Traum-Heiler. Robert Moss A.
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Als der begabte Analytiker und Jungianer Robert Bosnak in der Zentralwüste meines Heimatlands Australien umherreiste, wollte er die Handhabung des Träumens der Pitjantjara verstehen lernen. Er sprach durch einen Dolmetscher mit einem »Spirit-Mann«, von dem gesagt wurde, er wüsste alles über das Träumen und die Traumzeit. Um das Eis zu brechen, versuchte Bosnak, seine eigene Traummethode zu erklären. Ich weiß nicht, wie das in der Sprache des Aborigines herüberkam. Der Spirit-Mann saß ungerührt da und wischte nur von Zeit zu Zeit die Fliegen weg. Als Bosnak ihn bat, ihm zu erklären, wie er mit Träumen arbeitete, lautete die Antwort durch den Dolmetscher: »Er wird zu einem Adler.« Als der Jungianer die Bedeutung dieser Aussage klären wollte, wurde der Satz nur wörtlich wiederholt: »Er wird zu einem Adler.«1
Es war eine nüchterne Aussage, die nur wenig mit archetypischen Symbolen zu tun hat. Als der Schamane der Aborigines sagte, er würde zu einem Adler, meinte er genau das: Er bewegte sich in seinem Traumkörper als Adler umher, sah mit scharfen Adleraugen und flog zu den Orten, die er aufsuchen musste.
Die amerikanische Träumerin, die mit dem Adler flog und in den Fluss tauchte, tat durch den spontanen Schamanismus des Träumens etwas Ähnliches. Träumen ist Reisen im Sinne der uralten Naturvölker, und solche Reisen beschränken sich nicht auf eine Form. Wenn man mit einem Adler fliegt, will man nicht zu viel Zeit darauf vergeuden, den Adler als Symbol zu erörtern. Man will die Verbundenheit feiern, etwas erschaffen oder finden, das man bei seinen Alltagsproblemen als Traum-Talisman behalten oder bei sich führen kann und das einen an die eigene Fähigkeit erinnert, sich auf eine höhere Perspektive zu schwingen und »viele Blicke weiter« zu schauen. Diese Formulierung stammt von den Irokesen, den Leuten des Longhouse, die den Adler auf ihren hohen Friedensbaum gesetzt haben, damit er wachen und vor Dingen warnen kann, die sich in der Ferne andeuten.
Der Vogel, der mir in meiner Kindheit am Vertrautesten war, war der Seeadler. Er ist in Nordaustralien und auch an der Nordküste von Schottland, der Heimat meiner Ahnen väterlicherseits, heimisch. Auf den Orkneys wurden Schamanen früher mit einem Seeadler begraben. Für die Inselbewohner der Torres Straits ist der Seeadler der bevorzugte Verbündete des zogo le, des Schamanen. Zwar habe ich den Großteil meines Erwachsenenlebens außerhalb von Australien verlebt, doch in den wichtigen Träumen kommt der Seeadler manchmal und verleiht mir Flügel, um in meine Heimat zurückzufliegen und etwas zu sehen, was ich sehen muss.
IN JEDEM, DER TRÄUMT,
STECKT EIN KLEINER SCHAMANE
Die Essenz der Fähigkeit des Schamanen zu reisen und zu heilen ist seine Fähigkeit, kraftvoll zu träumen. Im modernen Alltag stehen wir am Rand dieser Fähigkeit, wenn wir träumen und uns daran erinnern, etwas mit unseren Träumen zu machen.
Wir alle träumen, und wie die Kagwahiv aus Brasilien sagen: «Jeder, der träumt, ist ein kleiner Schamane.« Unsere Träume zeigen uns, wie weit wir gehen können und wann die Zeit für uns gekommen ist, uns auf tiefere Reisen zu begeben. »Die Arbeit wird dir zeigen, wie es geht«, lautet ein estländisches Sprichwort. In Bezug auf die Seele können wir sagen: Der Traum wird dir zeigen, wie du deine Seele heilen und nähren kannst.
Wenn Sie mehr darüber wissen möchten, was Träume sein können, dann sehen Sie sich näher an, was »Traum« in verschiedenen Sprachen bedeutet. Sie werden Hinweise darauf finden, was Träumen für unsere Ahnen bedeutete, bevor wir die Achtung vor Träumern und den Kontakt mit dem Träumen verloren haben.
Für ein träumendes Volk aus Venezuela, die Makiritare, ist der Traum eine »Reise der Seele« (adekato).
Laut dem alten Stamm der Assyrer ist ein Traum ein Zephyr, eine sanfte Brise, die durch das Schlüsselloch oder die Türritze weht und in Ihr Ohr flüstert.
Für die alten Ägypter war ein Traum ein »Erwachen« (rswt).
Nach griechischen Schriften des Altertums ist ein Traum ein »spiritueller Bote« (oneiros), der aus der Republik der Träume (Demos Oneiron) kommt
Im Altenglischen war ein Traum »Fröhlichkeit« und »Träumerei« der Art, die man erleben kann, wenn man zu viele Kelche Wein gebechert hatte. Doch zu Chaucers Zeiten bedeutete dasselbe Wort mit einer anderen, nördlichen Ableitung auch eine Begegnung mit den Toten. Und wie in Nordeuropa (dem deutschen Traum, dem holländischen droom und so weiter) leitet sich das englische Wort dream, das uns überliefert wurde, vom Altgermanischen Draugr ab, was einen Besuch der Toten bedeutet.
Wie der bedeutende Ethnograf des Indianervolks der Tuscarora, J. N. B. Hewitt, ausführt, bedeutet das alte irokesische Wort katera’swas zwar »ich träume«, doch es deutet noch viel mehr an als nur das, was wir normalerweise damit meinen. Katera’swas drückt das Träumen als Gewohnheit aus, als täglichen Teil des Auf-der-Welt-Seins. Der Ausdruck birgt auch die Nebenbedeutung von aktiver Glücksbringung - also: Ich bringe mir Glück, weil ich durch meine Träume Glück und Wohlstand manifestieren kann. Der verwandte Begriff watera’swo bedeutet nicht nur »Traum«, sondern lässt sich auch übersetzen mit: »Ich beschaffe mir Glück.«2 Wie frühe jesuitische Missionare berichteten, glaubten die Irokesen daran, dass das Vernachlässigen von Träumen Unglück bringen würde. Jean de Quens notierte während eines Besuchs bei den Onondaga: »Den Leuten wird gesagt, wenn sie ihre Träume missachten, werden sie Unglück haben.« Wenn Sie also Glück haben wollen, dann sollten Sie viel träumen.3
Unter den Stämmen der Dene werden dieselben linguistischen Begriffe verwendet, um Träume, Visionen und spontane Erscheinungen sowie Trancezustände auszudrücken.4 Das deutet darauf hin, dass sie alle den Träumer an denselben Ort - den Ort, an dem Schamanen tätig sind - bringen können. Unter den Wind River Shoshone bedeutet das Wort navujieip »Seele« und »Traum«. »Navujieip« wird lebendig, »wenn Ihr Körper ruht und in irgendeiner Form erscheint.«5
Im schottischen Gälisch findet sich ein reichhaltiger und spezieller Wortschatz für viele verschiedene Formen des Träumens und Sehens und der übersinnlichen Phänomene. Die beste Literaturquelle hierfür ist das Werk des Pastors John Gregorson Campbell, der Ende des neunzehnten Jahrhunderts auf der schottischen Insel Tiree gelebt hat. Er sammelte die mündlichen Überlieferungen gälischer Sprecher und verewigte sie in zwei Büchern, Superstitions of the Highlands and Islands of Scotland (1900) und Witchcraft and Second Sight in the Highlands and Islands of Scotland (1902).
Der Begriff da-shealladh (wird ungefähr »Dej-hejlouw« ausgesprochen) lässt sich häufig als »zweite Sicht« übersetzen, was buchstäblich »zwei Sichten« bedeutet. Er bezieht sich auf die Fähigkeit, Erscheinungen von Lebenden und Toten zu sehen. Der taibshear (»Teischer« ausgesprochen) ist der Seher, der sich darauf spezialisiert, das Energiedoppel (taibhs) zu beobachten. Ein Traum oder eine Vision ist ein bruadar (»Bru-itar«). Der bruadaraiche (ungefähre Aussprache: »Bru-i-teretscher«) ist mehr als nur ein Träumer im gewöhnlichen Sinne. Er ist die Art von Träumer, der in die Vergangenheit oder Zukunft sehen kann. Das ist ein Kleinod, das der näheren Untersuchung wert ist. Die Tiefe des Praktizierens von Träumen in einer Kultur spiegelt sich in ihrem aktiven Vokabular für solche Dinge. Ich bin mir zwar nicht sicher, ob die heutige deutsche Sprache ein einziges Wort zur Verfügung stellt, das so reichhaltig wäre wie bruadaraiche, aber ich bezweifle, ob wir den schottischen Begriff importieren können, da er (zumindest so, wie er von meiner Zunge rollt) nach etwas klingt, das in einem Schafsmagen gekocht worden ist.
Die hawaiische