Beatrice – Rückkehr ins Buchland. Markus Walther

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Beatrice – Rückkehr ins Buchland - Markus Walther Buchland

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fühlte sich immer noch leicht fiebrig, doch langsam aber sicher kam das Leben zurück in ihre Glieder.

      „Tja“, sagte Ingo zögerlich. Er hatte sich ans Fußende gesetzt und massierte ihr die Waden. „Wie es aussieht, müssen wir unsere Aufräumaktion noch um einen Tag verschieben.“

      „Prokrastinieren“, murmelte Bea.

      „Pro kastrieren? Was redest du?“

      Bea brachte ein dünnes Grinsen zustande. „Prokrastinieren. Das sagt man, wenn man unangenehme Dinge aufschiebt.“

      „Ich sag’s ja: Du liest zu viel. Auf solche Worte kommt man nur, wenn der Sprachschatz aus der Truhe hüpft.“

      „Bist du mir böse?“

      „Wegen des Kastrierens?“

      Bea schüttelte den Kopf. „Dummerchen. Wenn wir das Aufräumen verschieben, bist du mir dann böse?“

      „Nur, wenn du mir nicht erzählst, was denn eigentlich passiert ist. Es scheint für dich ein ereignisreicher Tag gewesen zu sein.“

      Der Abend kam schnell, die Nacht folgte rasch. Während die Sterne am Himmel hochkrochen, erzählte Bea Ingo alles der Reihe nach, überging aber weitestgehend ihren Ausflug in den Keller. Sie wusste, dass sie ihn damit nur verstören würde. Ingo hörte aufmerksam zu, nickte hin und wieder, blieb aber schweigsam bis zum Schluss. Schließlich endete ihre Erzählung.

      „Hört sich an, als ob die Buchland-Geschichte doch noch weitergeht“, sagte Ingo. Er klang auf eine unbestimmte Art traurig. „Bist du dir sicher, dass du nicht schreibst?“

      Ein Hauch von Empörung lag in Beas Stimme: „Was? Ja!“ Als ob sie ihm so was nicht erzählt hätte.

      Ingo rieb sich nachdenklich den Nacken. „Ich weiß nicht. Ich kann mich an damals kaum noch erinnern. Unsere Zeit im Buchland, weißt du? Für mich verschwimmt das alles in einem Nebel. Mir kommt es manchmal vor, als wäre es nicht wirklich passiert.“

      „Vielleicht ist es nicht wirklich passiert“, sagte Bea, die sich diesbezüglich selbst nie vollkommen sicher war. Das war auch der Grund, warum sie ihr eigenes Buch immer und immer wieder las. „Ich bin die Protagonistin in meiner eigenen Geschichte gewesen. Das geht doch nicht.“

      „Irgendwie muss es ja passiert sein. Sonst würde uns jetzt nicht Planas Antiquariat gehören.“ Ingo zögerte. Doch da er sonst immer das Thema mied, wartete Bea ab, ob er noch mehr sagen wollte. Ein Seufzen leitete seinen nächsten Satz ein: „Das, was du geschrieben hast, wurde zur Realität. Deine Phantasie … Ähm. Nein …“ Er lächelte hilflos. Entweder konnte er es nicht in Worte fassen oder er wagte es nicht. „Bevor ich mich mit der Fortsetzung deines Romans auseinandersetze, sollte ich mich eventuell mit dem Original noch mal ins stille Kämmerlein begeben.“

      „Du willst mein Buch lesen?“

      „Wie sollen wir sonst vernünftig darüber reden?“

      „Gar nicht. Nicht, wenn es dir um eine Fortsetzung geht. Ich werde keine Fortsetzung schreiben. Fortsetzungen sind meistens kacke. Nur weil Buchland ein Fantasyroman geworden ist, muss das Teil ja nicht gleich in Serie gehen. Nicht jeder Mist muss eine Trilogie werden.“

      „Und was ist, wenn dir das Buchland gerade mitzuteilen versucht, dass du um das Schreiben der Geschichte nicht herumkommst?“

      „Schon klar. Ich mache einen simplen Abklatsch vom ersten Teil. Aber halt! Geht ja nicht. Herr Plana ist ja aus dem Reigen der Figuren ausgeschieden.“

      „Dafür hast du jetzt diesen Quirinus. Der könnte das Klugscheißen übernehmen.“

      „Sorry, dem fehlt es eindeutig an Klasse.“

      „Wenn es nicht um eine Fortsetzung geht, worum dann?“

      „Es wird einfach Zufall sein. Mir ist bestimmt nur der Kreislauf abgesackt, nachdem ich im Kuriosum etwas zu viel nachgedacht habe. Neue Abenteuer brauche ich nicht. Mir reicht es, Bücher zu verkaufen.“

      „Reicht das auch deinem Buchland? Und reicht es deinem Herrn Plana? Und reicht es dir wirklich? Ich nehme dir nicht ab, dass du nur Bücher verkaufen willst. Ich kenne dich dafür zu gut. Was willst du wirklich?“

      Bea verstand zunächst nicht, worauf Ingo hinauswollte, doch dann fiel der Groschen. „Herr Plana hätte gewollt, dass ich seinen Platz einnehme.“

      „Als Auktoral?“

      „Als Auktoral.“

      „Die eigentliche Frage war, was du willst.“

      „Ich weiß nicht. Kennst du das Gefühl, dass man etwas mit aller Macht haben oder machen will, aber man weiß nicht, was es ist?“

      Ingo blickte zum Kühlschrank, in dem früher allerhand Flaschen gestanden hatten. Er trank nicht mehr. – Nicht, weil er es nicht wollte, sondern weil er es nicht durfte. Doch das Verlangen nagte stetig an ihm. Manchmal zerfraß es ihn sogar. Er wusste also ganz genau, wonach es still in ihm schrie. Noch hatte er es im Griff, trotzdem war es da. Immer. „Ich kenne das Gefühl. So ungefähr.“

      Bea bezweifelte es. Wie sollte sie das, was ihr unbewusst seit Monaten durch den Kopf ging, in Worte fassen? Sie konnte es ja nicht mal für sich selbst benennen. „Ich kann dir nicht sagen, was fehlt. Etwas fehlt. Etwas, was man vermisst, obwohl man es nicht zwingend braucht. So wie draußen am Himmel gerade der Regenbogen fehlt.“

      „Es ist finsterste Nacht“, stellte Ingo irritiert fest.

      „Ja.“

      „Da kann gar kein Regenbogen sein.“

      Bea verdrehte die Augen. Wenn sie nicht in der Horizontalen gewesen wäre, hätte sie vermutlich sogar trotzig aufgestampft. „Ich hab doch auch keine Ahnung, wie ich es anders beschreiben soll. Vergiss es! Vielleicht ist es, weil … weil … Manchmal kommt es mir halt vor, als würde die Tapete an der Wand die Buchstaben der Welt verdecken. Die Realität versteckt nur die Phantasie.“

      „Und du denkst, du könntest diese Wirklichkeit mit der Schreibmaschine einfangen und verändern. Ist es nicht so? In deinem Roman hast du es damals so gemacht. Du könntest uns jetzt, wenn du dich an die Schreibmaschine setzen würdest, einen Porsche vor die Tür schreiben. Oder ein paar Millionen aufs Konto.“ Ingo schien dieser Gedanke tatsächlich zu gefallen.

      Ein Hauch von Ärger streifte Beas Züge. „Ich glaube nicht, dass das so funktionieren würde. Was ich schreibe, ist kein gewollter, bewusster Vorgang. Ich konstruiere nicht … Zuerst ist die Geschichte da. Erst dann kommen die Worte, die ihr die Gestalt geben. Herr Plana würde sagen, dass man nicht schreiben soll, weil man es will. Man soll schreiben, wenn man es muss.“ Quirinus hat es auch so formuliert, durchfuhr es Bea.

      „Würde Herr Plana das?“ Ingo zog skeptisch eine Augenbraue hoch. Doch dann wanderte auch ein Mundwinkel in die Höhe und nahm dem Ganzen die Schärfe.

      „Zieh mich jetzt bloß nicht damit auf!“, warnte Bea. Aber auch ihr ging der Ernst verloren. Mit einem Lachen sollte man solche Gespräche immer beenden. Sie taten es.

      So wurde dies eine jener Nächte, in denen Bea die Realität mit ihren Träumen

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