Aufbruch im Miriquidi - Chemnitzer Annalen. Gerd vom Steinbach

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Aufbruch im Miriquidi - Chemnitzer Annalen - Gerd vom Steinbach

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      „Weil es hier gewiss nicht immer so friedlich ist, mein Mädchen. Wie sollen wir denn hier die Ungarn abwehren. Da müssten wir doch den Waldrand stets und ständig in alle Richtungen bewachen. Wer soll denn dann noch Häuser bauen und die Felder bestellen? Nein, wir ziehen weiter zu den Unsrigen.“ Die Kleine seufzt:

      „Hoffentlich sind wir bald da!“ Auf einmal zeigt sie aufgeregt nach rechts: „Sieh doch, Vater, dort oben auf dem Bergen!“ Erstaunt blickt er auf, auf einer bewaldeten Höhe stehen Hütten, die von Palisaden umzogen ist. Trutzig wirkt der Block und stolz. Die am Hang wachsenden Bäume scheinen die Festung zu tragen. Umso mehr verwirrt es Hildebrand, dass die Wegmarkierung keinesfalls dorthin führt, sondern fast die nördliche Ausrichtung beibehält.

      „Haalt!“, gellt sein langgezogener Ruf über die Fuhrwerke und bringt die Gespanne zum Stehen. „Ihr bleibt am Wagen, es wird nicht abgestiegen!“, weist er Frau und Tochter an, bevor er zu Reinhold an den ersten Wagen stapft. Rudolf, der trotz seiner Bandagen vorsichtig vom Bock geklettert ist, will sich ihm anschließen, doch gibt er sein Vorhaben schnell auf, da er mit dem Älteren nicht Schritt halten kann.

      Reinhold schaut dem Treckführer entgegen und als der in Rufweite ist, weist er auf die Festung:

      „Lässt du deswegen halten?“ Der Ältere nickt.

      „Es ist doch merkwürdig, dass uns die Sorben daran vorbeiführen!“

      „Die Festung scheint verlassen zu sein. Wenn dort unsere Leute wären, hätten sie uns gewiss jemanden herübergeschickt.“ Reinhold kneift die Augen zusammen und sucht die Gegend nach einem Reiter ab.

      „Es ist mir zu ruhig.“

      „Kann das nicht eine Festung der Sorben sein?“

      „Die Sorben bauen anders“, wehrt Reinhold ab, „die Burg ist ganz sicher von unseren Leuten errichtet.“

      „Das muss aber lange her sein“, ertönt Ludwigs Jungmännerstimme von hinten, „rechts sind die Dächer eingestürzt und es sieht alles recht verfallen aus.“ Ludwigs Augen scheinen um einiges schärfer als die der beiden anderen.

      „Wenn die Burg besetzt wäre, käme uns längst ein Bote entgegen. Aber es scheint alles totenstill“, bekräftigt Reinhold die Worte seines Sohnes.

      „Trotzdem scheint es mir bedenklich, dass uns noch immer keiner der Unseren entgegenkommt, wo doch die Sorben einen Boten geschickt haben wollen. Vielleicht ist die Burg dort oben doch unser Ziel und die Sorben, oder wer auch immer, haben unsere Krieger verjagt.“

      „Das können wir leicht in Erfahrung bringen“, meint Hildebrand entschlossen, „wir schicken einen Kundschafter hin, oder besser zwei. Laufe zu Theo, Ludwig, er soll mit Heinrich zu mir kommen.“ Der Junge springt mit einem Satz auf den Boden und macht sich eilig auf den Weg.

      Gunhild ist derweil aus dem Wageninneren gekommen und auf den Bock geklettert. Sie schaut nun auch auf die Bauten. Das dralle Weib streicht ihre strohblonden Locken aus dem Gesicht und zieht die Stirn kraus. Eine Schönheit ist sie gerade nicht, aber ihre Züge verraten Tatkraft und Gewitztheit.

      „Frag doch mal Mutter Hildburga, ob das eines jener Kastelle ist, die in alten Zeiten von unserem Volk im Osten errichtet wurden“, mischt sie sich in das Geplänkel. „Wir haben solche Bauten schon gesehen, als wir als Händler zur Elbe zogen. Stimmt es, Reinhold?“ Ihr Mann pflichtete ihr nickend bei.

      „Ja, wo du es sagst, kannst schon recht haben. An der Saale und der Pleiße waren diese Festungen ganz aus Holz – na ja, was davon noch übrig war. Sie müssen mehr als hundert Jahre überstanden haben.“ Hildebrand kratzt sich den Schädel.

      „Das muss ein gutes Holz gewesen sein, wenn es hundert Jahre überstanden hat.“

      „Ach was, wenn die Häuser bewohnt und bewirtschaftet werden, halten sie länger als hundert Jahre“, hält Gunhild entgegen. „Ihr habt doch auch nicht für jeden Sprössling ein neues Haus gebaut! Nur was verlassen ist, ist dem Verfall preisgegeben.“

      „Also gut“, erwidert der Kolonnenführer, „fragen wir die Alte. Ich möchte nur wissen, woher sie über jene Feste dort befinden soll? Sie ist doch ihr ganzes Leben kaum aus unserem Tal herausgekommen.“

      Schneller als man es Gunhild zutraut, ist sie vom Wagen geklettert und tritt auf Hildebrand zu.

      „Es passt dir wohl nie so recht, den Rat eines Weibes einzuholen?“ Der Gerüffelte schmunzelt das kräftige Weib gutmütig an.

      „Nee, es passt mir überhaupt nicht, wenn die Weiber in Männersachen reinreden. Trotzdem versucht es meine Frau immer wieder.“ Dann wird er ernst: „Es ist mir völlig einerlei, von wem ein Rat kommt, wenn er nur gut ist. Man muss halt darauf achten, dass der Rat auch tatsächlich gut ist.“

      Die drei gehen zum zweiten Wagen. Rudolf sitzt allein auf dem Bock und blickt den Ankommenden entgegen. Von Hildburga, die sonst immer an seiner Seite sitzt, ist nichts zu sehen. Gunhild schaut zu ihm auf und kann sich nicht verkneifen, den zu Starrheit Verdammten zu necken.

      „Na, du geschnitzter Holzscheit, deine Begleiterin ist wohl auf und davon, weil du ihr nicht elegant genug den Hof machst, wie?“

      „Halte dein loses Maul. Meinst du, es macht Spaß, wenn man sich kaum bewegen kann? Trotzdem bin ich froh über den straffen Verband, sonst wäre ich ausgelaufen wie ein leckes Fass. Hildburga hat mich fein zusammengeflickt, doch nun liegt sie unter den Fellen, weil sie die Kälte nicht mehr verträgt.“

      Hildebrand schiebt sich an seinen Begleitern vorbei und legt die Hand auf das Kastenbrett.

      „Wir brauchen Mutter Hildburga. Wenn uns die Ideen ausgehen, muss halt die Weisheit der Alten herhalten.“ Und lauter setzt er nach: „He, Mutter Hildburga, zeige dich, du wirst gebraucht!“ Unter der Plane ist das Rascheln der Decken zu hören, gleich darauf zeigt sich das runzelige Gesicht. Kalkweiß bildet es zum dunklen Schultertuch einen starken Gegensatz, der es noch spitzer erscheinen lässt, das silberne Haar liegt in dünnen Strähnen am Kopf, die Augen blinzeln mühevoll in das grelle Tageslicht.

      Gunhild stößt erschrocken die Luft durch die Nase.

      „Oh Gott, Hildburga, wie siehst du denn aus? Du bist ja krank!“ Keuchend hüstelt die Alte, als verschließe ihr ein Kloß den Hals, würgt sie hervor:

      „Es scheint mich erwischt zu haben. Das muss das kalte Fieber sein. Mir dreht sich alles vor den Augen.“ Sie hustet krächzend und fährt heiser fort: „Seit Jahren war ich kerngesund. Ausgerechnet jetzt holen mich solche Beschwerden ein, es ist ein Jammer!“ Rudolf legt ihr behutsam die Hand auf die Stirn.

      „Heiß bist du nicht. Du wirst dich unterkühlt haben“, stellt Gunhild besorgt fest. „Du brauchst etwas Heißes zu trinken und musst dich wieder hinlegen. Nicht auszudenken, wenn du so kurz vor dem Ziel schlapp machst.“ Hildebrand unterbricht das Gespräch:

      „Du kannst gleich wieder unter deine Decken kriechen, Alte. Matthias hat einen Kater mit, der kann dich wärmen. Der ist zwar alt wie Methusalem, aber da passt er ja zu dir.“

      „Unsinn“, brummt Reinhold, „ich habe heiße Steine geladen, das habe ich mir schon vor Jahren zur Gewohnheit gemacht. Zwischen den Fellen hält ihre Wärme lange an. Dorthin legen wir Mutter Hildburga!“ Die Kranke nickt, die Idee behagt ihr.

      „Hast

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