Beatrice – Rückkehr ins Buchland. Markus Walther

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Beatrice – Rückkehr ins Buchland - Markus Walther Buchland

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gänzlich. Dennoch hielt er kurz inne, legte den Kopf schief, als ob er lauschen würde. „Manchmal, wenn ich in Räumen mit so viel Literatur stehe, kommt es mir vor, als ob die Bücher wispern würden.“ In einem verschwörerischen Tonfall wandte er sich an Anne und ihre Sitznachbarin: „Hört ihr das auch?“

      Bea kniff misstrauisch die Augen zusammen. Wispernde Bücher. Was für ein Spiel wurde hier gespielt? „Sind Sie ein Auktoral?“, entfuhr es Bea.

      „Was?“ Quirinus war mit zwei langen Schritten bei ihr. „Was haben Sie gesagt? Auktoral? Nein, das bin ich nicht. Ich bin Quirinus. Hab’ mich doch eben vorgestellt … Wie war nochmal Ihr werter Name?“

      „Beatrice“, sagte Bea. Ihr Hals wurde plötzlich ganz trocken. Sie krächzte fast, als sie ihren Namen ganz aussprach. „Beatrice Liber.“

      „Ja ups! Da habe ich ja ein kleines Fettnäpfchen erwischt.“ Quirinus warf noch einen kurzen Blick auf das Buch in seiner Hand, gluckste vergnügt und legte es dann auf eine englische Originalausgabe von Peter und Wendy.

      Der Tanz durch das Antiquariat endete jäh. Der ungewöhnliche Besucher schien sich seines Outfits zu erinnern. Die Körperhaltung ähnelte unvermittelt einem Fragezeichen und die eben noch wild gestikulierenden Hände verschwanden in der Bauchtasche des Kapuzenshirts. „Leserunde mit Kindern, was?“

      „Ja. Einmal die Woche immer um die gleiche Zeit“, erklärte Bea mechanisch. Sie hatte plötzlich den unbestimmten Drang, ihn möglichst schnell loszuwerden. „Aber ich vermute, dass Sie nicht in diese Altersgruppe passen werden.“

      „Ich?“ Quirinus lachte erneut. „Nein. Beileibe nicht. Andererseits … Vielleicht darf ich meine … ähm …“ Egal, wen er gerade anmelden wollte: Er war sich über seine verwandtschaftlichen Beziehungen dazu nicht sicher. Hier improvisierte jemand ganz eindeutig, mehr schlecht als recht, seine Rolle in einer billigen Komödie. „… ähm … meine … meine Cousine bei Ihnen unterbringen?“

      „Cousine“, wiederholte Bea und zog unmissverständlich eine Augenbraue hoch. „Sie sind also hier, um Ihre Cousine für die Leserunde bei mir anzumelden. Wollten Sie sich nicht eben erst nur als neuer Nachbar vorstellen?“

      „Scharfsinnig beobachtet! Die Idee mit meiner … Cousine kam mir gerade. Vielleicht darf ich sie Ihnen kurz vorstellen?“

      Beas Augenbraue wanderte wieder nach unten, weil sie die Stirn krauszog. „Sie haben Ihre Cousine mit dabei?“

      In Quirinus’ Körper zeigte sich erneut Leben. Allerdings ohne die für andere unhörbare Musik in den Knochen. Er schlurfte zur Tür, ließ den Hals dabei nach vorne wippen und parodierte auf diese Weise perfekt eine Comicfigur. ‚Goofy geht nach Entenhausen‘, durchfuhr es Bea bei diesem Anblick.

      Die Ladentür öffnete sich. Die Ladentür schloss sich. Dann war Bea mit den Kindern wieder allein.

      „Was war das denn für ein Affe?“, fragte Kevin.

      „Affe?“ Anne reckte ihren Hals, um den Fremden durch das Schaufenster zu beobachten. „Mir kam er mehr wie eine Ziege vor. Er springt und hüpft die ganze Zeit über.“

      Ronald schüttelte den Kopf. „Er hat doch nicht gemeckert.“

      „Hab’ ich ja auch nicht behauptet.“ Anne knuffte Ronald in den Oberarm. „Aber er bewegt sich so.“

      „Wo ist er hin?“, fragte Kevin. Er war inzwischen aufgestanden und blickte über die Auslage hinweg auf die Straße. Weder zur einen noch zur anderen Seite konnte er Quirinus entdecken. „Wie vom Erdboden verschluckt“, stellte der Junge verblüfft fest. Jedoch just in dem Augenblick, als er sich zu Bea umwandte, öffnete sich die Tür und Quirinus war wieder da.

      Neben ihm stand unscheinbar ein Menschlein. Anders hätte es auf den ersten Blick niemand bezeichnen können. Bei genauerer Betrachtung erkannte man, dass es sich um ein kleines, unproportioniertes Mädchen handelte. Die winzig kleinen Füße steckten in schwarzen Ballerinas. Darüber streckten sich spindeldürre Beinchen in die Höhe. Doch sie endeten viel zu früh in einem knabenhaften Leib, der von einem schlichten, an einen grauen Sack erinnerndes Kleidchen bedeckt wurde. Der etwas zu große Kopf, getragen von einem dünnen, kurzen Hals, war bewachsen von schwarzem Gestrüpp, das mehr einem Reisighaufen ähnelte als Haaren. Riesige Augen, so blau wie der Himmel, schauten in einer beinahe ausdruckslosen Melancholie aus dem Gesicht. Nur die überaus süße Stupsnase verdiente irgendwie das Wort hübsch.

      Da niemand ein Wort sprach, entstand eine peinliche Stille. Bea beschloss, dass sie diese Lücke schließen musste. Sie ging behutsam in die Hocke und fragte das Kleine: „Na, wie heißt du denn?“

      Das Mädchen antwortete nicht, wich aber einen Schritt zurück. Bea fiel allerdings sofort auf, dass das Mädchen keinen Schutz hinter Quirinus suchte. Ganz im Gegenteil: Es hielt reichlich Abstand.

      „Fremdelt ein wenig“, erläuterte Quirinus fröhlich und zog das Kind zu sich heran. Väterlich legte er die Hand auf dessen Schulter. Diese Geste wirkte ziemlich aufgesetzt. Ohne Gegenwehr, aber auch ohne jegliche Emotion, ließ sich das Kleine an sein Bein heranziehen, schmiegte nun sogar seinen Kopf an Quirinus’ Oberschenkel. „Aber vermutlich wird sie nach der ersten Lesestunde auftauen.“ Quirinus strich etwas unbeholfen über ihre Haare. Dann, fast wie zufällig, schaute er auf seine Armbanduhr und rief: „Ach, schon so spät? Ich muss doch ins Geschäft. Ich erwarte eine wichtige Lieferung. Hermeias – äh – Herr Meier bringt mir heute einige Kisten Rucksackgrammophone. Sehr nützlich! Sie sollten sich unbedingt auch eins zulegen, Frau Liber! Immerhin kann man damit, egal wo man gerade ist, die eigene Musiksammlung anhören. Jedem Käufer spendiere ich gratis ein paar weiße Lautsprecher dazu. Ein Angebot, das man kaum ausschlagen kann. Schauen Sie mal vorbei.“

      Während er sprach, hatte er bereits den Rückwärtsgang eingelegt. Mit dem letzten Wort hatte er die Tür erreicht und mit dem Punkt am Ende des Satzes war er schon auf die Straße entschwunden. Einsam zurückgelassen stand einzig noch das Mädchen.

      „Herr Quirinus! Die Leserunde ist doch …“, rief Bea ihm nach. Als ihr bewusst wurde, dass der Mann schon außer Hörweite war, brachte sie ihre Rede leiser zu einem Ende: „… fast vorbei.“

      Es blieb nur eine Viertelstunde, die sie gemeinsam mit Lyra und Pantalaimon im Oxford einer fremden Welt verbrachten. Während Bea vorlas, schaute sie manchmal verstohlen über den Rand der aufgeschlagenen Seiten. Das Kind, das Quirinus bei ihr buchstäblich geparkt hatte, saß still und stumm zwischen den anderen im Schneidersitz. Vollkommen reglos, die Hände im Schoß gebettet, ließ sie sich von der Geschichte berieseln.

      Sie schafften ein Kapitel, dann kamen die Eltern, um ihre Kinder abzuholen. Dabei schwatzten sie ein oder zwei Sätze mit Bea und kauften sogar ein paar Bücher. Das geschah mehr aus Höflichkeit, denn Bea nahm nichts fürs Vorlesen. Es war so eine Art indirekte Bezahlung für ihre Mühen.

      Schließlich blieben nur das Mädchen und Bea zurück. „Tja, Liebes. Jetzt wüsste ich schon gerne, wann dein … Cousin …“ Mann, was hörte sich das falsch an! „… vorhat, dich abzuholen. Ich weiß nicht mal, wie du heißt.“

      Rachel, durchfuhr es Bea. Rachel wäre jetzt ungefähr im Alter von diesem Kind. Wie kam sie denn jetzt da drauf? Dieser Gedanke war wie eingepflanzt. Ein fremdes, namenloses Mädchen würde sie bestimmt nicht automatisch wie ihre verstorbene Tochter nennen. „Wie heißt du?“

      Eine Antwort blieb das Mädchen schuldig. Es schaute an Bea vorbei in den benachbarten Raum.

      „Das

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