Der Serienmörder von Paris. David King

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Der Serienmörder von Paris - David  King

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aufhielten.

      Die Beamten gingen zwei Treppen nach oben und klopften an die Tür. Schnell erkannten sie, dass die Wohnung unverschlossen war. Wie sie später erfuhren, verschloss Dr. Petiot niemals eine Eingangstür, denn seiner Meinung nach konnte sich ein geschickter Einbrecher überall Zugang verschaffen, was mit erheblichen Reparaturkosten einherging, die sich der Arzt ersparen wollte. Dennoch betrat die Polizei die Wohnung nicht.

      Sie verfügten zwar über einen Haftbefehl für das Pärchen und eine Durchsuchungserlaubnis für die Rue Le Sueur, hatten allerdings kein Dokument, das ihnen den legalen Eintritt in das Appartement genehmigte. Die Deutschen mochten zwar das französische Recht missachten und mit Füßen treten, doch Battut zeigte sich fest entschlossen, exakt dem vorgegebenen Prozedere zu folgen. Auf dem Rückweg zur Zentrale, wo sie sich die notwendigen Papiere ausstellen lassen wollten, trafen sie Petiots Concierge.

      „Gestern Abend“, erklärte die 39-jährige Raymonde Denis, „sah ich Dr. Petiot zum letzten Mal um 19 Uhr. Er verließ das Appartement und fuhr mit dem Fahrrad fort.“ Um ungefähr 20 Uhr klingelte Georgette an der Wohnungstür der Concierge, um Plätzchen für ihre Tochter abzugeben. Da sie sich schon zur Ruhe gelegt hatte, konnte sie zum weiteren Verlauf des Abends keine Angaben machen. Sie wusste aber, dass Marcel und Georgette nach Angaben der Tochter um 21.30 Uhr zurückkehrten.

      Als die Ermittler am folgenden Morgen erneut in der Rue Caumartin eintrafen, hielt sich niemand in der Wohnung auf. Im Gegensatz zum Chaos in der Rue Le Sueur waren die Zimmer hier ordentlich, sauber und aufgeräumt. Auffälligerweise ließen sich weder Dokumente noch persönliche Habseligkeiten und andere Wertgegenstände finden. Die Beamten entdeckten jedoch größere Mengen an Kaffee, Zucker, Schokolade und hochprozentigen Alkoholika – alles Mangelware in Paris während des Kriegs. Massu bemerkte dazu ironisch, dass solche Mengen nur in der Vorkriegszeit im Lagerraum eines noblen Cafés zu finden gewesen wären. In der Wohnung stießen die Beamten zudem auf verschreibungspflichtige Medikamente und Narkotika, darunter sogar Peyote, eine halluzinogene Droge, beliebt in Pariser Nachtclubs, und sage und schreibe 504 Ampullen Morphium, die beim Verkauf auf dem Schwarzmarkt ein Vermögen eingebracht hätten.

      Sogar für einen Arzt, der Berichten nach Drogenabhängige in seiner Praxis behandelte, war das eine überaus große Menge an Violen. War Petiot vielleicht selbst süchtig? Handelte er womöglich insgeheim mit Drogen? Ersten Gerüchten zufolge belieferte er Patienten aus allen Bevölkerungsschichten, nicht zu vergessen die Tatsache, dass die Praxis in einem berüchtigten Stadtviertel lag, bekannt für den hohen Drogenkonsum. Die Ermittler wussten, dass Ärzte im besetzten Paris zu den am schnellsten verfügbaren Quellen illegaler Drogen zählten.

      Den Beamten fielen zudem eine Sammlung bizarrer Kunstgegenstände und Masken auf, die sie als „diabolisch und teuflisch grinsend“ beschrieben. Auf einem Sockel im Behandlungszimmer des Arztes, in einer Ecke zwischen dem Schrank und der Wand, stand eine hölzerne Statue. Das Tier, der Teufel oder eventuell auch eine Pan-ähnliche Figur, hatte einen grotesk großen Phallus. Wie die Polizei später herausfand, war sie von Dr. Petiot selbst geschnitzt worden.

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      DIE HERRSCHAFT DER TIERE HAT BEGONNEN.

      (Albert Camus, Tagebuch, 7. September 1939)

      Marcel Petiot hatte tatsächlich Drogen verkauft. Im März 1944 nahmen nicht weniger als 95 registrierte Drogenabhängige an seinem „Entgiftungsprogramm“ in der Rue Caumartin teil, angeblich, um durch eine graduell abnehmende Dosierung des toxischen Stoffs Heilung zu erfahren. Petiot hatte sich aufgrund der Behandlungsmethoden einen guten Ruf erworben und galt als sympathischer, mitfühlender Arzt, der auf seine Patienten einging. Das Wartezimmer war ständig überfüllt. Georgette, für die Buchhaltung der Praxis zuständig, hatte niemals zuvor so viel arbeiten müssen.

      Wie Massu nun erfuhr, hatte die Brigade Mondaine, eine Spezialeinheit der Kriminalpolizei, die sich neben anderen Delikten mit Prostitution, Beschaffungskriminalität, Pornographie und Drogenmissbrauch auseinandersetzte, eine stattliche Akte über den Arzt angelegt. Zu Beginn des Jahres 1942 hatte man bei einem weiteren Versuch, gegen den blühenden Drogenhandel in dem Pariser Viertel vorzugehen, mehrere vermeintliche Drogensüchtige verhaftet. Unter den in Gewahrsam genommenen Personen war auch ein Patient Petiots. Das an die Verhaftung anschließende Verhör warf einige Fragen zum Verhalten des behandelnden Arztes auf und stellte im Licht der späteren Ermittlung ein bedeutendes Schlüsselelement in der Beweiskette dar.

      Der Patient war der 41-jährige Kohlelieferant Jean-Marc Van Bever. Erst wenige Monate zuvor hatte er seine erste geregelte Arbeit gefunden, denn der steigende Bedarf an Kohlen zum Heizen von Büros und Appartements stellte eine sichere Einnahmequelle dar. Davor hatte der Mann sein großes Erbe in einige Druckereien investiert, die alle den Bankrott erklären mussten. Van Bever verbrachte einen Großteil der dreißiger Jahre in bitterer Armut und hielt sich nur mit Hilfe der Wohlfahrt und verschiedener Wohltätigkeitsverbände über Wasser. Für einen Mann, der einstmals solch einen Wohlstand genossen hatte, stellte das eine unerwartete Entwicklung dar.

      Nach seinem Abschluss am prestigeträchtigen Lycée Louis-le-Grand hatte Van Bever an der Universität verschiedene Fächer studiert, darunter zwei Semester Jura. Er sprach Englisch und einige Brocken Spanisch und Italienisch. Sein Vater, Adolphe Van Bever, war der Mitherausgeber einer Anthologie französischer Dichter, die viel Beachtung fand, und sein Großonkel der bekannte Maler La Quintinie.

      Bei der Festnahme protestierte Van Bever und behauptete, selbst kein Süchtiger zu sein. Er habe sich wegen der Beziehung zu der Prostituierten Jeannette Gaul lediglich in dem Milieu herumgetrieben. Die 34-jährige Gaul wiederum litt unter einer schweren Morphiumsucht. Darüber hinaus war sie abhängig von Heroin, also von einem der stärksten Derivate des Morphins. Heroin gehörte in Paris zu den beliebtesten Drogen, nachdem die ursprüngliche Nutzung zur Unterdrückung des Hustens und zur Behandlung verschiedener Krankheiten der Lungenwege, die von der Bronchitis bis zur Lungenentzündung reichten, fast schon in Vergessenheit geraten war. Sowohl Morphium als auch Heroin zirkulierten in der zwielichtigen Halbwelt, besonders unter Prostituierten, die damit der brutalen Realität des Gewerbes entfliehen wollten.

      Nachdem sie als Zimmermädchen bei einer Familie in Fontainebleau und später in verschiedenen Bordellen unter anderem in Nantes, Clamecy und Auxerre gearbeitet hatte, zog sie kurz nach der Besetzung nach Paris. Ihr letzter Zuhälter, Henri „der Knastbruder“ Baldenweek, ließ sie im Stich, woraufhin sie auf dem Straßenstrich anschaffen musste, eine der dominierenden Arten der Prostitution während der deutschen Besatzung und gleichzeitig die gefährlichste, da die Frauen praktisch schutzlos ihrem Geschäft nachgehen mussten. Im November 1941 begegnete Gaul Van Bever unweit der Kirche La Madeleine. Nach drei Wochen, in denen sie sich regelmäßig trafen, fragte er, ob sie zu ihm ziehen wolle, und zwar in ein angemietetes kleines Zimmer in der Rue Piat 56 im 20. Arrondissement. Sie versprach daraufhin, ihre Arbeit aufzugeben. Das war zwei Tage vor dem Weihnachtsfest 1941.

      Gaul konnte sich trotz der Beziehung allerdings nicht von der Sucht losreißen. Um an Betäubungsmittel zu gelangen, trickste sie das Gesundheitssystem aus, das sich angesichts der Kriegswirren in einem chaotischen Zustand befand, und beschaffte sich von verschiedenen Ärzten Heroin-Rezepte. Petiot war einer von ihnen. In den ersten eineinhalb Monaten des Jahres 1942 stellte Petiot allein fünf Rezepte für sie und zwei für Van Bever aus.

      Am 19. Februar nahmen die Inspektoren Dupont und Gautier von der Brigade Mondaine Gaul in dem Zimmer fest, das sie mit ihrem Partner teilte. Auch Van Bever wurde inhaftiert und nach einer fast vierwöchigen Haftstrafe auf Kaution entlassen. Nach der Entdeckung Petiots als verschreibendem Arzt übermittelte die Brigade Mondaine die Information an Achille Olmi, einen Untersuchungsrichter, der entscheiden musste, ob der Fall von staatlicher Seite her weiter verfolgt werden sollte. Olmi ließ Petiot zu sich

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