Der Erwerb des Deutschen im Kontext von Mehrsprachigkeit. Tanja Rinker
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Die Schreibung der Doppelkonsonanz ist also in der SilbenstrukturSilbenstruktur begründet. Auch die folgende orthografische Markierung weist darauf hin, dass im deutschen SchriftsystemSchriftsystem die Erfassung der Silbenstruktur von zentraler Bedeutung ist. Das sogenannte silbentrennende <h> wird regelhaft dort eingesetzt, wo ansonsten zwei Vokalgrapheme zweier Silben direkt nebeneinander stehen würden: drohen statt droen, nähen statt näen, gehen statt geen. Dieses <h> wird nicht gesprochen. Es ist eine Art Lesehilfe, denn die Silbengrenze wird so leichter erkannt. (Das sogenannte silbenschließende <h> oder auch Dehnungs-hDehnungs-h wie in Boh.ne, Leh.rer, Höh.le. wird nur dann verwendet, wenn die zweite SilbeSilbe mit einem Sonoranten (m, n, l, r) beginnt – allerdings nur in jedem zweiten aller möglichen Fälle (Eisenberg 2013: 303), weswegen auf diese Schreibung hier nicht weiter eingegangen werden soll.)
Neben den GPK-Regeln und den in der SilbenstrukturSilbenstruktur begründeten Regularitäten gilt im deutschen SchriftsystemSchriftsystem das strenge Prinzip der StammkonstanzStammkonstanz. Durch eine gleichbleibende Schreibweise wird die Wortverwandschaft sichtbar und der Zugriff auf das mentale Lexikon erleichtert. So verknüpfen wir mit der Lautform [hɛlt] in Abhängigkeit ihrer Schreibung (hält, Held, hellt) unterschiedliche Bedeutungen (Noack 2010: 162). Dank der Stammkonstanz bringen wir hält und halten zusammen, denn einem VokalwechselVokalwechsel wird im Geschriebenen mit dem zugehörigen Umlautgraphem (Hand – Hände, FußFuß – Füße, Floh – Flöhe) entsprochen (Eisenberg 2013: 314).
Das Prinzip der StammkonstanzStammkonstanz greift auch bei der Doppelkonsonanz und dem silbentrennenden <h>. Diese im TrochäusTrochäus motivierten Schreibungen müssen auch dann bei verwandten Wortformen realisiert werden, wenn es in diesen keinen silbenbasierten Grund für die spezielle Markierung gibt. So liegt in knallt kein SilbengelenkSilbengelenk vor und in geht treffen keine zwei Vokalgrapheme aufeinander, die einer optischen Trennung bedürfen.
Der TrochäusTrochäus bestimmt auch darüber, welches Plosivgraphem in wort- bzw. silbenfinaler Position geschrieben wird (Held wegen Helden, Lob wegen loben). Die AuslautverhärtungAuslautverhärtung wird nicht verschriftlicht.1
TrochäusTrochäus als Basis für die Schreibung | Schreibung aufgrund des Stammkonstanzprinzips | |
GeminationGemination bei SilbengelenkSilbengelenk | wo ll en kö nn en | will, gewollt kann, könnte |
silbentrennendes <h>silbentrennendes <h> | dro h en se h en | droht, bedrohlich seht, Sehtest |
wort- und silbenfinale Plosivgrapheme | le g en Kin d er | leg, belegbar Kind, kindlich |
Tab. 2.1:
Im TrochäusTrochäus determinierte Schreibungen und Anwendung der StammkonstanzStammkonstanz
1.* Nehmen Sie Stellung zu der Aussage, das deutsche SchriftsystemSchriftsystem sei ein Abbild der Lautsprache. (Möglicher Ausgangspunkt: Wenn dem so wäre, müssten sich alle Schreibweisen auf GraphemGraphem-PhonemPhonem-Korrespondenzen zurückführen lassen.)
2.** Schauen Sie sich noch einmal den Schülertext in Abb. 2.1 an. Markieren Sie alle Fehlschreibungen, die auf Verletzungen der in Tab. 2.1 dargestellten Regularitäten zurückzuführen sind.
3.** Versuchen Sie einem Deutschlernenden folgende Schreibweisen zu erklären:hoffen, (er) hofft, fliehen, (er) flieht, Wand, Wände
4.*** Die satzinterne Großschreibung ist eine Besonderheit der deutschen Orthografie und gilt bekanntlich als eine der Hauptfehlerquellen. Die Ursache für die Fehleranfälligkeit wird im wortartbasierten Vermittlungsansatz gesehen mit seiner zentralen Regel „Substantive schreibt man groß“, wobei der Begriff Substantiv meist anhand prototypischer Vertreter (Personen, Tiere, Dinge) eingeführt wird – im Kontrast zu 'Tun-Wörtern' (Verben) und 'Wie-Wörtern', die klein zu schreiben sind. Typische Fehler, die hieraus resultieren, sind Kleinschreibungen von nominalisierten Verben (der Lauf, das Laufen) und Adjektiven (das Schöne). (Auch scheinbar unmotivierte Großschreibungen von Verben wie im Schüleraufsatz, vgl. Abb. 2.1, gesehen, können auf Unsicherheiten in diesem Bereich zurückgeführt werden.) Eine didaktische Alternative bietet der syntaxbasierte Ansatz, demzufolge der erweiterbare Kern einer NominalphraseNominalphrase groß geschrieben wird (vgl. Maas 1992; Röber-Siekmeyer 1999). Zur Debatte um die beiden didaktischen Ansätze und um zu erfahren, welche Lerneffekte der syntaxbasierte Ansatz in einer experimentellen Interventionsstudie mit 36 zweiten Klassen brachte, lesen Sie den Aufsatz von Wahl, Rautenberg & Helms (2017).
5.*** Im Kontext von Mehrsprachigkeit gilt es verschiedene Ausprägungen des Schrifterwerbs zu unterscheiden, um eine zielgruppengerechte Schriftvermittlung zu gewährleisten. „Am komplexesten ist der Erwerbsprozess, wenn weder Schrifterfahrung noch Deutschkenntnisse vorliegen, also erstmals ein SchriftsystemSchriftsystem und gleichzeitig die Sprache Deutsch erworben werden müssen. Je verwandter die vorhandenen Schrifterfahrungen zum deutschen Schriftsystem und je älter die Lernenden mit entsprechenden Vorkenntnissen sind, desto schneller wird das deutsche Schriftsystem in seinen Grundzügen erworben“ (Berkemeier 2018: 282). Lesen Sie in Berkemeier (2018, Kapitel 3), welche Aspekte bei der Wahl der Schriftvermittlungsmethoden Berücksichtigung finden sollten.
3 Wortbildung
Wettstreit um die meisten Wortbildungen
1 Bilden Sie in drei Minuten so viele Wortbildungsprodukte wie möglich mit dem lexikalischen Kern Kraft.
2 Versuchen Sie die gebildeten Wörter nach der WortartWortart des Wortbildungsprodukts zu systematisieren:NomenAdjektiveVerben
3 Versuchen Sie die gebildeten Wörter nach dem Wortbildungstyp zu systematisieren:KompositionKompositionVerbindung frei vorkommender WörterDerivationDerivationVerbindung eines freivorkommenden Wortes mit einem WortbildungsaffixKonversionKonversionWortartwechsel ohne hinzukommendes Wortbildungselement
Bei der DerivationDerivation ließe sich noch weiter differenzieren nach Präfigierung vs. Suffigierung und bei der KompositionKomposition danach, ob Kraft das Erst- oder das Zweitelement ist.
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Die deutsche Sprache verfügt über ein reichhaltiges Wortbildungsrepertoire. Zu den wichtigsten Wortbildungstypen zählen die KompositionKomposition, bei der mindestens zwei Wörter verbunden werden (Haustür, Bleiberecht, schneeweiß,