Der Erwerb des Deutschen im Kontext von Mehrsprachigkeit. Tanja Rinker
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MinimalpaareMinimalpaare zur Veranschaulichung der Distinktion gespannt vs. ungespanntgespannt vs. ungespannt
1.* Welche Aspekte im deutschen Konsonantensystem und im deutschen Vokalsystem könnten für einige Deutschlernende Schwierigkeiten bereiten?
2.** Ergänzen Sie die Minimalpaarliste in Tab. 1.2 um jeweils ein weiteres Paar für jede Vokalopposition.
Gruppenaufgaben
3.*** Hirschfeld & Reinke (2018) kontrastieren in ihrem Lehrwerk Phonetik im Fach Deutsch als Fremd- und Zweitsprache: Unter Berücksichtigung des Verhältnisses von Orthografie und Phonetik die Zielsprache Deutsch mit insgesamt neun möglichen Herkunftssprachen, und zwar mit Arabisch, Chinesisch, Englisch, Französisch, Italienisch, Portugiesisch, Russisch, Spanisch, Türkisch.Teilen Sie sich in Kleingruppen auf und wählen Sie jeweils eine der neun Ausgangssprachen. Erarbeiten Sie in der Kleingruppe die potenziellen Schwierigkeiten, mit denen Deutschlernende Ihrer gewählten Herkunftssprache in Bezug auf Betonungsmuster, SilbenstrukturSilbenstruktur und Lautsystem konfrontiert sind.Präsentieren Sie entweder als Kleingruppe vor der Großgruppe Ihre Ergebnisse oder treffen Sie sich mit Abgesandten der anderen Kleingruppen, um jeweils als Experte von der untersuchten Sprachkonstellation zu berichten.
2 Wortschreibung
Im Fokus der Schriftvermittlung steht nur allzu oft die Perspektive des Schreibenden. Mancherorts sind die Kinder in den ersten Schuljahren angehalten nach Gehör zu schreiben, ohne dass diese Schreibprodukte korrigiert werden – ein ungünstiger Einstieg ins deutsche SchriftsystemSchriftsystem, das in erster Linie leserorientiert ist. Die meisten der orthografischen Regeln dienen der leichteren Erkennung von Silben, Wörtern, Phrasen oder Sätzen im Leseprozess und sind aus der Perspektive des Lesenden daher relativ einfach zu erschließen.
1 Welche orthografischen Regeln kennen Sie?
2 Welche dieser Regeln werden in dem Schüleraufsatz (Abb. 2.1) verletzt?
3 Bei Wortfehlschreibungen ist zu unterscheiden, ob es sich um Regelverletzungen handelt oder um falschgeschriebene Merkwörter. Finden Sie für beide Typen Belege im Text.
Aufsatz eines rechtschreibschwachen Fünftklässlers
Bildimpuls „Der Fahrraddieb“ (© Bryant/Erhard)
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Im vorhergehenden Kapitel 1 wurde mehrfach darauf hingewiesen, dass zur besseren akustischen Wahrnehmung ungewohnter lautlicher Kontraste, Silbenstrukturen und AkzentmusterAkzentmuster parallel immer auch das Schriftbild als visuelles Stützsystem einzubeziehen ist.
Viele Deutschlernende sind bereits vertraut mit der einen oder anderen AlphabetschriftAlphabetschrift. Bei einer Alphabetschrift besteht eine enge Beziehung zwischen den Einheiten des Lautsystems, den Phonemen, und den Einheiten des Schriftsystems, den Graphemen. Im Idealfall lassen sich Phoneme und Grapheme eindeutig aufeinander abbilden. Im türkischen SchriftsystemSchriftsystem ist dies tatsächlich so. Das deutsche Schriftsystem ist von einem solchen lautgetreuen Abbild jedoch weit entfernt, sonst würden wir *lebm schreiben statt leben, *Nagl statt Nagel, *Lop statt Lob, *knalt statt knallt, *Hende statt Hände. Deutschlernende sollten also nicht der Illusion ausgesetzt werden, dass GraphemGraphem-PhonemPhonem-Korrespondenzen (GPK) zu einer zielsprachlichen Schreibung führen würden. Natürlich gibt es auch im deutschen Schriftsystem GPK-Regeln. Diese sind zum einen aber nicht ausreichend. Man denke beispielsweise an das Vokalsystem: Für 16 VokaleVokale stehen nur 9 Vokalgrapheme zur Verfügung (Bredel 2013: 375). Zum anderen werden die GPK-Regeln partiell überschrieben von prosodischen und morphologischen Regelhaftigkeiten.
Von zentraler Bedeutung für das deutsche SchriftsystemSchriftsystem ist der TrochäusTrochäus – das für das Deutsche mit Abstand wichtigste AkzentmusterAkzentmuster mit der Folge betonte SilbeSilbe, unbetonte Silbe (Eisenberg 2013: 31). Die meisten Wörter des Kernwortschatzes entsprechen in ihrer Stammform und/oder in flektierter Form diesem Fußtyp. Generell lässt sich sagen, dass Systematiken innerhalb des Schriftsystems vor allem dem Lesenden dienen. Sie sollen den Worterkennungs- und Leseprozess erleichtern. Abb. 2.3 veranschaulicht, wie dies bei der Visualisierung trochäischer Strukturen gelingt: Zunächst einmal signalisiert ein VokalgraphemVokalgraphem dem Auge eine zu lesende Silbe. Auch die unbetonte Silbe, in der lautsprachlich oft gar kein Vokal realisiert wird, enthält im geschriebenen Wort ein Vokalgraphem, und zwar immer <e>. Dieses GraphemGraphem wird nicht etwa [e] gesprochen. Es fungiert als verlässliche Markierung für die ReduktionssilbeReduktionssilbe. Damit ist die prosodische Struktur (betont – unbetont) im Schriftbild sofort erkennbar.
Der TrochäusTrochäus in Laut- und Schriftsprache
Wie bereits angesprochen, ist das Grapheminventar der VokaleVokale unterspezifiziert. Woher weiß man, ob die Vokalgrapheme <a>, <o>, <u>, <ü>, … im zu lesenden Wort dem kurzen oder dem langen Vokal entsprechen? (Nur das Digraphem <ie> steht verlässlich für [i:].) Ob der Vokal in der betonten SilbeSilbe ungespannt/kurz oder gespannt/lang gelesen wird, hängt maßgeblich von der SilbenstrukturSilbenstruktur ab. Ist die KodaKoda nicht belegt, (vgl. Abb. 2.4a), hat der Vokal – figurativ gesprochen – Raum sich auszudehnen. Der Vokal wird dementsprechend lang artikuliert. Ist die Koda besetzt und die Silbe damit geschlossen, vgl. (Abb. 2.4b), ist meist ein kurzer Vokal zu lesen. Eine visuelle Markierung zwischen Haupt- und ReduktionssilbeReduktionssilbe (Hü.te vs. Hüf.te, ha.ben vs. hal.ten, He.fe vs. Hef.te, Bo.gen vs. bor.gen, bö.se vs. Bör.se) kann Deutschlernenden am Anfang helfen, die Silbenstruktur schnell zu erfassen, denn von ihr hängt schließlich die Aussprache des Vokals ab.
Drei trochäische Typen in Laut- und Schriftsprache
Das in (c) von Abb. 2.4 dargestellte trochäische Muster weist ein SilbengelenkSilbengelenk auf: Der Konsonant besetzt sowohl die KodaKoda der ersten SilbeSilbe als auch den OnsetOnset der zweiten Silbe. Auch hier muss – wie in (b) – der Vokal wieder kurz gesprochen werden. Die Schriftsprache markiert ein Silbengelenk durch Verdopplung (Fachbegriff: GeminationGemination) des Konsonantengraphems (Hütte, Pappe, sollen, kommen). Diese Regel gilt allerdings nur für einfache Grapheme. Grapheme, die sich aus mehreren