Der Serienmörder von Paris. David King

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Der Serienmörder von Paris - David  King

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Mistkerl! Du Krimineller!“, schrie Khaït. „Du hast meine Frau umgebracht!“ Er habe die Tat an den Augen des Arztes ablesen können. Petiot erwiderte in aller Seelenruhe, dass der Mann verrückt sei und eingesperrt gehöre.

      Bei einer Befragung durch die Polizei gab Petiot zu Protokoll, nichts über den augenblicklichen Aufenthaltsort von Madame Khaït zu wissen, und verwahrte sich gegen die Anschuldigung, ihr Injektionen verabreicht zu haben. Angeblich hatte er einen Brief von der Tochter erhalten, die ihn bei der Polizei anschwärzen wollte, falls er nicht aussage, dass es sich bei den Rezepten um echte Dokumente gehandelt habe. Die Geschichte über die Injektionen war Petiots Aussage nach die Lüge einer Drogensüchtigen, die ihre eigene Haut retten wollte.

      Baudet wurde am 15. Juli 1942 schuldig gesprochen. Petiot musste einen Urteilsspruch und eine Geldstrafe wegen Handels mit Drogen hinnehmen. Jedoch gelang es dem Rechtsanwalt René Floriot im Januar 1943 die Strafen in den Fällen Van Bever und Khaït zu kombinieren und auf eine Summe von insgesamt 2.400 Francs herunterzudrücken. Trotz des Schuldspruchs hegten viele an dem Fall beteiligte Personen Zweifel. Maître Véron zum Beispiel drängte Untersuchungsrichter Olmi, Petiot wegen Menschenraubes oder Mordes anzuklagen. Er sollte in den folgenden Jahren noch eine wichtige Rolle im Leben des Verdächtigen spielen …

      Die Polizei hielt auch weiterhin Ausschau nach Madame Khaït, sowohl unter ihrem richtigen Namen als auch unter diversen von der Familie weitergegebenen anderen Namen, darunter der Mädchenname Fortin und Variationen des Familiennamens Lavie aus erster Ehe, wie Lavic, Laric und Lepic. Die Beamten fanden jedoch nicht die leiseste Spur von ihr. Drei Tage nach dem Verschwinden von Van Bever löste sich ein weiterer Belastungszeuge gegen Petiot also buchstäblich in Luft auf.

      Schließlich durchsuchte die Polizei die Wohnung des Arztes in der Rue Caumartin, fand aber nichts, was sich in irgendeinen Zusammenhang mit den verschwundenen Personen bringen ließ. Allerdings entdeckten sie in einem Büroschrank eine erstaunliche Anzahl an Juwelen, feinsten Leinen und anderen wertvollen Gegenständen, die Petiot als „Geschenke“ von Patienten bezeichnete, die ihre Rechnung nicht bezahlen konnten. Nachdem bei der Wohnungsdurchsuchung nicht der kleinste Hinweis entdeckt wurde, wandte sich der leitende Beamte Achille Olmi beinahe entschuldigend an Petiot und sagte: „Sie können beruhigt sein. Niemand beschuldigt Sie, die Leute in Ihrem Ofen zu verbrennen.“

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      MEIN LIEBER KOMMISSAR, ICH BENEIDE IHRE ERMITTLER NICHT, DENN SIE MÜSSEN DEN ÜBERRESTEN NAMEN GEBEN.

      (Dr. Albert Paul)

      Die Pariser Zeitungen schlachteten die Geschichte des Monsters aus dem eleganten 16. Arrondissement nach allen Regeln der Kunst aus. Marcel Petiot wurde als „der neue Landru“ tituliert, nach dem berüchtigten französischen Mörder, den man 1921 schuldig gesprochen hatte, elf Menschen getötet zu haben, zehn davon waren seine Geliebten. Le Petit Parisien wählte für diese auflagensteigernde Umschreibung am Montag, dem 13. März, eine Schlagzeile mit einer Buchstabengröße von fast fünf Zentimetern. Auch der L’Oeuvre nutzte die Titulierung an diesem Morgen und berichtete, dass 25 oder möglicherweise 30 Frauen in dem Beinhaus getötet oder „bei lebendigem Leibe verbrannt“ worden waren. L’Oeuvre und die zahlreichen Mistreiter auf dem Zeitungsmarkt der Hauptstadt lieferten sich einen wahren Wettstreit in der farbenprächtigsten Beschreibung des Mörders als eines sadistischen Triebtäters, der Frauen bis aufs Blut quälte, bevor er ihren letzten Überlebenskampf durch einen Spion beobachtete und sie nach dem Eintreten des Todes zerstückelte.

      Le Matin betonte insbesondere die „dämonische und erotische“ Natur des Verbrechens. Alle in der Rue Le Sueur entdeckten Leichen – abgesehen von den zerstückelten, verbrannten oder durch den Löschkalk unkenntlich gewordenen Überresten – waren nackt. Wann hatte der Mörder seinen Opfern die Kleider ausgezogen? War es bevor oder nachdem er sie gefesselt an die Haken der schalldichten Zelle gehängt hatte? Um die Vorstellungskraft der Leser anzuregen und ihnen wahre Alpträume zu verkaufen, berichtete die Zeitung, dass Dr. Petiot eine furchterregende Maske trug, während er die Opfer quälte und sie daraufhin umbrachte.

      Die von den Deutschen kontrollierte französische Presse berichtete über den Petiot-Fall für den Heimatmarkt, wohingegen die staatliche deutsche Nachrichtenagentur Deutsches Nachrichtenbüro (DNB) die Meldung über die „verkohlten und verstümmelten Skelette von 25 Frauen“, gefunden auf dem Grundstück des Arztes, international verbreitete. Fast jede Nacht berichtete das Organ detailliert über Petiot, der mit seinem Fahrrad in das leere Haus nahe des Triumphbogens gefahren war, um seinem bestialischen Handwerk nachzugehen, nämlich die Grube bis an den Rand mit Leichen zu füllen und den aus dem Schornstein aufsteigenden übelkeitserregenden Rauch zu verursachen.

      Das DNB, wie auch die Pariser Presse, berichtete gelegentlich, dass Georgette Petiot von den Aktivitäten ihres Mannes gewusst oder ihn sogar dabei unterstützt hatte. Manchmal wurde sie aber auch als Ehefrau dargestellt, die nichts von dem Doppelleben ihres Gatten ahnte. Meist charakterisierte die von den Deutschen kontrollierte Presse Petiot als Raubtier, das es besonders auf Frauen abgesehen hatte. Sie beschrieben einen Arzt, der seine Frau zu Hause zurückließ und sich zu nächtlichen Rendezvous in der Rue Le Sueur aufmachte. Die Nachbarn schauten weg, da sie nichts von der vermeintlich romantischen Liaison wissen wollten.

      Die weiblichen Besucher des Hauses, von denen angenommen wurde, sie seien „zwielichtige Damen der Pariser Halbwelt“, wollten angeblich Heroin, Kokain oder ein anderes Narkotikum. Doch sie erhielten nicht „den weißen Puder des Vergessens, sondern begegneten dem Tod höchstpersönlich“. Schnell folgerte man, dass Petiot den Frauen tödliche Substanzen in die Vene injizierte. Es war allerdings nicht klar, ob es sich um eine noch zu identifizierende Droge handelte, um die Überdosis eines Generikums oder eventuell eine selbsterfundene Mischung.

      Wegen seiner guten Beziehungen gelang es Karl Schmidt, einem deutschen Journalisten des DNB, als einem der ersten, durch die dreieckige Kammer geführt zu werden. Er spekulierte, dass der Schlächter seine Opfer unter Drogen setzte, sie dann in den Raum zerrte, wo er sie fesselte und an die Haken der hinteren Wand hängte. Der Mörder richtete danach den Strahl zweier Scheinwerfer auf ihre Gesichter und beobachtete „die Qualen bis zum letzten Aufbäumen“. Vorher hatte der Arzt, dabei seine medizinischen Fähigkeiten einsetzend, sie immer weiter malträtiert, wahrscheinlich, um die Schmerzen so lange wie möglich erträglich zu machen. Danach zerstückelte er „den in sich verkrümmten Körper“ und warf die Teile in die Grube mit dem Löschkalk.

      Massu wollte sich nicht zu voreiligen Schlüssen hinreißen lassen. Bekannt für seine Vorsicht, zog er eine behutsame Vorgehensweise vor und baute den Fall Stück für Stück auf, um Fehler zu vermeiden, die durch ein schnelles und oberflächliches Handeln entstehen konnten. Er war skeptisch, speziell wenn die Beweise zu klar oder offensichtlich erschienen.

      „Ich habe schon oft erklärt“, meinte Massu gegenüber Canitrot, dem Sekretär der Mordkommission, „dass man sich hüten sollte, aus den offensichtlichen Beweisen voreilige Rückschlüsse zu ziehen.“ Wenn Polizisten ihre Theorie zu schnell auf „solchen Beweisen“ aufbauten, verfingen sie sich meist in einem undurchdringlichen Dickicht, mit möglicherweise „katastrophalen“ Folgen. Das fundamentale Problem, das sich jeder Ermittler vor Augen halten müsse, bestünde in der Interpretation der Beweise. Einerseits war Massu erleichtert, von der Gestapo unmissverständliche Instruktionen zu erhalten, dabei hoffend, dass sie der Ermittlung nicht in die Quere kamen oder sie behinderten. Doch andererseits sorgte er sich auch. Es kam selten vor, dass die Gestapo sich augenblicklich für einen französischen Kriminalfall interessierte. Wenn die Geheimpolizei sogar eine unverzügliche Verhaftung befahl, geschah das meist, um einen Täter dingfest zu machen, dessen Verbrechen schwerer wogen als eine oppositionelle Haltung gegenüber dem Regime. Bedeutete das womöglich, dass der Besitzer des Hauses in der Rue Le Sueur Nummer 21 die Résistance

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