Traum-Heiler. Robert Moss A.
Чтение книги онлайн.
Читать онлайн книгу Traum-Heiler - Robert Moss A. страница 9
Während C. G. Jung sich bemüht, weiterhin ein normales Leben als berühmter Psychoanalytiker und Vater von fünf Kindern zu führen, wird sein Realitätssinn durch die nackte Gewalt seiner nächtlichen Visionen und synchronischen Phänomene am Tag erschüttert, die ihm das Gefühl vermitteln, als würden die Mächte einer tieferen Welt an die Oberfläche kommen. Im Dezember 1913 hält er im gut geschnittenen Anzug vor der Psychoanalytischen Gesellschaft Zürich eine polierte Vorlesung. Drei Nächte später offenbart er Elias, ihm sei, als wäre er in der Unterwelt realer, doch er wolle nicht dort sein.15
Jung geht durch die Hölle. Er spricht mit einem roten Teufel. Er kämpft mit einem Stiergott und schrumpft ihn auf die Größe eines Hühnereis, das er in die Tasche stecken kann; dann lässt er den alten gehörnten Gott wieder aufleben. Er heult einen toten Mond und ein dunkles Meer wegen der Verbindung von Gut und Böse an, doch er traut seinen eigenen Rufen nicht.
In einem unheimlichen Waldsumpf gelangt er in eine Schlossbibliothek und hofft auf einen Ort des Rückzugs und der Reflexion. Als der Bibliothekar ihn auffordert, sich ein Buch auszusuchen, nennt er zum Erstaunen beider The Imitation of Christ von Thomas à Kempis, einem im Mittelalter beliebten Schriftsteller. Immer wieder merken wir, dass unser verzweifelter Reisender im mittleren Alter ist; vor wenigen Monaten wurde er vierzig. Er diskutiert mit dem Bibliothekar, was es heißen würde, heutzutage Jesus zu imitieren. Da Christus niemanden imitiert hat, findet er, dies würde bedeuten, seinen eigenen Weg zu gehen und einen hohen Preis für kreatives Schaffen von einer Art, wie sie noch keiner vor ihm aufgezeichnet oder angewendet hat, zu zahlen. Dann gelangt er in eine Küche neben der Bibliothek und spricht mit einer rundlichen, mütterlichen Köchin. Starke Unruhe liegt in der Luft. Ein Schwarm rastloser Toter fliegt durch den Raum und schreit etwas über »nach Jerusalem gehen«. Er fragt, warum die Toten nicht ruhen, und ihr Anführer weist Jung an, er solle ihnen das erklären. Jung sagt den Toten, sie könnten wegen dem, was sie im Leben versäumt hätten, nicht zur Ruhe kommen. Die Toten klammern sich an ihn und er ruft: »Lass los, Daimon, du hast dein Animalisches nicht gelebt« - womit er das instinktive, natürliche Leben der Sinne meint.
Das Geschrei dieses Streits wird so laut, dass die Polizei auftaucht und ihn in eine psychiatrische Anstalt bringt. Dort stellt ein dicker, kleiner Professor nach einer ganz kurzen Befragung »religiösen Wahn« fest. Er merkt an, dass das Imitieren von Christus einen heutzutage ins Irrenhaus bringe.
Jung wird zwischen zwei anderen Patienten - der eine ist in Lethargie verfallen und der andere leidet unter einem rasch schrumpfenden Gehirn - in einen Raum gesperrt. Jung vergleicht sich mit Jesus, der zwischen zwei Dieben gekreuzigt wurde, von denen einer hinauf- und der andere hinuntersteigen wird. Seine Gedanken wenden sich dem Problem zu, wie man mit den Toten umgehen soll. Ihre Anzahl ist viel größer, als er gedacht hat, wie die Küchenszene ihm gezeigt hat. Er merkt an, dass die Toten schon seit ewigen Zeiten durch die Luft geflattert und wie Fledermäuse unter unseren Dächern gewohnt hätten. Das erfordert »verborgene und seltsame Arbeit«, doch es ist ihm noch nicht klar, wie er das von seiner Zelle aus bewerkstelligen kann.
Er hört einer Stimme zu, die den Wahn anpreist, einer Stimme, die er als seine Seele identifiziert. Laut C. G. Jung ist Wahn eine besondere Form des Geistes, die sich an alle Lehren und Philosophien klammert, noch mehr jedoch an das tägliche Leben, da das Leben an sich unlogisch ist.
In der Nacht bewegt sich alles in seinem Zimmer in schwarzen Schwaden. Die Wände werden zu furchterregenden Wellen. Nun befindet er sich im Raucherzimmer eines großen Ozeandampfers, in dem der dicke, kleine Professor prachtvoll gekleidet wieder auftaucht und ihm einen Drink anbietet, während er ihm eröffnet, dass er, Jung, vollkommen verrückt sei und in eine Anstalt eingewiesen werden müsse. Sein apathischer Zimmernachbar taucht auf und verkündet, er sei Nietzsche und zugleich der Erlöser.
Jung schreibt, dass in dieser Nacht alle Dämme brachen, dass sich die Steine in Schlangen verwandelten und alles Lebendige erstarrte. Zurück in seiner verschlossenen Zelle im Irrenhaus kämpft er gegen verstrickende Spinnweben aus Worten und Gedanken. Er ermahnt sich, nichts, was er tut, zu einem Gesetz zu machen, denn das ist die Überheblichkeit der Macht. Dennoch merkt er, dass er ein Gesetz des Lebens nach dem anderen ausspricht, in der Art von Nietzsche, dessen Identität der Irre zu seiner Linken angenommen hat.
Jung weiß nicht, ob es Tag oder Nacht ist, als er einen rauschenden Wind hört und gleich darauf eine hohe dunkle Wand, die immer näher kommt. An ihr kriecht ein grauer Wurm aus Tageslicht entlang. Er hat ein rundes Gesicht und lacht. Jung öffnet die Augen und blickt auf in das fröhliche rundliche Gesicht der Köchin. »Sie haben fest geschlafen«, sagt sie zu ihm. »Sie haben über eine Stunde geschlafen.«
Jung glaubt zwar, wach zu sein, aber er befindet sich natürlich immer noch in einem Traum und entrückt von seinem physikalischen Zuhause. Anders als in den Klischeegeschichten, in denen das Unmögliche erklärt wird und die Handlung wieder aufgegriffen wird, sobald der Schlafende aus seinem Traum erwacht, gibt es hier nur das Erwachen innerhalb eines enormen, schnellen, unentrinnbaren Traums.
Der Augenblick, in dem ich nahe dran war, Das Rote Buch in die Ecke zu werfen, kam an dem Punkt, an dem C. G. Jung beschreibt, wie er von einer Frau, die sich seine Seele nannte, dazu gedrängt wurde, ein Stück der Leber eines ermordeten Mädchens zu verspeisen.16 Ich war angeekelt und hätte mich fast erbrochen. Doch ich zwang mich dazu, weiterzulesen, jeden Schritt mit Jung auf seiner beängstigenden schamanischen Reise durch die vielen Zyklen der Unterwelt zu gehen.
Wie Jung zugegeben hat, könnte jeder, der die letzten Kapitel von »Liber Primus«, dem ersten Teil des Roten Buchs, aus dem Zusammenhang gerissen liest, den Verfasser für verrückt halten. Zwar brillant und lehrreich, aber dennoch verrückt. Doch aus solchen gefährlichen Abenteuern jenseits des eingezäunten Gebiets des gesunden Menschenverstands leitete Jung seine Vorstellungen von »psychologischer Objektivität« ab, einem der stimulierendsten Elemente seiner späteren Arbeit. Aus seinen Dialogen mit seinen Traumfiguren und seinen Versuchen, die Kräfte, die mit ihnen einhergingen, zu integrieren und ins Gleichgewicht zu bringen, entwickelte er seine Praxis der aktiven Imagination. Wie er dem holländischen Dichter Roland Holst sagte, hatte er sein Werk Psychologische Typen aus dreißig Seiten seines Roten Buchs heraus entwickelt.17 Das waren offensichtlich die Seiten, auf denen die Begegnungen mit Elias und Salome stattfinden und auf denen - nachdem Jung so lange von einer riesigen schwarzen Schlange fest umschlungen wird, bis das Blut aus ihm herausspritzt und sein Kopf sich in einen Löwenkopf verwandelt - Salome zu ihm sagt: »Du bist Christus.«18
Auf diese Episode in seinem transpersönlichen Innenleben im Jahr 1925, die auf der Scheidelinie des katastrophalen Weltkriegs lag, den mehrere seiner Visionen vorausgenommen hatten, blickte C. G. Jung auf einem Seminar zurück, als er sagte, man könne sich dieser unbewussten Fakten nicht bewusst werden, ohne sich ihnen hinzugeben. Wenn man seine Ängste vor dem Unbewussten überwinden und sich fallen lassen kann, dann bekommen diese Fakten ein Eigenleben. Es kann passieren, dass man von den Vorstellungen so gepackt wird, dass man wirklich verrückt oder fast verrückt wird. Die Bilder formen einen Teil der uralten Mysterien. Es sind genau Fantasien, die die Mysterien geschaffen haben.19
In seinem Schlusswort zu Das Rote Buch schrieb er fast ein halbes Jahrhundert später, dass er tatsächlich verrückt geworden wäre, wenn er es nicht geschafft hätte, die überwältigenden Kräfte der ursprünglichen Erlebnisse zu absorbieren. Manche der Prozesse, die er dadurch entwickelte, sind für uns alle geeignet. Er schrieb sich durch die Phase hindurch, indem er alles notierte und dann seine Tagebücher schrieb. Er suchte nach und schuf Bilder der Ausgewogenheit und Integration, aus denen eine faszinierende Reihe von Mandalas wurde. Und er entwickelte