Unheilige Heilige. Nadia Bolz-Weber

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Unheilige Heilige - Nadia Bolz-Weber

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in meiner Hosentasche steckte – mein Porträt als Mangazeichnung. Und so stand ich nun vor Zehntausenden furchteinflößenden Jugendlichen und wusste, dass ich nur zu Chloe sprach, zu dem Mädchen, das nicht ins System passte.

      Also erzählte ich meine Geschichte: ein Mädchen, das nicht reinpasste, aufgewachsen als fundamentalistische Christin, das dann der Gemeinde den Rücken kehrte, süchtig wurde, wieder clean wurde, einen netten lutherischen Jungen kennenlernte, Lutheranerin wurde, lutherische Pastorin wurde, eine Gemeinde gründete.

      „Manche eurer Eltern und Pastoren haben sich ziemlich darüber aufgeregt, dass ich heute Abend zu euch sprechen sollte“, sagte ich. „Sie waren der Meinung, jemand mit meiner Vergangenheit sollte nicht vor Tausenden von Jugendlichen sprechen dürfen. Und wisst ihr, was ich dazu zu sagen habe?“ Ich schwieg einen Moment. „Sie haben absolut recht.“

      Schweigen. Ich holte tief Luft und fuhr fort: „Jemand mit einer Vergangenheit wie meiner, mit Alkoholsucht, Drogenmissbrauch, Promiskuität, Lügen und Stehlen sollte nicht zu euch sprechen dürfen. Und wisst ihr was? Jemand mit meiner Gegenwart, jemand, der so ist, wie ich jetzt bin, sollte das auch nicht dürfen. Ich bin eine sarkastische, über und über tätowierte, hitzköpfige Person, die flucht wie ein Bierkutscher! Ich bin ein mit Fehlern behafteter Mensch und sollte eigentlich wirklich nicht zu euch sprechen dürfen. Aber wisst ihr was?“, fragte ich. „Das ist der Gott, mit dem wir es zu tun haben, Leute!“

      Die Kids rasten. Sie sprangen klatschend und schreiend von ihren Stühlen auf und rasten.

      Ich muss sagen, es haute mich um. Bis dahin hatte ich keine Ahnung gehabt, ob sie mir überhaupt zuhörten. Es dauerte eine Weile, bis sie sich wieder beruhigten, und dann fuhr ich fort: „Lasst mich euch von diesem Gott erzählen.“ Ich erzählte ihnen, dass dies ein Gott ist, der schon immer unvollkommene Menschen gebraucht hat, ein Gott, der unter uns gelebt hat, der sich vorzugsweise mit dem letzten Abschaum zum Essen getroffen und sogar Aussätzige geküsst hat. Ich sagte ihnen, dass dies ein Gott ist, der von den Toten auferstand und dann mit seinen Freunden am Strand Fische grillte, der schließlich zum Himmel aufstieg und uns jetzt in ganz hundsgewöhnlichen Dingen besonders gegenwärtig ist: Weizen, Wein, Wasser, Worten. Ich sagte ihnen, dass dieser Gott noch nie begreiflich war.

      „Und ihr müsst Gott auch nicht begreifen, denn dieser Gott wird euch gebrauchen, dieser Gott wird jeden von euch gebrauchen, und nicht nur eure Stärken, sondern auch eure Fehler und euer Versagen. Eure Schwachheit ist für einen vergebenden Gott genau der fruchtbare Boden, aus dem er etwas Neues und Schönes wachsen lassen kann. Bildet euch also nicht ein, ihr hättet nichts anderes zu bieten als eure Gaben. So sieht das aus, wenn man Lutheraner ist.“ Chloe, weißt du, was du bist? Du bist eine Lutheranerin. So wie ich. Und wieder waren sie völlig aus dem Häuschen.

      Als ich mich später im Superdome unter die Menge mischte, um mir die Band anzuhören, die zum Abschluss spielte, wurde ich von Kids überrannt. Ein Mädchen in einem pinkfarbenen Hoodie, der ihm zwei Nummern zu groß war, weinte. „Ich bin fünfzehn Jahre alt, und ich habe eine ganz ähnliche Geschichte wie Sie, und ich glaube, Sie haben mir heute Abend das Leben gerettet.“ Ich nahm sie in die Arme und sagte ihr, was für ein wunderbarer Mensch sie sei.

      Nachdem ich so ungefähr sämtliche Kids, die an diesem Abend dabei waren, in die Arme genommen hatte, fand und umarmte ich meinen Mann Matthew, der ein paar Stunden vorher mit dem Flugzeug gekommen war, um seine verrückte Frau zu unterstützen, die solche Angst davor hatte, vor Jugendlichen zu sprechen. Wir fuhren durch den prasselnden Regen zurück zu unserem Hotel, setzten uns in unser stilles Zimmer und verzehrten in aller Ruhe das Steak, das ich mir bestellt hatte, um meinen bettelnden Post-Adrenalin-Hunger zu stillen.

      „Was ist da eben passiert?“, fragte ich Matthew.

      Er blickte nicht einmal von seinem Teller auf, sondern sagte nur: „Du kannst zu Jugendlichen sprechen.“

      Ich hatte ins behagliche Tarsis fliehen wollen, ein Land der Erwachsenen, die meine Witze verstehen und mich (vielleicht) cool finden, doch stattdessen war ich am Ufer eines Ninive voller Jugendlicher ausgespien worden, hatte mir die Walspucke abgewischt, Gottes Auftrag ausgerichtet und überlebt. Manchmal ist ein Mensch, der nichts an sich hat, was ihn für eine Aufgabe qualifiziert, genau das, wonach Gott sucht.

      Ich bekomme heute noch regelmäßig E-Mails und Tweets und Nachrichten und handgeschriebene Briefe von diesen Kids. Keine Ahnung, wie diese Rechenaufgabe aufgeht. Wie das bisschen Talent als Rednerin, das ich vielleicht habe, plus die (eigentlich kaum nennenswerte) Arbeit, die ich in diese Ansprache gesteckt habe, in der Summe das ergeben sollen, was dann passierte, ist mir schleierhaft. Doch mir wird ganz allmählich klar, dass wir uns immer dann, wenn so eine Rechenaufgabe nicht aufgeht, in einer Region außerhalb der Logik von Ursache und Wirkung aufhalten. Manche Leute nennen das heiligen Boden.

      Wir sind in großer Gefahr, uns geistlich selbst zu schmeicheln, wenn wir sagen: „Gott hat mich gebraucht, um etwas zu tun.“ Aber vielleicht trifft das Gegenteil ebenso zu. Wir schmeicheln uns ebenso, wenn wir behaupten, wir wären unfähig, die schweren Dinge zu tun, die Gott uns aufträgt.

      Da er nun einmal kein besseres Arbeitsmaterial hat, greift Gott auf uns zurück, um durch uns an anderen und durch andere an uns zu arbeiten. Das ist schon ein eigenartig heilsamer, verwirrender Kuddelmuddel, in dem wir da stecken: Gott zwingt die Menschen Gottes, sich selbst so zu sehen, wie Gott sie sieht. Dinge zu tun, von denen sie wissen, dass sie dazu unfähig sind, damit Gott sie gebrauchen und sie zugleich zu demütigen Empfängern und großzügigen Gebern der Gnade machen kann. All das, damit sie Anteil haben an Gottes großem Projekt auf der Erde und dabei selbst unerwartete Freude durch überraschende Situationen empfangen.

      Und damit Pastorinnen im Flugzeug von Mädchen mit pinkfarbenen Ponys und glänzenden Narben dazu ermahnt werden, sich nicht so wichtig zu nehmen.

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