschneiden, der auf einem Stuhl mit einem grünen Samtbezug in Massus Büro saß. Ob es sich nun um einen Schlägertypen handelte oder einen ausgebufften Schwindler, war zuerst einmal egal, denn das Wichtigste war eine ruhige, entspannte Ausgangsatmosphäre. Ein Glas Bier oder ein trockener Weißwein konnten sich laut Kommissar oftmals günstiger auf die Vernehmung auswirken, als einem Verdächtigen ins Gesicht zu schreien, ihn zu bedrohen oder im schlimmsten Fall sogar zu schlagen. Massu konnte nicht nur voller Stolz mit den meisten Geständnissen der Behörde am Quai des Orfèvres aufwarten, sondern sich auch damit rühmen, diese „ohne die Stimme oder die Hand zu erheben“ erlangt zu haben.

      1937 war die Weltausstellung nach Paris zurückgekehrt, woraufhin Massu die „Brigade Volante“ gründete, eine mobile Polizeieinheit zur Bekämpfung des während des 185-tägigen Spektakels, das 31,5 Millionen registrierte Gäste anzog, wodurch ebenfalls Verbrechen rapide zunahmen. Massu wollte sicherstellen, dass die „Feier des Friedens und des Fortschritts“ nicht von Morden oder vergleichbaren Tragödien überschattet wurde. Durchschnittlich ließ er 300 Verhaftungen monatlich durchführen, doch in einem wichtigen Punkt blieben der Kommissar und die Kollegen erfolglos.

      Ein deutscher Tagedieb namens Eugen Weidmann hatte Touristen in seine kleine Villa im Westen von Paris, nahe St. Cloud, gelockt, wo er sechs Menschen ermordete, ausraubte und sie danach im Keller vergrub. Weidmann wurde schließlich aber doch gefasst, zum Tod durch die Guillotine verurteilt und im Juni 1939 hingerichtet. Die riesige pöbelnde und krakeelende Menschenmenge, die sich an dem Tag vor dem Gefängnis St. Pierre in Versailles versammelte, veranlasste den französischen Präsidenten Lebrun neun Tage später dazu, öffentliche Hinrichtungen abzuschaffen.

      Nun, fast fünf Jahre nach dem Fall Weidmann, sorgte in Paris ein weiterer Serienmörder für Schrecken und Entsetzen, doch diesmal handelte es sich augenscheinlich um einen weitaus „geschäftigeren“ und bedrohlicheren Mann.

      Mit dem Befehl der deutschen Behörden in der Hand machte sich Massu unverzüglich daran, einen Haftbefehl zur Ergreifung von Marcel Petiot und seiner Frau Georgette auszustellen. Seine Gattin beschrieb man wie folgt: „Ungefähr 40 Jahre alt, zierlicher Körperbau, blasser Teint und schmales Gesicht.“ Dr. Petiot, nun 47, war „ungefähr 1,80 Meter groß, eher korpulent, hatte einen stark ausgeprägten Kiefer mit einem leichten Doppelkinn, dunkles, kastanienbraunes Haar, das er zurückkämmte, und Geheimratsecken, er war stets frisch rasiert und trug für gewöhnlich einen leichten Übermantel“. Massu beschrieb Petiot im Text als „gefährlich“.

      „Die Schritte bei einer Ermittlung folgen stets den gleichen Mustern“, erklärte Massu. „Erfassen von Aussagen, Zeugenbefragungen, die Suche nach Hinweisen und Fingerabdrücken am Tatort oder überall, wo es notwendig erscheint.“ Die Ergebnisse mussten danach auf der Suche nach „dem, was zur Erlangung der Wahrheit dienlich sein kann, verglichen und wissenschaftlich unter die Lupe genommen“ werden. Massu war guter Dinge und sich sicher, den Verdächtigen zu verhaften. Egal, wie schlau ein Mörder auch gewesen war, wie perfekt er den Plan ausgeklügelt und wie vorausschauend er sich bei der Ausführung verhalten hatte, an irgendeinem Punkt verhielt er sich laut Massu immer „wie ein Idiot“. Letztendlich würde er einen Fehler machen, und der Kommissar könnte zuschlagen.

      Der Ermittlungsbeamte Marius Battut und einige Detektive der Mordkommission machten sich also auf den Weg zu Petiots Appartement in der Rue Caumartin, das nicht weit von den Métro-Stationen Caumartin und Saint-Lazare entfernt lag. Es befand sich mitten im sogenannten Opern-Viertel. Am zentralen Boulevard Haussmann stieß man auf Hotels, Restaurants, Cafés, Theater, Nachtclubs, Bordelle und weitere kommerzielle Etablissements.

      Die Beamten fanden schnell das fünfstöckige Gebäude Nummer 66. Im Erdgeschoss waren zwei Geschäfte: der Friseursalon Gaston Coiffure und das Bistro La Chope du Printemps. Im Keller hatte man einen Luftschutzbunker eingerichtet. Rechts neben der Eingangstür hing eine schwarze Marmortafel mit einem eingravierten goldenen Schriftzug, der auf die Praxis und die Öffnungszeiten von Dr. Petiot hinwies, Absolvent der Pariser Universität.

      Das Bistro, der Friseur und auch die Praxis hatten allesamt geschlossen. Die Concierge Raymonde Denis hielt sich bei Ankunft der Polizei nicht in ihrer kleinen Wohnung auf. Die zwölfjährige Tochter berichtete den Beamten, Dr. Petiot und seine Frau um ungefähr

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