Rundgang nur mit Korb. Peter Schmidt

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Rundgang nur mit Korb - Peter Schmidt

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Idee angesteckt. »Die Kinder könnten ein eigenes Beet bekommen und so schon mal Verantwortung für Radieschen oder Möhren übernehmen. Wir könnten im Sommer grillen. Und im Garten lernt man viele neue Leute kennen, die einem hier und da weiterhelfen können.« Sie redeten sich in einen kleinen Rausch. »Von meinem Vater könnten wir Gartenwerkzeug aus der LPG bekommen.«

      »Und wenn die Erdbeeren reif sind, dann können wir unser Überangebot gegen andere Dinge tauschen. Vielleicht bekommen wir dann die Kaufhallenfrauen weich gekocht.«

      »Spargel, Erbsen, Kirschen und Blumenkohl. Das wäre schon eine Erleichterung.«

      »Dann machen wir uns unsere eigene kleine LPG.« An diesem Tag sprach sie nicht mehr von Heimweh. Er hatte im Fechtkampf gegen ihre Sehnsucht nach Heimat und Vertrautheit den ersten Treffer gesetzt. Nun muss die Zeit für ihn arbeiten.

      Sie packten ihre Sachen aus den Kisten in die Schränke ein und sie träumten von langen warmen Sommertagen, an denen sie unter dem Sonnenschirm eine Erdbeertorte mit Erdbeeren aus eigener Ernte zum Kaffee genießen würden.

      Ein Kleingarten. Das wäre ein Versuch. Aber wo beantragt man eine Gartenparzelle? Gleich am Montag würde er dazu die Kollegen im Betrieb befragen. Vielleicht hält man es besser aus, wenn man sich auf seine eigene grüne Insel zurückziehen kann. Und an die anderen Umstände wird man sich dann sicherlich auch noch gewöhnen.

      2. Kapitel

      WIE KOMMT MAN ZU EINEM GARTEN?

      Am Montagmorgen war die Stimmung im Kombinat nicht gerade auf dem Siedepunkt. Lang gezogene Wochenanfangsgesichter streckten sich Axel entgegen, marschierten wie eine Trauergesellschaft im Gänsemarsch in die Umkleidekabinen und zeigten deutlich an, dass sie überall lieber wären als hier bei der Arbeit. Aus den großen und schlecht belüfteten Werkshallen schwamm der Geruch nach Maschinenöl bis in die Pausenräume. Bis dann die einzelnen Produktionsabschnitte als ein Ensemble zusammenspielten, dauerte es noch eine ganze Weile und so erzeugten erst einzelne Sägen und Bohrer ein paar falsche Töne. Dieses morgendliche Durcheinander nutzte Axel noch schnell aus, um im Büro des Kombinatsleiters vorzusprechen. Er huschte die Treppen hinauf. Ein paar Arbeiter in sauber gewaschenen blauen Anzügen taumelten ihm gemütlich in Richtung Arbeitsplatz entgegen und werteten das Heimspiel von Lok Leipzig aus. Dann stand er vor dem Büro von Herrn Liedke. Durchatmen. Einmal Anklopfen. Auf ›Herein!‹ warten.

      »Herein!«, klang es militärisch durch das Schlüsselloch und unter dem Türspalt hindurch. Axel drückte auf die Klinke und trat ein. »Guten Morgen!« Der Kombinatsleiter entgegnete ein kameradschaftliches Kopfnicken. Er klemmte zwischen den Armlehnen seines Stuhls fest wie eine Glühbirne in ihrer Fassung und schien sich in dieser Position recht wohlzufühlen. »Nehmen Sie Platz, Genosse Weber. Wo drückt denn der Schuh?« Sein Gesichtsausdruck blieb so unverändert, als würde er eine Maske tragen. »Herr Kombinatsleiter Liedke, Sie haben mir zu meiner Einstellung gesagt, dass ich mit Problemen jederzeit zu Ihnen kommen kann.«

      »Jederzeit, außer freitags.« Das sagte er so dahin. Es sollte sicherlich kein Versuch sein, sich für die Begegnung am Freitagnachmittag zu rechtfertigen. Das hatte er nicht nötig. »Deshalb komme ich ja auch jetzt zu Ihnen«, lenkte er ein. »Wie kann ich behilflich sein, Genosse Weber?« Er lehnte sich zurück und sah ihn interessiert an. »Nun, meine Frau kommt aus einer Bauernfamilie. Ihre Vorfahren haben seit Menschengedenken den Erdboden durchpflügt und sich mit allem versorgt, was sie zum Überleben benötigten. Und jetzt ist uns die Idee gekommen, dass wir uns selber einen kleinen Garten anschaffen sollten. Nur haben wir beide keine Ahnung, wo wir hier eine Parzelle bekommen könnten.« Der Kombinatsleiter wirkte angestrengt. Es entstand eine Denkpause, in der Axel das Büro begutachtete. Blick aus dem Fenster auf die Flusswiesen. Dunkelrote Stoffvorhänge. Ein Schraubenbaum neben dem Schreibtisch. Ein Bild von Erich Honecker an der Wand. »Fragen Sie beim Genossen Krugmann nach. Jürgen Krugmann. Er ist Montageleiter in der Halle fünf. Der hat einen Garten und muss ja demzufolge da irgendwie rangekommen sein. Also sonst fällt mir niemand anders ein.«

      »Montageleiter Jürgen Krugmann, Halle fünf«, wiederholte er halblaut um zu zeigen, dass er alles richtig verstanden hatte. »Danke!«

      »Keine Ursache, ich fühle mich auch für das allgemeine Wohlbefinden meiner Mitarbeiter verantwortlich.« ›Außer freitags‹ dachte er. »Apropos, wie kommen Sie denn eigentlich in ihrer neuen Heimat zurecht?«

      »Nun«, er war sich nicht sicher, wie weit er das Heimweh von Gerda ausschmücken sollte. »es geht schon. Am Anfang dauert es seine Zeit, bis alles rund läuft, aber wir sind tapfer.«

      »Hat Ihre Frau schon eine Arbeit gefunden?«

      »Nein, sie hat bisher in Neubrandenburg beim Kreisgutachter im Gesundheitswesen gearbeitet und so etwas gibt es hier nicht.«

      »Was hat sie denn gelernt?«

      »Kinderkrippenerzieherin und dann ein Fernstudium zur Fürsorgerin.«

      »Soll ich mal meine Fühler ausstrecken? Ich habe ein paar Verbindungen.«

      »Gern, vielen Dank.« Schon wieder ein Erfolg. Wenn Gerda hier arbeiten kann, dann lernt sie viele neue Leute kennen und das hilft ihr auch ein bisschen über ihr Heimweh hinweg. Der zweite Treffer im Fechtkampf gegen ihre Sehnsucht nach der mecklenburgischen Heimat stand bevor. Er verließ das Büro, pustete die angestaute Luft aus und fühlte sich wie der kleine Sieger einer großen Schlacht.

      *

      Mittagspause. Axel Weber hatte sich schmutzig gearbeitet und Schmierfette und Öltropfen hatten sich schon größere Gebiete seiner frisch gewaschenen Arbeitskleidung wieder zurückerobert. Er hatte keine Zeit zum Händewachen. Er hielt das Pausenbrot mit dem Butterbrotpapier fest, in das es Gerda heute früh eingewickelt hatte. ›Käse und Salami‹ schmeckte er schon beim ersten Biss. ›Lecker.‹ »Wo ist denn die Werkhalle Nummer fünf?« Die Kollegen zeigten einstimmig in Richtung des Notausgangs und aßen dann selber gemütlich weiter.

      Die Halle fünf war nicht viel größer als seine Werkhalle. Es standen fast die gleichen Geräte herum und die Menschen, die hier arbeiteten, waren ihm noch genauso fremd wie die Mitarbeiter seiner Jugendbrigade. »Wo finde ich denn den Genossen Krugmann?« fragte er in den Pausenraum, in der das Heimspiel von Lok immer noch nicht bis zu Ende ausgewertet war. Ein schwarzhaariger kleiner Fast-Rentner fühlte sich zuständig: »Jürgen oder Wolfgang? Wir haben hier zwei Krugmänner.«

      »Jürgen Krugmann.«

      »Der ist mal an der frischen Luft und kommt so in einer Stunde wieder.«

      »Danke. Ich komme dann später noch mal wieder.«

      »Schon gut.« Auf dem Rückweg überlegte er, dass die Mittagspause nur eine halbe Stunde betrug. Wo war er denn? Und was bedeutet frische Luft? Man kann sich an diese Arbeitseinstellung gewöhnen und heute störte es ihn schon weniger als am Freitag. ›Immer schön mit dem Strom schwimmen, dann gehst du nicht unter‹ dachte er und musste dabei sogar ein wenig schmunzeln.

      Nach einer guten Stunde kam ein unscheinbarer Mann mit Brille auf ihn zu, dessen helles Haar dazu neigte, sich zu locken, wenn es länger wächst. Er strahle eine freundliche Ruhe aus, als er Axel selbstsicher begrüßte: »Guten Tag Axel Weber«

      »Ja?«

      »Jürgen Krugmann. Kennst du mich noch?« Grübeln. Wann sollten sich ihre Wege denn schon einmal gekreuzt haben? Er wühlte die Schubladen seiner Erinnerung durch und kramte nach einem Gesicht das so aussah wie jenes, das er gerade

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