Schicksalspirouetten (Gesamtausgabe). August Schrader

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Schicksalspirouetten (Gesamtausgabe) - August Schrader

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sprach Franz zu dem Kutscher, »wollen Sie ein gutes Trinkgeld verdienen?«

      »Gern, Herr!«

      »Dann steigen Sie herab.«

      Der Kutscher sprang eilig von seinem Sitz.

      »Gut«, fuhr Franz fort. »Jetzt leihen Sie mir, oder vielmehr meinem Freund, der das Unglück gehabt hat, ins Wasser zu fallen, Ihren Mantel für zehn Minuten. Wollen Sie?«

      »Hier«, sprach der Kutscher und zog seinen Mantel aus.

      Franz hüllte den bebenden Dichter hinein, hob ihn mithilfe des Rosslenkers in den Wagen und setzte sich ihm dann zur Seite. Nachdem der junge Mann seine Wohnung näher bezeichnet hatte, schwang sich der Kutscher auf seinen Sitz und der Wagen rollte davon.

      Während der Fahrt erwachte Richard aus seiner Betäubung; er hob den Kopf und sah sich in dem dunklen Raum des völlig verschlossenen Wagens verwundert um. Als er den Mann an seiner Seite gewahrte, wollte er fragen, wo er sich befand, doch ein heftiger Fieberfrost rüttelte ihn dergestalt, dass er bebend in die Ecke des Wagens zurücksank, ohne ein Wort reden zu können. Mitleidig warf Franz den schweren Mantel über den Kranken, um ihn zu erwärmen, dann sank auch er, vom Frost überwältigt, in den Sitz zurück. Endlich hielt der Wagen an. Richards Lebensretter öffnete den Schlag und sprang auf das Steinpflaster: Er stand vor Herrn Hubertus’ Haus. Rasch zog er die Glocke. Nach einer Minute öffnete sich die Tür und Kaleb, der unter Angst und Besorgnis die Rückkehr seines jungen Herrn abgewartet hatte, erschien.

      »Sind Sie es, Herr Franz?«, fragte der alte Mann.

      »Ich selbst!«

      »Was bringen Sie für Nachricht?«, flüsterte Kaleb.

      »Gute Nachricht, mein alter Freund.«

      »Himmel«, rief der Kassierer plötzlich, denn er hatte Franz berührt, »Ihre Kleider sind nass!«

      »Ruhig Kaleb; ich komme auch nicht allein. Helfen sie mir den Herrn, der im Wagen sitzt, auf mein Zimmer zu bringen; er ist krank. Später sollen Sie alles erfahren. Mein Herr«, rief er leise, indem er an den Wagen zurücktrat, »steigen Sie aus, wir sind am Ziel!«

      »Wo sind wir?«, fragte Richard mit bebender Stimme im Inneren des Wagens.

      »An der Wohnung Ihres Lebensretters. Folgen Sie mir ohne Furcht.«

      Mithilfe des Kutschers stieg Richard aus. Kaleb und Franz nahmen ihn in Empfang und führten den Dichter, der sich wieder völlig erholt hatte, die Treppe hinauf, auf das bezeichnete Zimmer. Dort angelangt, nahm der Associé dem bebenden Richard den Mantel ab und gab ihn dem Kassierer. Der Greis sah den Fremden mit großen Augen an, der in seinen nassen, zerrissenen Kleidern einen seltsamen Anblick gewährte.

      »Hier ist Geld für den Kutscher«, sprach Franz dringend; »eilen Sie hinab und übergeben Sie es ihm zusammen mit dem Mantel.«

      Kopfschüttelnd entfernte sich der Alte. – Nach einigen Augenblicken hörte man das Geräusch des abfahrenden Wagens. Franz holte trockene Kleider aus einem Nebenzimmer und bat seinen Gast, sich derer zu bedienen. Mit dem Versprechen, gleich wieder zurückzukehren, verließ auch der Associé das Zimmer, um ins Kontor zu eilen.

      »Nun«, rief Kaleb, als er eintrat, »haben Sie den Bankier gesprochen?«

      »Ja«, antwortete Franz mit freudigen Mienen, »ich habe ihn gesprochen!«

      »Schon fürchtete ich, dass Sie zu spät kommen würden, aber Gott sei Dank, Ihr Gesicht verkündet gute Botschaft.«

      »Ja, Freund, ich bringe gute Botschaft«, rief der junge Mann, indem er dem Greis die Hand reichte, »und danke Ihnen für den Rat, noch heute Gewissheit zu erlangen, denn nun können wir ruhig schlafen.«

      »Dann war das Gerücht also unbegründet?«

      »Wie ich gleich vermutete, war es eine nichtswürdige Verleumdung! Der Bankier gab einen Ball; die Räume des weiten Hauses hallten von Musik und Gläserklang wider. Dies hielt mich aber nicht ab, einen bärtigen Portier, der mir den Eintritt verweigern wollte, beiseitezuschleudern und mich dem Herrn des Hauses vorzustellen.«

      Franz erzählte nun Wort für Wort seine Unterredung und schloss damit, dass er dem alten Kassierer um den Hals fiel.

      »Gott sei Dank«, rief dieser, »jetzt atme ich wieder frei auf! Doch um ganz sicherzugehen«, fügte er hinzu, »sollten wir das Angebot des Herrn W. in Anspruch nehmen und morgen in aller Frühe unser Geld abheben; wir müssen uns vor allen Eventualitäten schützen, denn Sie kennen den Charakter unserer Arbeiter; wenn sie nicht auf die Stunde genau ihren Lohn erhalten, verlassen Sie die Fabrik und verhängen Schmach und Schande über unsere Firma.«

      »Kaleb«, unterbrach Franz den redselig gewordenen Alten, »ist Herrn Hubertus und Anna von dem Gerücht etwas zu Ohren gekommen?«

      »Nein, nein, mein junger Freund, beide haben keine Ahnung davon. Als Sie um acht Uhr nicht bei Tisch erschienen, kam Herr Hubertus ins Kontor, wo ich mit Angst und Ungeduld Ihrer Rückkehr harrte. ›Wo ist Franz?‹, fragte er; ›warum kommt er nicht zu Tisch? – ›Herr‹, antwortete ich und hatte Mühe, meine Aufregung zu verbergen, ›ich soll ihn entschuldigen, es hat ihn ein Freund abgeholt, der morgen eine lange Reise antreten will; beide wollen heute noch einen fröhlichen Abschied feiern.‹«

      »Danke, Freund Kaleb«, antwortete Franz lächelnd und errötend zugleich, »da haben Sie mir einen schönen Dienst erwiesen! Anna, das fromme und sittsame Mädchen, wird von dieser Nachricht nicht übel erbaut gewesen sein, und ihr strenger Vater wird mich morgen mit einem schönen Empfang beehren.«

      »Du lieber Himmel«, rief der Greis, »konnte ich anders? Eine Lüge und ich sind selten zu einer Tür eingetreten; ich musste den ersten besten Vorwand gebrauchen, um nicht in Verlegenheit zu geraten. Doch nun sagen Sie mir, wer ist der Fremde, der mit Ihnen gekommen ist? Und wie ist es dazu gekommen, dass Ihre Kleider nass geworden sind?«

      »Ganz recht, Sie erinnern mich, dass ich für diese Nacht einen Gast habe. Der arme Mensch kämpfte mit dem brausenden Strom, als ich mit leichtem und frohem Herzen über die Brücke schritt; ich kam noch zur rechten Zeit, um ihn dem Tod zu entreißen. Nun schließen Sie das Kontor; ich werde mich umkleiden und zu ihm zurückkehren. Gute Nacht, lieber Freund, gute Nacht!«

      »Wackerer junger Mann«, murmelte Kaleb, indem er die Tür verschloss, »du verdienst in der Tat eine glückliche Zukunft. Der Himmel sei mit dir!«

      Richard hatte indes seine durchnässten Kleider abgelegt und die seines unbekannten Gastgebers angezogen. Als Franz eintrat, saß der Dichter bleich und nachdenkend auf dem Sofa; der plötzliche Wechsel seiner Lage schien keinen günstigen Eindruck auf ihn ausgeübt zu haben. Langsam erhob er sich und fragte in einem fast mürrischen Ton:

      »Also Ihnen verdanke ich mein Leben?«

      »Ja, ich war der Glückliche«, antwortete Franz, »dessen Gott sich zu Ihrer Rettung bedient hat.«

      »Ich kann Ihnen nicht danken«, fuhr Richard düster fort, »denn Sie haben mir einen traurigen Dienst erwiesen.«

      »Und ich schätze mich glücklich«, rief Franz, indem er seinem Gast freundlich die Hand drückte, »einem anständigen, braven Mann, der einen Augenblick der Verzweiflung

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