Briefe über den Yoga. Sri Aurobindo

Чтение книги онлайн.

Читать онлайн книгу Briefe über den Yoga - Sri Aurobindo страница 60

Автор:
Жанр:
Серия:
Издательство:
Briefe über den Yoga - Sri Aurobindo

Скачать книгу

werden kann. Selbst dann ist eine „Kontrolle über die gesamte stoffliche Welt“ ein zu großes unterfangen; eher ist eine örtliche oder teilweise Kontrolle oder sind in weiterem Sinne bestimmte Arten der Kontrolle über die Materie möglich.

      *

      Der Wissenschaft zufolge ist die gesamte Welt nichts anderes als ein Spiel von Energie; sie wird allgemein als stoffliche Energie bezeichnet, doch bezweifelt man neuerdings, ob Materie, wissenschaftlich gesprochen, überhaupt existiert, es sei denn als Erscheinungsform von Energie. Dem Vedanta zufolge ist die gesamte Welt das Macht-Spiel einer spirituellen Wesenheit der Macht eines ursprünglichen Bewusstseins, sei es Maya oder Shakti, und das Ergebnis ist illusionär oder wirklich. In der Welt, soweit sie den Menschen betrifft, gewahren wir nur die Mental-Energie, die Lebens-Energie, die Energie in der Materie; doch es wird vermutet, dass es dahinter auch eine spirituelle Energie oder Kraft gibt, aus der jene hervorgehen. Alle Dinge sind in jedem Fall das Ergebnis einer Shakti, einer Energie oder Kraft. Es gibt kein Wirken ohne Kraft oder Energie, die dieses wirken verursacht und seine Folgen herbeiführt. Zudem ist alles, was keine Kraft hinter sich hat, entweder etwas Totes, Unwirkliches oder Untätiges und ohne Folgen. Wenn es nichts Derartiges wie spirituelles Bewusstsein gibt, kann der Yoga keine Wirklichkeit besitzen, und wenn es keine Yoga-Kraft, keine spirituelle Kraft, keine Yoga-Shakti gibt, kann es auch keine Wirksamkeit im Yoga geben. Ein Yoga-Bewusstsein oder ein spirituelles Bewusstsein, das keine Macht oder Kraft in sich hat, mag nicht gerade tot oder unwirklich sein, doch ist es offensichtlich etwas Lebloses ohne Wirkung oder Folgen. In gleicher Weise erhebt ein Mensch, der vorgibt, ein Yogi oder Guru zu sein, aber kein spirituelles Bewusstsein oder keine Macht in seinem spirituellen Bewusstsein besitzt – keine Yoga-Kraft oder spirituelle Kraft –, einen unrechtmäßigen Anspruch und ist entweder ein Scharlatan oder ein sich selbst betrügender Tor; und er ist es umso mehr, wenn er für sich in Anspruch nimmt, einen Pfad gebahnt zu haben, dem andere folgen können. Wenn Yoga Realität besitzen will und Spiritualität etwas anderes als Täuschung ist, dann muss es so etwas wie Yoga-Kraft oder spirituelle Kraft geben.

      Insofern aber spirituelle Kraft existiert, muss sie offensichtlich dazu in der Lage sein, spirituelle Ergebnisse zu zeitigen, daher ist nichts Vernunftwidriges in dem Anspruch jener Sadhaks, die sagen, sie fühlten die Kraft des Gurus oder die Kraft des Göttlichen in sich wirken und sie zu spiritueller Erfüllung und Erfahrung führen. Ob es in einem besonderen Fall so ist oder nicht, ist eine persönliche Frage, doch die Äußerung kann nicht als in sich unglaubwürdig oder offensichtlich falsch bezeichnet werden, einfach mit der Begründung, dass es solche Dinge nicht geben kann. Und wenn es weiterhin wahr ist, dass spirituelle Kraft die ursprüngliche ist und die anderen Kräfte sich davon ableiten, dann liegt wiederum nichts Vernunftwidriges in der Annahme, dass spirituelle Kraft mentale Ergebnisse, vitale Ergebnisse, physische Ergebnisse hervorbringen kann. Sie kann durch mentale, vitale oder physische Energien wirken und durch die Mittel, die diese Energien benutzen, oder sie kann direkt auf Mental, Leben oder die Materie als dem Bereich ihrer eigenen speziellen und unmittelbaren Tätigkeit einwirken. Jeder Weg ist prima facie möglich. Nimm als Beispiel die Heilung einer Krankheit. Jemand ist seit zwei Tagen krank, schwach, er leidet an Schmerzen und Fieber, nimmt keine Arznei, doch erbittet schließlich die Hilfe seines Gurus; am nächsten Morgen steht er auf, gesund, stark und voller Energie. Er hat zumindest einigen Grund zu glauben, dass eine Kraft angewandt wurde und auf ihn einwirkte und dass es eine spirituelle Kraft war. In einem anderen Fall aber mögen Arzneien eingenommen werden, während zur Unterstützung der stofflichen Mittel gleichzeitig die unsichtbare Kraft zu Hilfe gerufen wird; denn es ist eine wohlbekannte Tatsache, dass Arzneien helfen können oder nicht und es darüber keine Gewissheit gibt. In diesem Fall bleibt es für einen Dritten (für einen, der weder die Kraft gebraucht noch der Arzt oder der Patient ist) ungewiss, ob der Patient durch die Arznei oder die spirituelle Kraft mit der Medizin als Instrument geheilt wurde. Beides ist möglich, und man kann nicht sagen, weil Arzneien verwendet werden, sei das Wirken einer spirituellen Kraft per se unglaubwürdig und offensichtlich unwahr. Es ist ebenfalls möglich, dass der Arzt eine Kraft in sich wirken fühlte, die ihn führte, oder erkennt, dass der Zustand seines Patienten sich mit einer Geschwindigkeit bessert, die medizinischer Erfahrung zufolge unglaubhaft ist. Auch der Patient mag die Kraft in sich wirken fühlen, die ihm Gesundheit, Energie und schnelle Heilung bringt. Derjenige, der die Kraft anwendet, kann die Ergebnisse beobachten und sehen, wie die Symptome, auf die er einwirkt, sich verringern und jene, auf die er nicht einwirkt, sich vergrößern, bis er auf sie einwirkt, worauf sie sofort verschwinden; oder er beobachtet, wie der Arzt seinen unausgesprochenen Vorschlägen gemäß arbeitet usw. usw., bis die Heilung schließlich erfolgt. (Andererseits mag er erkennen, dass Kräfte gegen die Heilung wirken, und daraus schließen, dass die spirituelle Kraft sich mit einem Rückzug oder unvollkommenen Erfolg zufrieden geben muss.) In jedem Fall können sowohl der Arzt als auch der Patient oder derjenige, der die Kraft anwendet, glauben, die Heilung sei zumindest teilweise oder überhaupt aufgrund der spirituellen Kraft erfolgt. Diese Erfahrung ist natürlich nur für die Beteiligten gültig, nicht für einen äußeren, rationalisierenden Beobachter. Doch letzterer hat logischerweise kein Recht zu behaupten, dass ihre Erfahrungen unglaubwürdig oder falsch seien.

      Noch etwas. Daraus folgt nicht, dass spirituelle Kraft in jedem Fall erfolgreich sein muss oder aber, wenn sie erfolglos war, nicht existierte. Von keiner Kraft kann dies behauptet werden. Die Kraft des Feuers besteht darin zu brennen, doch gibt es Dinge, die nicht brennen; unter bestimmten Umständen verbrennen nicht einmal die Füße der Menschen, die barfuß über rotglühende Kohlen gehen. Das beweist nicht, dass Feuer nicht brennen kann oder dass es nichts Derartiges wie die Kraft des Feuers, Agni-Shakti, gibt.

      Ich habe keine Zeit, mehr darüber zu schreiben. Es ist auch nicht notwendig. Mein Ziel war nicht nachzuweisen, dass man an spirituelle Kraft glauben muss, sondern dass der Glaube daran nicht notwendigerweise eine Täuschung ist und dass dieser Glaube sowohl rational als auch möglich sein kann.

      *

      Die unsichtbare Kraft, die sichtbare Ergebnisse zeitigt, innerliche und äußerliche, ist der ganze Sinn yogischen Bewusstseins. Deine Feststellung, der Yoga bringe nur das Gefühl von Macht, ohne dass irgendein Ergebnis damit verbunden wäre, war wirklich sehr eigenartig. Wer wäre mit einer derartigen Halluzination zufrieden und würde sie Macht nennen? Hätten wir nicht tausendfache Erfahrungen gehabt, die zeigen, dass diese innere Macht fähig ist, das Mental zu verändern, dessen Fähigkeiten zu entwickeln, neue hinzuzufügen, neue Bereiche des Wissens zu öffnen, vitale Regungen zu meistern, den Charakter zu verändern, Menschen und Dinge zu beeinflussen, die Beschaffenheit und das Funktionieren des Körpers zu kontrollieren, als dynamische Kraft auf andere Kräfte einzuwirken und Ereignisse zu verändern usw. usw., würden wir nicht darüber sprechen, so wie wir es tun. Außerdem ist die Kraft nicht nur in ihren Ergebnissen fühlbar und konkret, sondern auch in ihren Bewegungen. Wenn ich davon spreche, die Kraft oder Macht zu fühlen, meine ich nicht, dass ich einfach eine undeutliche Empfindung von ihr habe, sondern dass ich sie konkret fühle und folglich in der Lage bin, sie zu lenken, zu handhaben, ihre Bewegung zu beobachten, dass ich mir ihres Ausmaßes und ihrer Intensität bewusst bin und gleichfalls derjenigen von anderen, vielleicht entgegengesetzten Kräften; all diese Dinge sind möglich und üblich durch die Entwicklung des Yoga.

      Eine Macht kann nicht ohne Bedingungen und Einschränkungen wirken, es sei denn die supramentale Macht. Die Bedingungen und Einschränkungen, unter denen der Yoga oder die Sadhana erarbeitet werden müssen, sind nicht willkürlich oder unberechenbar; sie ergeben sich aus der Natur der Dinge. Diese und der Wille, die Empfangsbereitschaft, die Zustimmung, das Sich-Öffnen und die Hingabe des Sadhaks müssen von der Yoga-Kraft berücksichtigt werden – es sei denn, diese erhält die Sanktion des Höchsten, sich über alles hinwegzusetzen, um ein Geschehnis herbeizuführen; doch diese Sanktion wird selten erteilt. Allein wenn die supramentale Macht voll herabkäme und nicht nur ihre Einwirkungen durch das Obermental senden würde, können die Dinge ganz radikal jenem Ziel zugewandt werden; und auch die Sanktion würde dann erteilt. Denn das Gesetz der Wahrheit wäre am Werk und würde nicht ständig durch das Gesetz der Unwissenheit ausgeglichen.

      Und dennoch,

Скачать книгу