Briefe über den Yoga. Sri Aurobindo

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Briefe über den Yoga - Sri Aurobindo

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ist inzwischen deutlich gekennzeichnet und abgegrenzt worden, und Fragen über Gott oder die höchste Wirklichkeit oder andere metaphysische oder spirituelle Probleme fallen nicht in ihren Bereich. Dies jedenfalls trifft für das kontinentale Europa zu, und nur in England und Amerika versucht man noch, diese Dinge auf naturwissenschaftlicher Grundlage zu erörtern.

      Die sogenannten Wissenschaften, die sich mit dem Mental und dem Menschen (Psychologie usw.) befassen, sind so sehr von der Naturwissenschaft abhängig, dass sie deren enge Grenzen nicht überschreiten können. Wenn die Wissenschaft ihr Gesicht dem Göttlichen zuwenden soll, muss es eine neue, bisher noch nicht entwickelte Wissenschaft sein, die sich direkt mit den Kräften der vitalen Welt und des Mentals befasst und auf diese Weise das Mental überschreitet; doch die gegenwärtige Wissenschaft ist hierzu nicht in der Lage.

      2. Vom spirituellen Standpunkt aus sind derartige zeitbedingte Phänomene, wie die Hinwendung gebildeter Hindus zum Materialismus, von geringer Bedeutung. Es gab immer Zeiten, in denen der Geist von Nationen, von Kontinenten oder Kulturen sich dem Materialismus zuwandte und sich von jedem spirituellen Glauben abkehrte. Solche Perioden gab es im Europa des 19. Jahrhunderts, doch waren diese meist von kurzer Dauer. West-Europa hat bereits seinen Glauben an den Materialismus verloren und sucht nach etwas anderem, entweder durch die Rückkehr zu alten Religionen oder durch die Suche nach etwas Neuem. Russland und Asien durchlaufen nun den gleichen materialistischen Trend. Diese Wellen deuten auf ein gewisses Erfordernis in der menschlichen Entwicklung hin, nämlich die Fesseln alter Formen zu zerbrechen und ein Feld für neue Wahrheit, für neue Formen der Wahrheit zu öffnen sowie für das Wirken im Leben und das, was hinter dem Leben steht.

      *

      Ich vermute, X gründet seine Ideen auf dem Versuch von Jeans, Eddington und anderen englischen Wissenschaftlern, metaphysische Ergebnisse in wissenschaftliche Daten zu pressen. Es ist notwendig, dass er die Einwände von ernsthafteren Wissenschaftlern gegen eine derartige Vermischung voll zur Kenntnis nimmt. Zudem verfügt die spirituelle Suche über ihre eigene reiche Erfahrung, die nicht im geringsten von den Theorien oder Entdeckungen der Wissenschaft in der rein stofflichen Sphäre abhängig ist. Xs Vorstoß ist, ebenso wie der von Jeans und anderen, eine Reaktion auf den unrechtmäßigen Versuch einiger Wissenschaftler des 19. Jahrhunderts – und auch von vielen anderen –, den Fortschritt wissenschaftlicher Entdeckungen zu benutzen, um den religiösen Geist weitgehend zu diskreditieren oder auszulöschen und gleichzeitig die Metaphysik als trüben Wortschwall abzutun und dabei die Wissenschaft als den einzigen Hinweis auf die Wahrheit des Universums hinzustellen. Ich glaube aber, dass es diese Einstellung nicht mehr gibt; die Wissenschaftler erkennen inzwischen, wie du sagst, die Grenzen ihres Gebietes. Ich möchte noch hinzufügen, dass dieser Gegensatz zwischen Religion und Wissenschaft sich niemals in Indien zeigte (bis zu den Tagen europäischer Erziehung), da Religion sich nicht in die wissenschaftliche Entdeckung mischte und die Wissenschaftler religiöse oder spirituelle Wahrheit nicht in Frage stellten; beide Dinge waren getrennt und widersprachen einander nicht.

      *

      X irrt, wenn er in seinen Schriften unter allen Umständen auf der Vorstellung beharrt, die Wissenschaft sei noch materialistisch oder zumindest die Wissenschaftler – Jeans und Eddington ausgenommen – seien noch ausgemachte Materialisten. Das ist nicht der Fall. Die meisten europäischen Wissenschaftler haben nunmehr die Idee aufgegeben, dass Wissenschaft das Grundlegende des Daseins erklären könne. Sie sind zu der Ansicht gelangt, Wissenschaft als solche befasse sich allein mit dem Vorgang, nicht mit dem Grundlegenden, und erklären, es sei weder die Aufgabe der Wissenschaft, noch läge es innerhalb ihrer Mittel, jene großen Fragen zu beantworten, die die Philosophie und Religion beschäftigen. Dies ist die ungeheure Wende, die auf die jüngste Entwicklung der Wissenschaft zurückgeführt werden kann. Die Wissenschaft ist heutigentags weder materialistisch noch idealistisch. Das Grundgestein, auf dem der Materialismus aufgebaut wurde und das im 19. Jahrhundert unerschütterlich zu sein schien, ist nun zerbrochen. Der Materialismus ist zu einer philosophischen Spekulation geworden, genau wie jede andere Theorie; er kann nicht beanspruchen, unfehlbare biblische Autorität zu besitzen, die sich aus den Tatsachen und Folgerungen der Wissenschaft herleitet. Ich selbst, der im 19. Jahrhundert, der Zeit des absoluten Höhepunkts des wissenschaftlichen Materialismus, aufwuchs, empfinde diese Wende deutlich. Der Weg, der beinahe völlig blockiert war, es sei denn, man hätte gegen ihn revoltiert, ist nun für spirituelle Wahrheiten, spirituelle Ideen, spirituelle Erfahrungen weit offen. Das ist die wahre Revolution. Mentalismus ist nur eine Zwischenstufe, doch Mentalismus und Vitalismus sind nun durchaus als Hypothesen möglich, die sich auf den Tatsachen des Daseins gründen, auf wissenschaftlichen Tatsachen und anderen. Die Fakten der Wissenschaft zwingen niemanden, sich einer bestimmten philosophischen Richtung zuzuwenden. Sie sind neutral geworden und können sogar manchmal verwendet werden, obwohl dies den meisten Wissenschaftlern als nicht zulässig erscheint. Es ist von unserer Seite niemals behauptet worden, die neuen Entdeckungen der Physik würden die Ideen von Religion oder Kirche stützen; wir haben lediglich behauptet, die Wissenschaft habe ihren alten materialistischen Dogmatismus aufgegeben und sich durch eine revolutionäre Wende von ihrem alten Ankerplatz entfernt. Diese Wende habe ich erwartet und prophezeite sie im ersten „Ahana“-Band „A Vision of Science“ (Vision der Wissenschaft) und „In the Moonlight“ (lm Mondlicht).

      *

      Ich fürchte, jegliches Interesse an solchen Spekulationen verloren zu haben; die Dinge werden für mich zu ernst, als dass ich für derartig flache Intellektualitäten Zeit verschwenden könnte. Es berührt mich nicht im geringsten, wenn du deine Ansicht durchsetzt und dem Dogmatismus einer materialistischen Wissenschaft wieder ihren Platz einräumst – jenem Dogmatismus, der vor einem halben Jahrhundert regierte und der jede Idee, die seine eigenen, engen Grenzen überschritt, als bloße weitläufige Metaphysik, als Mystizismus und Mondschein abtun konnte. Ganz offensichtlich gibt es, wenn stoffliche Energien allein in einer stofflichen Welt existieren können, keine Möglichkeit eines göttlichen Lebens auf Erden. Ein rein metaphysischer „Trick des Mentals“ – wenn man es so bezeichnen kann – würde den Einwänden wissenschaftlicher Verneinung und dem konkreten gesunden Menschenverstand nicht standhalten. Ich war der Meinung viele Wissenschaftler des Kontinents seien dazu übergegangen zuzugeben, dass sie über die wirkliche Wirklichkeit der Dinge nicht länger zu entscheiden vermögen, da sie hierzu die Mittel nicht besäßen, vielmehr lediglich das Wie und den Vorgang der Wirkungsweisen stofflicher Kraft an der physischen Oberfläche entdecken und beschreiben können. Das hätte das Feld für höheres Denken und die Spekulation, für spirituelle Erfahrung und selbst für Mystizismus, Okkultismus und all jene größeren Dinge offen gelassen, die als unmöglichen Unsinn anzusehen inzwischen beinahe jeder sich verpflichtet fühlt. So sahen die Dinge aus, als ich in England war. Wenn das wiederkehren würde oder Russland und sein dialektischer Materialismus die Welt regieren sollten – nun, dann muss man dem Schicksal gehorchen, und das göttliche Leben hat sich damit abzufinden, möglicherweise noch ein weiteres Jahrtausend zu warten. Doch mir gefällt der Gedanke nicht, dass eine unserer Zeitschriften die Arena für dieses Gefecht abgeben soll. Das ist alles. Ich schreibe unter dem Eindruck deiner früheren Artikel zu diesem Thema, da ich die späteren noch nicht sorgfältig durchgesehen habe; möglicherweise sind – wie ich durchaus zugebe – dies letzteren derart überzeugend, dass ich nach ihrem Studium zur Einsicht gelange, meine Einstellung sei falsch und dass nur ein verbohrter Mystiker noch an eine Eroberung der Materie durch den Spirit glauben könne, so wie ich mir diese vorzustellen gewagt hatte. Doch leider bin gerade ich so ein verbohrter Mystiker, und wenn ich nun erlauben würde, dass deine Darlegung der Sache in einer unserer Zeitschriften veröffentlicht würde, müsste ich das Thema, an dem ich das Interesse verloren habe, wieder aufnehmen und zur Feder greifen, um meinen Standpunkt von neuem darzulegen; ich würde den Anspruch der materialistischen Wissenschaft zu bekämpfen haben, irgend etwas zu diesem Thema aussagen zu können, wofür sie weder die Instrumente der Forschung noch irgendwelche Möglichkeit einer endgültigen Entscheidung besitzt. Vermutlich müsste ich das „Life Divine“ neu schreiben als Erwiderung auf die siegreiche „Negation des Materialisten“. Das ist die einzige Erklärung, die ich dir für mein langes und enttäuschendes Schweigen, geben kann, abgesehen davon, dass mir

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