Tote und andere Entdeckungen. Daniel Juhr

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Tote und andere Entdeckungen - Daniel Juhr

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mal schön stecken, Alter!“

      „Ja, wollte ich doch! Du hast die Gabel rausgezogen, du Idiot! Jetzt hilf mir, den zu verbinden!“

      „Nenn mich noch einmal Idiot, du …!“

      Edgar und Fritz drehen das Verbandszeug so schnell wie möglich ab und wickeln es so fest sie nur können um Pauls vor Blut triefende Brust. Sie legen Schicht über Schicht über ihn, doch jede neue Lage leuchtet sogleich blutrot.

      „Super“, meckert Edgar, „jetzt haben wir Pommes rot-weiß.“

      „Halt’s Maul und wickel, verdammt noch mal.“

      Nach einer gefühlten Ewigkeit ist das gesamte Verbandszeug verbraucht und die vier roten Blutflecken sind endlich etwas kleiner geworden.

      Als Fritz den Verband einigermaßen fixiert hat, atmen die beiden kurz durch und betrachten das Ergebnis.

      „So, müsste gehen“, findet Fritz.

      „Was müsste gehen? Wie sollen wir den denn jetzt bitte von hier wegkriegen? Und wohin überhaupt?“

      Fritz starrt erst zum Pavillon hin und dann in die Ferne. Er schüttelt den Kopf und schweigt. Edgar beugt sich nach vorne und wünscht sich, er könnte sich jetzt schnell noch einen drehen. Aber dafür müsste er sich ja erst mal neuen Stoff besorgen.

      Wie die beiden einen Moment lang da sitzen, fällt ihnen nicht auf, dass sich Pauls Mund ganz allmählich füllt. Erst als er noch einmal ein „Röhhhh … grschschschsch … hhhrrrrrgghhhhhh“ von sich gibt, sein Kopf zur Seite fällt und sich ein blutroter Schwall aus seinen halb geöffneten Lippen ergießt, schrecken Fritz und Edgar auf.

      Und erstarren.

      Fritz macht einen Satz auf Paul zu und hält seinen Kopf. „Paul? Paul! Paul!!!“, brüllt er.

      „Nicht so laut“, zischt Edgar.

      „Nicht so laut? Der verreckt uns hier, Mann! Los, mach Mund-zu-Mund-Beatmung! Ich pumpe.“

      Edgar wird blass. Er starrt angewidert auf Pauls noch immer mit Blut gefüllten Mund. „Ich soll … da rein blasen?“

      „Nee, in ein Röhrchen, wie sonst immer!“, blökt Fritz. „Natürlich sollst du da reinblasen!“

      Edgar verschränkt die Arme. „Also, ich mach ja eine Menge, Fritz. Aber … das nicht.“

      Fritz schaut Edgar mit einem Blick an, der ihn frösteln lässt, trotz der Sommerwärme hier im Schlossgarten. Aber Edgar bleibt stur.

      „Ach, leck mich doch, du Versager!“, ruft Fritz. „Dann eben andersrum. Kannst du wenigstens bis dreißig zählen?“

      Manchmal wird Fritz gemein, findet Edgar, aber er kniet sich über Paul und fängt an, seine Brust einzudrücken. Aus Pommes Rot-Weiß wird Pommes tiefrot.

      „Nicht so feste!“, brüllt Fritz.

      „Doch feste! Machen die in der Serie auch so!“

      Aber Fritz stößt ihn einfach zur Seite. „Was kannst du eigentlich?“

      Dann sagt er eine ganze Weile nichts mehr, sondern drückt dreißigmal auf Pauls Brustkorb. Als er sich danach mit seinen Lippen ganz nah über Pauls Mund beugt, tief einatmet und ihm die Nase zuhält, röchelt Paul noch ein letztes Mal und spuckt Fritz einen roten Schwall warmen Blutes ins Gesicht. Es ist sein letzter Atemzug.

      Während Fritz angewidert zur Seite kippt, verschränkt Edgar die Arme: „Na, haste wieder alles besser gewusst, ja?“

      Da springt Fritz auf, stürzt auf Edgar zu, packt ihn am Kragen und schiebt ihn bis an den Pavillon heran. Er drückt ihn mit aller Kraft gegen die Wand. „Hältst du jetzt endlich mal deine blöde Fresse, Edgar? Der Junge ist tot, Mann! Kapierst du das? Der steht nicht gleich wieder auf wie in einer deiner beschissenen Serien. Der ist uns hier gerade verreckt, weil … weil …“, doch in diesem Moment versagt ihm die Stimme. Er kniet nieder und weint. Edgar spürt, wie ihm der Hals eng wird. Er kennt Fritz schon lange, aber er hat ihn noch nie weinen sehen. Und als fiele auch Fritz das gerade auf, reißt er sich ganz schnell zusammen und steht auf. Er tritt wieder so verdammt nah an Edgar heran.

      „Haust du mich jetzt?“, entfährt es Edgar.

      „Was tu ich?“

      „Nichts … jedenfalls … tut mir leid … mit Paul.“

      „Ja, super, Edgar, bringt uns nur jetzt nix, ne? Der durfte gar nicht hier sein, zum Glück weiß das nur seine Mutter, und sonst keiner, und die Alte ist eh den halben Tag voll wie ne ganze Destille. Und außerdem hat er das ja unter der Hand gemacht …“

      „ … aber gut war er!“, unterbricht ihn Edgar, weil er das Gefühl hat, noch was Lobendes sagen zu müssen, „der Paul, der war schon … nee, also … der könnte echt mal … also, ich meine vielmehr, der hätte mal können …“

      Fritz schließt nur genervt die Augen. „Ist gut, Edgar. Jetzt kann der gar nichts mehr. Also muss er weg.“

      Edgar schaut Paul einen Moment lang an. Als er in die toten Augen des dürren langen Jungen blickt, beginnt er zu frösteln. „Er starrt uns an, Fritz! Er starrt uns an, weil wir … weil wir …“

      Aber Fritz packt ihn mit beiden Händen an den Schultern: „GAR NICHTS haben wir, klar? Und gleich glotzt der auch nicht mehr, wart’s ab.“

      Er beugt sich über den gelb-rot-weißen Paul, legt eine Hand auf seine Augenlider und schließt sie. Doch sie klappen sofort wieder auf. Fritz versucht es erneut, doch wieder klappen die Lider auf.

      „Siehst du, siehst du! Ich hab doch gesagt, der starrt uns an! Mein Gott, vielleicht … Vielleicht ist er ja … So einer wie aus dieser Zombieserie. Walking Dead! So einer von denen, die einfach nicht totgehen, Fritz … aua!“

      Fritz’ linke Hand, die eben noch vergeblich versucht hat, Pauls Augen zu schließen, klatscht in Edgars Gesicht, jetzt einfach mittenrein, und sie trifft irgendwie alles, die Wange, die Nase, die Lippen. Hauptsache, denkt Fritz, er hält jetzt endlich mal die Fresse.

      Das sagt er auch: „Halt jetzt endlich mal die Fresse, Edgar!“

      Im selben Moment zieht er eine schwarze Sonnenbrille aus der vorderen Tasche seiner Latzhose und setzt sie Paul auf. „So, wieder ein Problem erledigt. Und jetzt muss der weg. Aber dalli.“

      Edgar fängt an zu weinen. Edgar weint noch seltener als Fritz, aber wenn, dann macht er das nie leise-schluchzend, so wie es Anverwandte auf einer Beerdigung tun, sondern schrill-plärrend, so wie es Kleinkinder machen, wenn der Brei zu heiß ist. Edgar plärrt, und das kommt gerade gar nicht gut.

      Wieder schnellt Fritz’ Hand in sein Gesicht, aber diesmal heftet sie sich auf seinen Mund und hält ihn zu. Seine Lippen kriechen fast in Edgars Ohr, und er flüstert: „So, mein Freund, jetzt hörst du mir zu, und ich sag das nur einmal: Wir bringen den pronto von hier weg. Ich lad den gleich in den Wagen, und dann fahren wir den … irgendwohin. In den Wald, mir scheißegal. Aber das machen wir zusammen, klar? Und dafür musst du dich ZUSAMMENREISSEN. Verstehst du, was ich sage?“ Edgar nickt

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