3 a.m.. Edie Calie
Чтение книги онлайн.
Читать онлайн книгу 3 a.m. - Edie Calie страница 8
Seth befand sich gerade im Kampf mit der Schlange Apophis um den Sonnenaufgang zu sichern und den Tag zu retten – ein Schauspiel, welches sich Nacht für Nacht wiederholte.
Doch diese Nacht war anders, sie konnte es nicht wirklich benennen, es war mehr ein tiefsitzendes Gefühl. Die Vögel klangen falsch. Die Töne, die sie von sich gaben, waren eher ein Kreischen als Gesang, Aufbruch und Panik schienen in der Luft zu liegen.
Sie schloss das Fenster und setzte sich wieder aufs Bett. Ihre Augen geschlossen versuchte sie, das Schreien der Vögel einzusaugen und deren Panik zu fühlen.
Wasser schwappte über ihre Gedanken, sie konnte Salz riechen und schmecken. Weit entfernt sah sie eine hügelige Landschaft, auf die sie sich wankend zubewegte, obwohl sie saß. Sie fand sich, in einer Decke eingehüllt, auf einem kleinen Boot wieder, das mit ruckartigen Stößen angetrieben wurde. Vor ihr befanden sich sechs Schwerter, die mit der Spitze im Holz steckten und wie Friedhofskreuze aussahen. Hinter ihr stand ein Mann, der mit regelmäßigen Bewegungen einen Stab ins Wasser stach und damit das Boot antrieb. Sie kannte weder den Mann, noch das vor ihr liegende Land und in ihrem Magen machte sich ein mulmiges Gefühl breit. Offensichtlich war sie auf dem Weg zu etwas Neuem, auch wenn ihr das Ziel unbekannt war. Doch als Passagierin hatte sie darauf keinen Einfluss, alles, was sie tun konnte, war vertrauen und abwarten.
Als sie die Augen öffnete, umspielte ein Lächeln ihre Lippen, sie hatte die Szene erkannt. Die 6 Schwerter hatten in ihrer Vergangenheit noch nie etwas Schlechtes bedeutet, im Gegenteil. Alles, was sie tun musste, war loszulassen und sich auf eine neue Reise zu begeben. Sie ging zurück zum Fenster, der Mond verschwand gerade hinter den gegenüberliegenden Häusern, Seth hatte gewonnen. »Ich vertraue euch«, flüsterte sie den Vögeln zu, »Aber es wäre mir trotzdem lieber, ihr würdet nicht so einen Krach machen und mich schlafen lassen.«
Wieder im Bett kuschelte sie sich in ihre Bettdecke, bereit jemand anderen das Steuer übernehmen zu lassen.
Während sie meditierend auf dem Bett saß, konnte auch 1985 km entfernt an der nordenglischen Ostküste jemand nicht schlafen. Kundalini wandelte schlaftrunken, nur mit einem dünnen Nachthemdchen bekleidet, durch das kleine Örtchen Tynemouth. Der Wind blies eine leichte Salzwasserbrise durch die Straßen und der Mond kämpfte am Himmel verzweifelt gegen die Sonne und tauchte die Häuser in ein weiches, traumähnliches Licht.
Sie ging die menschenleere Front Street entlang, an der Kirche, die mittlerweile als Geschenkartikelladen genutzt wurde, und den zahlreichen kleinen Cafès, Pubs und Fish&Chips Ständen vorbei, Richtung Priory. Vögel lärmten am Himmel, Möwen flogen in großen Scharen in Kreisen und Spiralen. Je näher sie der Küste kam, desto bewusster wurden ihr die großen, dunklen Wolken, die bedrohlich vom Meer landeinwärts zogen – ein ungewöhnlicher Anblick, zogen doch normalerweise die Wolken aufs Meer hinaus.
Als sie am Ende der Straße angelangt war, verharrte sie einen Moment und starrte in die Ferne. Zu ihrer Rechten konnte sie die Leuchttürme von Tynemouth und South Shields erkennen, direkt vor ihr lag die Priory, ein zerstörtes Kloster, dessen Ruinen nach wie vor majestätisch auf dem Felsen thronten.
Sie ging links an der Priory vorbei und stieg die zahlreichen Steinstufen zum Strand hinunter. Obwohl die Sonne den Mond immer weiter verdrängte, verdunkelte sich der Himmel zusehends. Die leichte Brise verwandelte sich mit jedem Schritt, den sie dem Meer näher kam, mehr in einen scharfen Wind und die Wolken schienen die aggressive Stimmung der Vögel zu teilen. Während alles landeinwärts zu ziehen schien, ging das Meer den entgegengesetzten Weg und zog sich zurück. Ebbe.
Kundalini spürte den Sand unter ihren bloßen Füßen, kalt und feucht knirschte er laut, während sie auf das Wasser zuging. Über ihr begann es zu donnern und die Wolken schienen sich vortexartig über ihr zusammen zu ziehen. Obwohl sie keine Ahnung hatte, was gerade vor sich ging und warum sie überhaupt mitten in der Nacht zum Strand gekommen war, spürte sie keinen Zweifel.
Es fühlte sich richtig an und sie wusste, dass es einen Sinn und sie, im Grunde genommen, keine Wahl hatte. In dem Moment, als ihre Füße das Wasser berührten, fuhr ein Energiestrom wie ein elektrischer Schlag durch sie hindurch, schoss von den Füßen ausgehend durch ihren ganzen Körper nach oben und weiter darüber hinaus, bis in die Wolken.
Ihr Körper zuckte, während vor ihrem geistigen Auge Bilder in rasender Geschwindigkeit abliefen. Bilder aus ihrem Leben, aus dem Leben davor und davor und davor und davor, bis zu jenem Punkt zurück, der für die menschliche Psyche normalerweise unzugänglich ist. Und sie verstand.
Sie verstand den Grund ihrer Existenz, die Bedeutung ihres Namens, das große Ganze, den Sinn, 42. Keinerlei Emotionen waren mehr in ihr, sie stand über dem Menschlichen.
»Es ist an der Zeit. My time is now!« Sie fing an zu laufen, geradewegs in die Weiten des Meeres hinein.
Räusper. Der prachtvolle Tisch, um den die Herren versammelt waren, wirkte etwas unangebracht, Bierbänke hätten besser zu dem Spektakel gepasst. Die höchsten Vertreter dieser längst überflüssigen Religion wirkten wie Karikaturen ihrer selbst, die sich zur Faschingsfeier versammelt hatten. All that singing and dancing.
»Was machen wir wegen dem verdammten Neger?«
Ach ja, der Typ der sich für Jesus hielt und es mittlerweile zu beträchtlicher Berühmtheit gebracht hatte, war der Grund für diese Zusammenkunft. Schwerfällig hob der Papst seinen Kopf, um ihn sogleich wieder auf den gefalteten Händen, die vor ihm auf dem Tisch ruhten, abzulegen. Die Tatsache, dass er bei solchen Sitzungen nach wie vor anwesend sein musste, machte sein Leben zur Tortur. Wie schön wäre es gewesen, wie alle anderen alten Männer irgendwo in einem tristen Zimmer zu sitzen und mit der Krankenschwester zu flirten. Sie dürfte sogar Papa zu ihm sagen, wie sich das bei einer Audienz gehört.
»Neger!« wiederholte der Sprecher provokant das politisch unkorrekte Wort, um die Konzentration auf das Thema zu lenken und so schnell wie möglich eine Lösung zu finden. »Also?«
»Das ist komplett lächerlich, wir wissen doch alle, dass wir diesen Kerl unmöglich als Jesus anerkennen können.« Hätte es sich bei dem Antwortenden um einen aufrichtigen Christen gehandelt, hätte er noch ein ‚Und wir uns nur zum Wein trinken versammelt haben‘ hinzugefügt, aber um Aufrichtigkeit ging es schon seit Jahrhunderten nicht mehr.
»Ich schlage vor, wir stimmen ab. Ich hab’ wirklich keine Lust auf so ein elendig langes Hickhack wie 2007, als wir die Vorhölle abgeschafft haben,« meldete sich ein Dritter.
Uhhh, damit traf er den wunden Punkt der Versammelten. Obwohl das Gefecht damals an anderer Stelle ausgetragen worden war und keiner der Anwesenden die, extra angefertigte, Streitschrift mit den Pro und Contras gelesen hatte, bevor sie per anonymen Handzeichen abgestimmt hatten, hatten sie alle den Aufwand, der damals betrieben wurde, als furchtbar anstrengend und kostspielig in Erinnerung. Limbo Baby. They just wanted to get it over with. Nach acht Flaschen Rotwein und fünf leeren Schachteln Oblaten (davon zwei mit Vanille und drei mit Schokogeschmack) endete die Abstimmung einstimmig gegen Jesus. »Sonst behauptet irgendwann noch eine Asiatin, Maria, die Mutter Gottes zu sein.« Einvernehmliches Gelächter. Das konnte nun wirklich niemand gebrauchen.
Am nächsten Morgen herrschte Katerstimmung im Vatikan, scheinbar war die Party, äh, Versammlung