Beatrice – Rückkehr ins Buchland. Markus Walther

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Beatrice – Rückkehr ins Buchland - Markus Walther Buchland

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um Erlaubnis zu fragen, und Bea blieb keine andere Wahl, als ihr zu folgen. „Das ist das Arbeitszimmer“, sagte Bea noch einmal. Sie kam sich etwas hilflos vor. Was sollte sie mit einem Kind reden, das ihr nicht antworten wollte?

      Das Arbeitszimmer war das Herzstück des Antiquariats und Beas Allerheiligstes. Nie ließ sie Kundschaft in diesen Raum kommen. Na ja, eigentlich auch sonst niemanden. Der Einzige, der hier vielleicht hineingedurft hätte, wäre Ingo gewesen. Doch ihr Mann mied das Antiquariat. Er überquerte nicht mal die Türschwelle des Ladens. Irgendwie konnte sie es ihm nicht verübeln. Denn die vergangenen Ereignisse in diesen Räumen waren für ihn in einen Nebel des Unbegreiflichen gehüllt. Was damals mit ihm, mit ihr, mit Herrn Plana und dem Buchland geschehen war, war für ihn vermutlich am leichtesten zu ertragen, indem er es ignorierte oder sogar vergaß. Fakt war, dass sie nun wieder mit beiden Beinen fest auf dem Boden standen. Fakt war allerdings auch, dass sie dies diesem besonderen Antiquariat zu verdanken hatten.

      Seit Herrn Planas Tod war hier fast alles unverändert geblieben. Links von Bea stand der Ohrensessel. Geradeaus von ihr war eine Tür, die zum Keller führte, daneben die Tür, die die Stiege ins Obergeschoss verbarg. Überdies gab es einen Sekretär, dazu einen Bürostuhl und ansonsten nur Bücher. Übervolle Regale verbargen alle Wände und erhoben sich bis unter die Decke. Und zwischen den beiden Türen befand sich ein großer runder Drehschalter, der verblüffende Ähnlichkeit mit einem Schiffstelegraphen aufwies.

      Das Mädchen ging zu diesem Apparat und legte sachte die Hand auf den Hebel.

      „Es wäre mir lieber, wenn du nicht damit rumspielst“, sagte Bea nervös. Warum war sie nur so angespannt? „Das ist nichts für Kinder.“

      Als es plötzlich klingelte, schrak Bea gehörig zusammen. Sie fuhr herum und eilte zum Sekretär, auf dem das uralte Telefon lautstark ein akustisches Inferno anzettelte. Sie hob den Hörer von der Gabel, während ihr das Herz bis in den Hals hämmerte. „Buchantiquariat Liber, guten Tag.“

      Ein Klackern am anderen Ende des Raumes erklang.

      „Hallo Frau Sechtig“, sagte Bea freundlich.

      Eine Mechanik wurde ratternd in Gang gesetzt.

      „Das freut mich“, erwiderte Bea ziemlich gehetzt. Sie spürte, dass hinter ihrem Rücken etwas geschah, das nach ihrer Beachtung verlangte.

      „Ja, das mag sein. Aber ich habe doch schon in meinem Schreiben darauf aufmerksam gemacht, dass …“

      Ein dumpfes „Klonk“ ertönte. In einer Apparatur rasteten Zahnräder ein.

      „Nein, wie ich bereits sagte: Eine Fortsetzung des Buches hatte ich nie geplant. Fantasy muss doch nicht immer in Serie produziert werden. Ich finde Fortsetzungen blöd.“

      Die nachfolgende Stille war alles andere als beruhigend.

      „Nein, über dieses Setting gibt es nichts mehr zu berichten.“

      Bea drehte sich, während sie sprach, langsam um.

      „Sobald ich wieder etwas schreiben sollte, werde ich es Ihnen mitteilen.“

      Der Hebel des Maschinentelegraphen stand ganz vorne. Die Tür zum Keller war offen. Das Mädchen war verschwunden.

      „Nein, in die Buchland-Story werde ich bestimmt nicht nochmal eintauchen“, stöhnte Bea, verabschiedete sich eilig, warf den Hörer scheppernd auf die Gabel und rannte dann, so schnell sie konnte, die Treppe hinunter.

      Kuriose Ereignisse

      Der Keller empfing Bea mit muffiger Dunkelheit. Es roch nach trockenem, sehr altem Papier. Sie sog das eigenwillige Parfum des Buchlandes tief in sich ein. Es war jedes Mal wie Heimkommen. Sie war ein Teil hiervon, untrennbar verbunden mit diesen Regalen, Gedanken, Ideen, Phantasien. Hier gab es Literatur, die sich bis in die Unendlichkeit erstreckte und Gefühle, die sich selbst über diese Unendlichkeit hinwegsetzten.

      Sie drehte den Lichtschalter und die Glühbirnen traten alsdann leidlich ihren Dienst an. „Mädchen? Wo bist du?“ Bea bekam keine Antwort. Ihr Echo wurde von Holz, Leder und Kartonagen verschluckt. Im Labyrinth der unzähligen Gänge hatte Bea kaum eine Chance die Ausreißerin zu finden. „Mädchen?“ Ihr Ruf verhallte.

      Bea hatte vor einiger Zeit einen altmodischen Kleiderständer neben dem Treppenaufgang platziert. An dessen Haken hingen ein olivgrüner Armeerucksack, eine graue Strickjacke und ein Jutebeutel. Aus diesem fischte sie eine besonders dicke Garnrolle und eine Taschenlampe, die so groß und leuchtstark war, dass man damit den Weihnachtsmann im Landeanflug hätte einlotsen können – und zwar im dichtesten Nebel ohne Rudolph im Gespann.

      Routiniert verknotete Bea nun ein Garnende mit dem Kleiderständer, warf sich den Jutebeutel über die Schulter und machte sich aufs Geratewohl auf ins vorerst Ungewisse.

      „Habt ihr eine Ahnung, wo die Kleine steckt?“ Ein unbedarfter Beobachter hätte sich gefragt, warum Bea anscheinend mit sich selbst sprach. Allerdings hätte dieser unbedarfte Beobachter auch nicht gesehen, dass am vorausliegenden Kopfende des ersten Ganges auf der rechten Seite ein Oktav-Band aus seiner Reihe hervorstand. Im Vorbeigehen drückte Bea ihn wieder zurück an seinen Platz und bog dann rechts ab. Dabei achtete sie sorgsam darauf, dass sich das Garn in ihrer Hand weiter entrollte. „Wo will das Kind nur hin?“, fragte sie in die Stille hinein. Kurz danach hörte sie ein dumpfes Pochen. Im Strahl der Taschenlampe, die sie eben eingeschaltet hatte, erkannte sie ein Buch, das in einiger Entfernung auf dem Boden lag. Als sie bei ihm ankam, las sie die blasse Überschrift: „Mors porta vitae“. Beas Knie wurden weich und in ihrem Magen befanden sich plötzlich Steine, denn sie wusste nun, wohin sie zu gehen hatte.

      In die Wand eingelassen, am Ende einer der vielen Gänge, war eine eiserne Tür. Ornamente zogen sich am Rand entlang und kunstvolle Symbole füllten die Fläche dazwischen. Darüber prangten wuchtig die mittelalterlichen Zeichen „Vita“ und „Mors“.

      Das Mädchen stand vor der Tür, legte den Kopf weit in den Nacken, um den oberen Bogen zu betrachten. Dann machte es aus seiner kleinen Hand eine Faust und klopfte so fest es konnte an. Dabei entstand kein hörbares Geräusch. Das Metall war zu alt, zu stumpf, zu schwer und zu anders, als dass es von dieser unschuldigen Kinderhand zum Klingen gebracht werden konnte.

      Dennoch vergingen kaum fünf Sekunden und ein Türflügel öffnete sich. Es war nur ein kleiner Spalt. Den Kopf im Dunkel einer schwarzen Kapuze verborgen, beugte sich jemand heraus und schaute kurz in alle Richtungen. Dann, als die Gestalt das kleine Mädchen sah, kniete sie sich hin.

      Sie fragte: „Es?“

      Das Mädchen antwortete: „Ich.“

      „Du?“

      Das Mädchen nickte.

      Eine Knochenhand tauchte unter der Kutte hervor. Darin befand sich ein in Leder gebundenes Buch. Wortlos nahm das Mädchen es entgegen.

      „Du“, sagte die Gestalt. Das klang sehr, sehr nachdenklich.

      Auf dem Boden lag ein halbes Dutzend dicker, schwerer Bücher wild verstreut. Das unterste Brett des angrenzenden Regals war leer. In diese Leere hatte sich das Mädchen hineingequetscht und wartete im Halbdunkel auf das Licht, das unstet hin und her raste und sich dabei rasch näherte. Als der Strahl der Taschenlampe das Mädchen fand, heftete er sich auf sie, bis Bea völlig außer Atem ankam. „Verdammt, was tust du mir an? Du kannst doch nicht einfach allein in den Keller gehen. Hier unten kannst du dich

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