Briefe über den Yoga. Sri Aurobindo

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Briefe über den Yoga - Sri Aurobindo

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style="font-size:15px;">      Ich kenne die russische Erklärung, wonach der jüngste Trend zu Spiritualität und Mystizismus als Phänomen einer kapitalistischen Gesellschaft in ihrer Dekadenz zu werten sei. Es ist jedoch eine Eigenart der bolschewistischen Bibel und der Sophisterei eines Karl Marx, in alle Phänomene der Menschheitsgeschichte bewusst oder unbewusst eine wirtschaftliche Ursache hineinzulesen. Die Natur des Menschen ist nicht so einfach und eingleisig, sie weist viele Linien auf, und jede Linie erzeugt ein Erfordernis seines Lebens. Die spirituelle oder mystische Linie ist eine von ihnen, und der Mensch versucht, sie auf verschiedene Weise zu befriedigen, durch Aberglauben aller Art, durch unwissenden Religionismus, durch Spiritismus, Dämonismus und was es sonst noch alles gibt; in seinen besser erleuchteten Teilen durch spirituelle Philosophie, höheren Okkultismus und das Übrige, und in seinen höchsten Wesensteilen durch Einung mit dem All, dem Ewigen oder Göttlichen. Die Suche nach Spiritualität begann in Europa mit einer Abkehr vom wissenschaftlichen Materialismus des 19. Jahrhunderts, einem Unbefriedigtsein mit der vermeintlichen Hinlänglichkeit der Vernunft und des Intellektes und mit einem tastenden Suchen nach etwas Tieferem. Dieses Vorkriegsphänomen zeigte sich, als es die Drohung des Kommunismus noch nicht gab und die kapitalistische Welt auf dem Höhepunkt ihres anmaßenden Erfolges und Triumphes war; es war ein Aufbegehren gegen das materialistisch-bürgerliche Leben mit seinen Idealen und nicht ein Versuch, ihm zu dienen oder es zu rechtfertigen. Diesem Phänomen wurde durch die Nachkriegsdesillusionierung gedient und zugleich geschadet; geschadet, da die Nachkriegszeit entweder zu Zynismus oder einem Leben der Sinne zurückkehrte oder sich Bewegungen wie Faschismus und Kommunismus zuwandte; gedient, da in den tieferen Gemütern das Unbehagen über die Ideale der Vergangenheit oder der Gegenwart wuchs sowie über alle mentalen, vitalen oder materiellen Lösungen der Lebensprobleme und auf diese Weise allein der spirituelle Pfad übrig blieb. Es ist wahr, der europäische Geist, unerfahren in diesen Dingen, spielt mit Irrlichtern, wie Spiritismus oder Theosophie, oder fällt wieder in den alten Religionismus zurück; doch das tiefere Denken, das ich meine, lässt diese Dinge hinter sich, oder es benutzt sie bei seiner Suche nach einem größeren Licht. Ich hatte mit vielen Menschen Kontakt, bei denen sich die obigen Tendenzen deutlich abzeichneten. Sie kamen aus allen möglichen Ländern, doch nur eine Minderheit aus England und Amerika. Russland hingegen ist anders; ungleich den anderen ist es in einem mittelalterlichen Religionismus steckengeblieben und durch keine Zeitspanne des Aufbegehrens gegangen – und als dann die Revolution kam, war sie natürlich antireligiös und atheistisch. Erst wenn diese Phase sich erschöpft hat, kann der russische Mystizismus befruchtet werden und nicht eine enge religiöse, sondern die spirituelle Richtung einschlagen. Es ist wahr, der Mystizismus a revers, von oben nach unten gekehrt. hat aus dem Bolschewismus und seinem Bestreben eher ein Glaubensbekenntnis als ein Politikum gemacht, eine Suche nach dem paradiesischen, geheimen Jahrtausend auf Erden, statt eine rein soziale Struktur aufzubauen. Doch im großen und ganzen versucht Russland auf der kommunistischen Grundlage das zu erreichen, was der Idealismus des 19. Jahrhunderts zu erlangen hoffte und worin er inmitten einer – oder gegenüber einer – industriell konkurrierenden Umwelt versagte. Ob der Bolschewismus größeren Erfolg haben wird, wird die Zukunft zeigen. Denn gegenwärtig bewahrt er lediglich, was mit Hilfe von Spannung und gewalttätiger Kontrolle erlangt wurde, und diese Phase ist noch nicht vorüber.

      *

      Was Jeans anbelangt, so würden viele sagen, dass seine Folgerungen ganz und gar nicht zulässig seien. Einsteins Gesetz ist eine wissenschaftliche Verallgemeinerung; sie gründet sich auf bestimmte Beziehungen im Bereich der Physik, die – wenn überhaupt gültig – dann dort innerhalb der Grenzen dieses Bereiches gültig sind oder, wenn du so willst, auf dem allgemeinen Gebiet wissenschaftlicher Beobachtung und wissenschaftlichen Messens physischer Vorgänge und Bewegungen; doch wie willst du dies auf eine metaphysische Darlegung übertragen? Es wäre der Sprung über einen beträchtlichen Abgrund oder die gewaltsame Umwandlung einer Sache in eine andere, eines begrenzten physischen Ergebnisses in eine unbegrenzte, allumfassende Formel. Ich weiß nicht genau, worauf Einsteins Gesetz wirklich hinausläuft; doch es scheint nicht mehr zu bedeuten, als dass unsere wissenschaftlichen Messungen der Zeit und anderer Dinge unter den Bedingungen, unter denen sie stattfinden müssen, relativ sind, da sie der unvermeidlichen Begrenzung dieser Bedingungen ausgeliefert sind. Was man daraus metaphysisch folgern kann, hat der Metaphysiker zu entscheiden, nicht der Wissenschaftler. Die vedantische Auffassung bestand darin, dass sowohl das Mental als auch die Sinne eine begrenzte Macht sind, die sich ihre eigenen Darstellungen, Begriffsbildungen und Formungen errichtet und sie der Wirklichkeit auferlegt. Das ist eine viel größere und kompliziertere Angelegenheit, die bis in die eigentlichen Wurzeln unseres Daseins reicht. Ich glaube, dass es viele Auffassungen in der modernen Wissenschaft gibt, die diesen Standpunkt unterstützen, doch in der Wirklichkeit reichen sie nicht aus, ihn zu beweisen.

      Ich führe hier nur meine Einwände an. Ich selbst erkenne, dass gewisse grundlegende Wahrheiten allen Bereichen und der einen Wirklichkeit überall zugrunde liegen. Doch es besteht ebenfalls ein großer Unterschied in den Hilfsmitteln und Forschungsmethoden, die die Suchenden auf den verschiedenen Wegen (dem physischen, dem okkulten, dem spirituellen) verwenden, und zumindest für den Intellekt muss die Brücke zwischen ihnen noch geschlagen werden. Man kann zwar Ähnlichkeiten nachweisen, doch kann man durchaus behaupten, dass die Wissenschaft nicht dazu benutzt werden darf, Ergebnisse spiritueller Erkenntnis zu bestätigen oder zu stützen. Auch die andere Seite hat ihre Berechtigung, und am besten ist es, beide zu sehen – dies bedeutet daher nicht, dass deine These entkräftet werden soll.

      *

      Wie will Sir James Jeans oder irgendein anderer Wissenschaftler wissen, dass Leben durch einen „reinen Zufall“ entstanden sei oder dass es nirgendwo sonst im Universum Leben gäbe oder dass Leben woanders genau das gleiche sein müsse, die gleichen Voraussetzungen haben müsse wie unser Leben hier oder andernfalls nicht existieren könne? Dies sind rein mentale Spekulationen ohne irgendwelche innere Überzeugungskraft. Leben kann nur dann zufällig sein, wenn die gesamte Welt ebenfalls ein Zufall ist, etwas, das durch den Zufall entstand und vom Zufall beherrscht wird. Es

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