Der Rattenzauber. Kai Meyer

Чтение книги онлайн.

Читать онлайн книгу Der Rattenzauber - Kai Meyer страница 14

Автор:
Серия:
Издательство:
Der Rattenzauber - Kai  Meyer

Скачать книгу

am Körper, sodass es nicht unschicklich war, die Kammer zu verlassen und nach dem Rechten zu sehen.

      Ich hatte kaum den ersten Schritt getan, als mir klar wurde, dass das Flüstern aus dem Nebenzimmer kam. Aus Dantes Unterkunft.

      Leises Lachen erscholl hinter der Holztür. Durch zahlreiche Fugen drang der flackernde Schein einer Kerze. Gut möglich, dass sich der sündige Italiener ein junges Weibsbild von der Straße mit aufs Zimmer genommen hatte. In einem Haus wie diesem, in solcher Umgebung, musste das ganz alltäglich sein. Ich ließ den Dolch sinken und wandte mich zurück zu meiner Kammer, als Dante mit einem Ruck die Tür öffnete.

      »Sieh da«, sagte er keck, »der edle Ritter lauscht an fremden Türen. Zudem zu solch später Stunde. Ich muss mich wundern.«

      Ich blieb wie vom Schlag getroffen stehen. Schließlich drehte ich mich zu ihm um. »Ich weiß nicht, was Ihr meint, werter Dante.«

      Sein Blick fiel auf den Dolch in meiner Hand. »Ich hoffe, es waren keine Mordgelüste, die Euch an meine Schwelle trieben.«

      Ich fühlte mich ertappt, gedemütigt durch jedes seiner Worte. »Verzeiht, wenn ich mich nun zurückziehe«, entgegnete ich knapp. »Und Ihr, mein Herr, solltet Euren Besuch nicht ungebührlich warten lassen.«

      »Meinen Besuch?« Einen Augenblick lang schien er verwirrt, dann entfuhr ihm ein herzliches Lachen. »Ihr meint sicher Albertus.«

      Keine Frau, also – ein Mann. Umso schlimmer.

      »Gute Nacht«, empfahl ich mich und wollte endlich in mein Zimmer treten, als er sagte:

      »Bitte, edler Ritter, wartet einen Augenblick. Ich weiß, Ihr denkt schlecht über mich, wegen der Dinge, die ich zu Euch beim Essen sagte. Doch zumindest Euren letzten Verdacht will ich zerstreuen.«

      »Nicht nötig«, erwiderte ich kühl, doch da war er bereits in seiner Kammer verschwunden und rief: »Tretet doch einen Moment lang ein.«

      »Ich wüsste nicht, weswegen«, sagte ich.

      Dante erschien wieder im Türrahmen. »Deswegen«, sagte er und hielt mir mit beiden Händen einen Kopf entgegen. »Wegen Albertus.«

      Nun war dies kein gewöhnlicher Kopf, wie es im ersten Augenblick erschien. Er hatte Größe und Form eines menschlichen Schädels, mit kurzem, eng anliegendem Haar und scharf geschnittenen Zügen. Seine Miene strahlte ehrwürdige Strenge aus, die Lippen waren schmal, kaum mehr als dünne Striche. Die Wangenknochen wetteiferten beinahe mit der Nase, so spitz standen sie hervor. Beide Augenbrauen waren zusammengezogen, was dem ganzen Gesicht einen übellaunigen, unzufriedenen Ausdruck verschaffte.

      Der Kopf war aus Metall, aus Bronze, nahm ich an. Der Künstler, der ihn geschaffen hatte, musste große Mühe darauf verwandt haben, ihm möglichst große Lebensnähe zu verleihen. Selbst das Innere der Augen war wirklichkeitstreu nachgebildet.

      »Sehr schön«, sagte ich ehrlich beeindruckt, wenngleich mir der Sinn dieser Vorführung entging.

      Dante lächelte noch immer. »Dies ist Albertus. Zumindest nenne ich ihn so. Er war es, mit dem ich mich vorhin unterhielt.«

      »Ihr sprecht mit einem Bronzekopf?«, fragte ich zweifelnd.

      Dante zog belustigt die Augenbrauen in die Höhe. »Ich kann mir denken, was Ihr von mir haltet. Erst mein Reden über die Hölle, und nun dies.«

      Tatsächlich war mir ein wenig flau im Magen. Nicht etwa aus Furcht; vielmehr berührten mich seine wirren Worte aufs Peinlichste. Gewiss war es am besten, wenn ich mich endlich zurückzog.

      »Meine Einladung gilt noch«, sagte Dante. »Kommt einen Moment zu mir herüber. Ich mag in Euren Augen ein bemitleidenswerter Verrückter sein, doch, glaubt mir, gefährlich bin ich nicht.«

      Ich bin heute nicht mehr sicher, was es war, das mich umstimmte. Vielleicht war es eine gewisse Ehrlichkeit, die aus seiner Stimme sprach, oder auch nur die beruhigende Erwartung, mit einem Menschen ein paar freundliche Worte zu wechseln.

      Wie auch immer – ehe ich mich versah, saß ich in Dantes Kammer auf einem Holzschemel, blickte unsicher zwischen dem Italiener und seinem Bronzekopf einher und hörte mich fragen: »Wie weit seid Ihr mit Euren Nachforschungen gekommen?«

      Er setzte sich mir gegenüber auf die Bettkante und stellte den Schädel sanft mit dem Halsstumpf auf die Decke. »Das Tor zur Hölle habe ich nicht gefunden, soweit kann ich Euch beruhigen. Ich hege langsam Zweifel, ob sich die Reise hierher für mich auszahlen wird.«

      »Ist Euch jemals der Gedanke gekommen, dass Euer Streben sündig sein könnte?«, fragte ich.

      »Nicht nach meinem Verständnis von Sünde.«

      »Und welches wäre das?«

      Dante holte tief Luft und lehnte sich gegen die Wand. »Die Antwort gibt uns Aristoteles: zügelloser Appetit, mangelnde Beherrschung im Benehmen, tierisches Verhalten und krankhafter Geschmack, lasterhaftes und böses Tun, also eine schlechte Anwendung der menschlichen Vernunft. Oh, und vergessen sollten wir nicht Cicero, der Verrat und Gewalt verurteilte.«

      »Ihr überseht dabei die zehn Gebote des Herrn.«

      Dante schüttelte entschieden den Kopf. »Denkt nach, und Ihr werdet feststellen, dass sie alle im eben genannten enthalten sind. Allerdings bin ich bereit, der Kirche ein Zugeständnis zu machen und Ketzerei und Unglauben mit ins menschliche Sündenregister aufzunehmen.«

      »Und, glaubt Ihr nicht, Euer Streben nach einem Abstieg zur Hölle sei Ketzerei?«

      »Keineswegs. Viele fromme Menschen haben von ihren Erlebnissen im Reich des Leibhaftigen berichtet, und sie alle waren danach ebenso treue Diener ihres Schöpfers wie zuvor.« Er zog beide Beine zum Schneidersitz an. »Ich bin vollkommen sicher, dass mir das Heil des Herrn, auch bei einem Erfolg meiner Suche, nicht versagt bleiben wird. Denn wie anders als unter seinem Schutz, könnte ich mich jemals hinab in die Hölle wagen und auf eine glückliche Rückkehr hoffen?«

      »Wem sollte dann überhaupt das Heil versagt bleiben, wenn nicht einmal demjenigen, der die Nähe des Teufels sucht?«, fragte ich zweifelnd.

      Dante hob die Schultern. »Sicher wird es jener nicht erlangen, der niemals getauft wurde.«

      »Damit schließt Ihr all diejenigen aus, die vor der Offenbarung und den Lehren Christi lebten.«

      »Ganz gewiss.«

      »Was aber ist mit Platon, Sokrates und – Ihr nanntet ihn selbst – mit Aristoteles? Mit Aeneas, Homer und Heraklit? Was ist mit Horaz und Ovid?«

      Dieser Einwand ließ Dante fast väterlich lächeln. »Sie haben schlichtweg Pech gehabt.«

      Ich runzelte die Stirn. »Damit erhebt Ihr Euch über die Kirche. Noch nie hat sie einen Menschen zur Hölle verdammt. Nicht einmal Judas Ischariot.«

      »In der Tat. Und warum ist das so?«

      »Sagt Ihr es mir.« Zu meinem eigenen Erstaunen musste ich feststellen, dass ich am Gespräch mit Dante Gefallen fand.

      Der Florentiner räusperte sich. »Einerseits mag die Kirche so handeln, weil sie nie den Glauben an die göttliche Gnade verlieren darf, denn damit widerspräche

Скачать книгу