Beatrice – Rückkehr ins Buchland. Markus Walther

Чтение книги онлайн.

Читать онлайн книгу Beatrice – Rückkehr ins Buchland - Markus Walther страница 7

Автор:
Серия:
Издательство:
Beatrice – Rückkehr ins Buchland - Markus Walther Buchland

Скачать книгу

Minute zu Minute. Vielleicht würde es nicht schaden, mal die tatsächliche Bedeutung des Namens Chaya zu recherchieren.

      Quirinus schien in ihren Augen zu lesen und beschloss daraufhin eilig das Thema zu wechseln. „Wo Sie gerade hier sind: Möchten Sie sich mal in meinem Reich umsehen? Es gibt hier bestimmt einige spezielle Schaustücke, die auch Ihr Interesse wecken könnten.“

      Bea bedachte den ausgestopften Eberkopf mit ungeschminkter Geringschätzung. Ihre Ironie konnte sie auch kaum verbergen. „Ich bin schon ganz neugierig. Aber …“ Sie schob demonstrativ den Ärmel hoch und deutete auf ihre Armbanduhr. „Ich muss zurück in meinen Laden.“

      „Ach, kommen Sie!“ Quirinus drückte Chaya zur Seite und packte Bea bei der Hand. Wie ein Verliebter, der mit seiner Angebeteten in den Siebten Himmel flüchten wollte, zog er sie durch eine Tür in einen angrenzenden Raum. „Photos“, rief er. Bea hatte keine Ahnung, wie er es schaffte, dass man das „Ph“ so deutlich hören konnte. Doch der Unterschied zum folgenden Satz war eindeutig. „Und Fotos gibt es hier auch. Zusätzlich gibt es hier auch noch Fotografien.“ Er lachte.

      Das Licht war um ein Vielfaches trüber. Die Luft selbst atmete einen Hauch von Sepia. Aber Quirinus hatte nicht übertrieben: Beas Interesse war geweckt. Dieser Raum präsentierte sich als eine Hommage an die Ikonographie. Die Regale, die sich wie in ihrem Bücher-Antiquariat bis unter die Decke hoben, waren überfüllt mit Rahmen und kartonierten Bildern. Alben und Kartons drängten sich dazwischen. Außerdem gab es allerhand Tische, auf denen Kameras, Projektoren und Entwickler mehr oder minder dekorativ angeordnet waren. Die Geräte stammten aus allen möglichen und unmöglichen Epochen. Ein Fotoapparat schien Herrn Feuerstein gestohlen worden zu sein.

      „Ich finde, dass Fotos etwas ganz Besonderes sind. Diese alten Papierzeugen sind ebenso kostbar wie Ihre alten Bücher. Sie sind nicht zu vergleichen mit der digitalen Welt, die heutzutage von jedem Billighandy abgelichtet wird.“

      Bea bewies sich als gehorsamer Stichwortgeber. „Warum?“

      Quirinus lächelte. „Schauen Sie sich dieses alte Foto an. Es ist ungefähr 100 Jahre alt. Schwarz und weiß. Von dieser Familie mit dem gestrengen Patriarchen gibt es nur noch diese eine Abbildung. Ich möchte wetten: Jeder Angehörige der Sippe hat weit mehr als nur einmal einen Blick darauf geworfen. Unzählige Male hat es sich in die Gedächtnisse eingebrannt. Es ist zu einem Stück Familiengeschichte geworden. Wenn heute jemand ein entsprechendes Foto macht und es im Internet teilt, wird es für den Augenblick vielleicht tausendfach wahrgenommen. Aber in einer Stunde haben es bereits alle wieder vergessen. Was ist schon ein Foto, wenn jeder Depp täglich zwanzig Bilder macht? Mancher teilt sogar seine Portion Pommes mit Majo im Web.“

      „Sie erinnern mich an einen alten Herrn, den ich mal kannte“, merkte Bea an. „Er hatte eine sehr ähnliche Meinung. Jedoch in Bezug auf Bücher.“

      Quirinus lächelte hinterlistig. Wie dieser Ausdruck zu deuten war, verriet er allerdings nicht. Stattdessen dozierte er weiter. „Bücher! Ja. Ich habe auch einen Verkaufsraum für Bücher.“ Er stellte das Foto halbwegs sorgsam zurück an seinen Platz im Regal. „Kommen Sie!“ Er führte Bea in den benachbarten Raum. Der war ebenso groß, ebenso angeordnet und ebenso chaotisch bestückt. Doch die Thematik der Ausstellungsstücke hatte nichts mehr mit Fotografie zu tun. Es waren ausnahmslos …

      „… Bücher!“, rief Quirinus. „Ich habe zwar noch lange kein lückenloses Sortiment, so wie Sie. Aber das gedruckte Wort wird bestimmt irgendwann zu einem Kuriosum. Dann gehört es gänzlich in meine Lokalität. Alles, was mit Kultur zu tun hat, erlebt in diesen Tagen eine wahre Inflation, denke ich.“ Eine kurze Pause folgte. „Wie hieß denn der weise Mann, den Sie vorhin erwähnten?“

      „Das war Herr Plana.“

      „Herr Plana?“ Quirinus kicherte spitzbübisch. „Ich kannte ihn. Nicht gerade ein Sympathieträger, der Gute. Aber ich mochte ihn trotzdem. Er war ein bisschen wie ich. Aber alles in allem war er mir zu – wie sagt man? – moralin. Philosophie ist was für Leute, die zu viel Zeit haben. Ich habe nie Zeit.“

      „Sie kannten ihn? Sie meinen bestimmt, Sie kennen ihn aus meinem Buch, oder?“

      „Aus Ihrem Buchland?“ Quirinus begann wieder damit, auf der Stelle zu tänzeln. Irgendetwas erheiterte ihn auf das Heftigste.

      „Ja“, sagte Bea ungeduldig, „ich bin die Schriftstellerin.“

      „Oh, Sie dürfen sich schon Schriftstellerin nennen? Oder sind Sie vielmehr noch eine Autorin? Ein Buch allein macht per Definition doch noch keinen Schöngeist.“

      Beinahe hätte Bea ein unartikuliertes „Häh?“ von sich gegeben. Es geriet zu einem unterdrückten Schnauben.

      Quirinus kratzte sich am Hinterkopf. „Wie soll ich es erklären? Vielleicht so: Sie atmen. Das kommt von ganz allein. Sie müssen es zwar tun, aber Sie denken für gewöhnlich nicht darüber nach. Eine unbewusste Handlung Ihres Körpers.

      Eines Tages – und ich will nicht behaupten, dass dies ein Glückstag für Sie sein wird – werden Sie genau so unbewusst Literatur im Kopf haben. Alles, was um Sie herum passiert, werden Sie dann im Geiste mit Worten ausformulieren. Sie werden bei jedem Gespräch, das Sie führen, überlegen, wie diese Szene Ihres Lebens in einem Buch lauten würde. Dann beschreiben Sie wortgewandt, was Ihr Gegenüber tut, wie es aussieht, obwohl Sie es direkt vor sich stehen sehen. Und jedem Moment, jeder Situation, der Sie sich stellen, begegnen Sie mit der Frage: Was wäre wenn?

      Das wird geschehen. Nicht, weil Sie es so wollen. Nicht, weil Sie es können. Nicht, weil Sie es müssen. Sie werden es einfach tun. Genauso wie Sie gerade atmen, ohne einen Gedanken daran zu verschwenden.

      Wenn es so weit ist, dann kennen Sie den Unterschied zwischen einem Autor und einem Schriftsteller.“

      Beatrice zuckte mit den Schultern. Aus Prinzip wollte sie auf diese kleine polemische Rede nicht eingehen. Bei Herrn Plana hätte sie diese Belehrung vielleicht ernst genommen. Doch dieser Typ hier vor ihr … Nein, das war ihr zu aufgesetzt. Mit aller zur Verfügung stehenden Ignoranz ging sie an Quirinus vorbei, griff nach einem zerfledderten Buch auf einem Tisch und blätterte demonstrativ lustlos darin herum. Als sie es wieder zuschlug, ohne tatsächlich ein Wort gelesen zu haben, blieb ihr Blick auf dem Titel kleben. Überrascht las sie den angeblichen Autor.

      Vorsichtig, als könne der Einband plötzlich explodieren, legte sie Romeo und Julia von Edward de Vere zurück an seinen Platz. Daneben entdeckte sie Sir Francis Bacons Don Quichote.

      „Sind das Scherzartikel?“

      Quirinus hüpfte an ihre Seite und lachte. Dann erkämpfte er sich ein ernstes Gesicht und sagte mit dunkler Stimme: „Sehe ich aus wie ein Komödiant?“

      „Aber Romeo und Julia wurde von William Shakespeare geschrieben!“

      „Wirklich?“ Quirinus legte den Zeigefinger auf den eingeprägten Namensschriftzug. „Aber hier steht doch deutlich ein anderer Name gedruckt. Wie könnte Gedrucktes lügen?“

      „Was ist denn das für eine Begründung? In meinem Antiquariat gibt es unzählige Ausgaben von Romeo und Julia, wo Shakespeare als Urheber verzeichnet ist.“

      „Tja, die Sache mit der Wahrheit. Mit Herrn Plana hätte man da stundenlang drüber diskutieren können. Vorausgesetzt er ließe eine Meinung neben der eigenen zu.“ Quirinus ging einige Schritte tiefer in den Raum. „Möchten Sie sich nicht noch etwas mehr umschauen? Vielleicht finden Sie ein paar gut erhaltene

Скачать книгу