Der Rattenzauber. Kai Meyer

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Der Rattenzauber - Kai  Meyer

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Herr, welche Ehre, welche Ehre«, rief sie, riss mir mein bleischweres Bündel aus der Hand und stemmte es mit mannhafter Kraft auf den nächstbesten Tisch. Ich wehrte ab, als sie auch nach meinem Schwert greifen wollte, das ich in seiner Scheide in der Linken trug.

      »Verzeiht«, sagte sie sogleich unter merkwürdigen Zuckungen, die zweifelsohne Verbeugungen sein sollten, nur dass ihr dabei die Titanenbrust und die Wülste ihres Leibes arg im Wege waren. »Wie kann ich Euch zu Diensten sein?«, fragte sie.

      »Mit einem Zimmer für die Nacht und einer deftigen Mahlzeit.« Ich wusste nicht, ob mich ihre hündische Ergebenheit abstoßen oder erfreuen sollte. Dann aber beschloss ich, ihr Benehmen als raue Liebenswürdigkeit zu deuten; der erste Mensch in dieser elenden Stadt, der mir mehr als Ablehnung oder gar Feindschaft entgegenbrachte. Mochte es ihr dabei ruhig allein um die Barschaft in meinem Beutel gehen.

      »Sofort, mein Herr, sofort«, sagte sie, drehte sich um und brüllte: »Maria! Wo bist du, Nichtsnutz? Komm her und trag die Sachen des edlen Herrn nach oben.«

      Das Mädchen eilte herbei, schlug die Augen nieder und mühte sich mit beiden Händen, das Bündel vom Tisch zu heben. Sie war zierlich, ganz anders als ihre fette Großmutter, und offenbar weit weniger kräftig.

      Ich trat neben sie, ergriff das Bündel und drückte ihr nach kurzem Zögern das Schwert in die Hand. »Hier, trag das.«

      Die Waffe war halb so groß wie sie selbst und gleichfalls von einigem Gewicht, doch sie nahm sie mit großen Augen entgegen und sah mich erstmals offen an.

      »Ihr seid ein Ritter, mein Herr?«

      »Maria!«, fuhr ihr die Alte barsch über den Mund.

      »Was geht dich das an?«

      Ich schüttelte beschwichtigend den Kopf. »Mein Name ist Robert von Thalstein, Ritter des Herzogs. Seid versichert, ihr werdet gut entlohnt, wenn ich alles zu meiner Zufriedenheit finde.«

      »Oh, das werdet Ihr, edler Ritter, ganz zweifellos«, beeilte sich die Alte zu sagen. Augenscheinlich tat es ihr schon wieder Leid, Maria zum Tragen meiner Sachen gerufen zu haben, denn so mochte ihr selbst eine Münze entgehen, die ich dafür geben mochte. Wiewohl lag dergleichen nicht in meiner Absicht.

      Maria ging voran und stieg vor mir die knarrende Treppe hinauf. Das Schwert hielt sie so ehrfürchtig, als sei es ihr eigener kostbarster Schatz. Oben traten wir in einen engen, beinahe stockdunklen Flur, an den eine Hand voll Zimmer grenzte. Maria lief an der ersten Tür vorbei – offenbar war der Raum schon belegt – und öffnete die zweite.

      »Hier, mein edler Ritter«, sagte sie und trat zur Seite, um mich einzulassen. Das Zimmer war so karg, wie es die Umgebung erwarten ließ, allerdings schien es mir achtsam gepflegt. Es gab eine einfache Liege mit strohgefülltem Belag, einen dreibeinigen Schemel und, auf einem schmalen Tisch, eine tönerne Schüssel. Über dem Bett hing ein schlichtes Kruzifix. Die Fensterläden waren geschlossen, um den Regen auszusperren.

      Ich dankte Maria, nahm ihr das Schwert ab und blickte ihr nach, als sie ging. Bis zuletzt hielt sie den Blick gesenkt, dann schenkte sie mir doch noch ein flüchtiges Lächeln, bevor sie von außen die Tür zuzog. Ich legte den Riegel vor, wusch mich und wechselte Beinkleid und Wams. Damit war mein Vorrat an frischer Kleidung aufgebraucht; ich würde Maria auftragen, die schmutzige zu säubern.

      Schließlich zog ich ein Geschenk aus dem Bündel, das man mir vor meiner Abreise mit auf den Weg gegeben hatte: eine fingerlange, getrocknete Hasenpfote, befestigt an einem Lederriemen. Ein Talisman, der vor Gefahr bewahrte. Ich sah mich kurz um und befestigte ihn schließlich an einem losen Span im Gebälk über dem Bett. Dort hing er eine Weile, ehe ich mich besann, ihn wieder herunternahm und unter dem Flachsärmel meines Hemdes um den linken Oberarm band. Nah am Körper mochte er von größerem Nutzen sein.

      Sodann legte ich mich für eine Weile aufs Bett. Der Graf huschte mir wieder ins Gedächtnis, und mir schauderte bei der Vorstellung, dass ein Mann wie er, ein Besessener von teuflischen Ideen, die Macht und Güte meines ehrwürdigen Herzogs vertreten sollte. Wen mochte es da wundern, dass die Bürger der Stadt sich von ihm abwandten und auf die Seite des feisten Bischofs Volkwin überliefen. Und schlimmer noch: Wie konnte ich Freundschaft und Hilfe bei meinem Bemühen erwarten, wenn ich doch für das gemeine Volk zu Schwalenbergs Gefolge zählte – denn das tat ich zweifellos; der Graf war der Vertreter meines Herrn und damit befugt, mir Befehle zu geben.

      Doch war seine Aufforderung, aus Hameln zu verschwinden, ein Befehl gewesen? Keineswegs, denn er hatte mir die Wahl gelassen. Daher beschloss ich, meine Nachforschungen ungebrochen weiter zu betreiben und dem Grafen dabei aus dem Weg zu gehen. So mochte ich den Willen des Herzogs erfüllen und mehr über das Verschwinden der Kinder erfahren, ohne mich den Anordnungen seines wirrköpfigen Statthalters auszuliefern.

      Von so klugem Entschluss erleichtert, machte ich mich auf, in der Schankstube eine Mahlzeit einzunehmen. Ich hatte seit dem Abend des vergangenen Tages nichts mehr gegessen, und mein Magen meldete sich mit allerlei Getöse.

      Ein einziger weiterer Gast saß an einem der langen Tische, ein junger Mann in der feinen Kleidung eines Höflings oder Ehrenmannes. Seine Anwesenheit überraschte mich, und ich konnte meine Neugier kaum bezähmen.

      »Verzeiht«, sagte ich, »ist es erlaubt, sich zu Euch zu setzen, mein Herr?«

      Er blickte erstaunt von seinem Bierkrug auf. Sein Gesicht war schmal, die Stirn auffallend hoch. Inmitten dieser Züge prangte eine scharf geschnittene Nase wie der Schnabel eines Raubvogels. Darüber blickten mir dunkle Augen aus tiefen Höhlen entgegen. Er war kein schöner Mann, nicht im Entferntesten, zumal sein Unterkiefer um einiges vorstand, gekrönt von einer wulstigen Unterlippe. Als er lächelte, machte ihn dies nicht hübscher, wenngleich höfliche Wärme aus seinem Mienenspiel sprach.

      »Natürlich«, sagt er, »setzt Euch nur.« Er sprach mit einem schweren südländischen Akzent, anders als Althea, die arabische Astrologin meines Herzogs, und dennoch vertraut in seinem merkwürdigen Klang. Da fiel es mir ein: Ein Schneider aus dem fernen Mailand hatte einst zu Hofe Halt gemacht und für einige der älteren, wohlhabenderen Ritter neue Gewänder angefertigt; seine Aussprache hatte ganz ähnlich geklungen.

      Ich stellte mich in aller Form vor, erwähnte auch, dass ich in einer Mission des Herzogs zugegen sei, und setzte mich ihm gegenüber auf eine der Bänke.

      Er sprang auf, verneigte sich tief und sagte mit gewinnendem Lächeln »Gestattet, Dante da Alighiero di Bellincione d’Alighiero. Ein langer Weg hat mich aus meiner Heimat Florenz hierher geführt.«

      »Dann seid Ihr ein Händler?«, fragte ich.

      Er schüttelte geschwind den Kopf. »Keineswegs. Nur ein Student und gelegentlicher Dichter.«

      »Ein Minnesänger«, entfuhr es mir erfreut.

      »Nicht ganz, edler Ritter. Meine Verse eignen sich schlecht zu melodischem Vortrag, und ein Instrument habe ich nie spielen gelernt.«

      Ehe ich etwas entgegnen konnte, trat Maria an unseren Tisch. Sie hatte die schmutzige Schürze abgelegt und das Kleid mit einem Band über den schlanken Hüften zusammengezurrt. Mehr noch als mir selbst schien dem jungen Florentiner ihr lieblicher Wuchs zu gefallen, denn er schenkte ihr ein Lächeln wie einer, dem die Freuden des holden Geschlechts nicht unbekannt waren.

      »Was darf ich Euch bringen, edler Herr?«, fragte sie an mich gewandt, den Blick fest auf die Tischplatte gerichtet.

      »Auch für mich ein Bier und eine Speise,

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