Der Erwerb des Deutschen im Kontext von Mehrsprachigkeit. Tanja Rinker
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Tab. 3.3:
Wortbildungsprozesse im Wort Unabhängigkeitserklärung3
Ein Vorschlag, sich derart komplexen Wörtern zu nähern und Deutschlernende (der Sekundarstufe) zu befähigen, diese in ihrer Struktur „aufzuknacken“, wäre der Einsatz des (nach Bedarf zu vereinfachenden) linguistischen Strukturdiagramms. Man spricht auch von einer Baumstruktur, wobei der Baum auf dem Kopf steht und nach unten hin verzweigt. Diese Darstellungsweise kann man den Lernenden leicht mit Wörtern, die nur zwei Wortbildungsprozesse enthalten, nahebringen, vgl. Abb. 3.2. Zunächst lässt man das Wort in seine Bestandteile (Morpheme) sequenzieren (a), um dann im nächsten Schritt erst einmal die Wortstämme zu identifizieren und nach Wortarten zu kategorisieren (b). Bei der Kategorisierung der Präfixe (c) sollte die Lehrkraft mit unterstützenden Fragen helfen (z. B. Was wird aus dem Verb? Welche WortartWortart entsteht, wenn man -ung mit dem Verbstamm verbindet?). Im letzten Schritt (d) wird gemeinsam überlegt, welche Bestandteile sich in welcher Abfolge verbinden und welche Zwischenergebnisse dabei entstehen. Der (umgedrehte) Baum wird von unten nach oben in binären Strukturen entwickelt. Eine Ausnahme hierzu bildet die KonversionKonversion, bei der sich ohne Hinzufügen eines Elements die Wortart verändert – auch dies lässt sich anschaulich mit dem Modell darstellen, vgl. Abb. 3.3.
Morphologische Analyse des Wortes Lösungsweg in Teilschritten
Morphologische Analyse des Wortes Langlauf
Mit fortgeschrittenen Lernenden hin und wieder gemeinsam auch mal ein besonders langes Wort in seine Bestandteile zu zerlegen, die einzelnen Wortbildungsschritte zu identifizieren und die Teilbedeutungen sowie die Gesamtbedeutung zu erschließen, vgl. Abb. 3.4, schafft ein tieferes Verstehen für morphologische Zusammenhänge im Deutschen und vermittelt den Lernenden Strategien zum eigenständigen Aufschlüsseln langer okkasioneller Wortbildungen4, wie man ihnen oft in bürokratischen und juristischen Kontexten, aber auch in Zeitungen und in fachsprachlichen Texten (z. B. Jahresarbeitsentgeltgrenze, Nikotinersatzpflasterverträglichkeit, Löslichkeitsgleichgewicht) begegnet.
Baumstruktur des komplexen Wortes Unabhängigkeitserklärung
1.* Nennen Sie die wichtigsten Wortbildungstypen des Deutschen und geben Sie jeweils drei Beispiele.
2.** Erklären Sie (imaginären) Deutschlernenden, warum es das Brot, aber die Brotscheibe und der Brotkorb heißt.
3.** Fandrych & Thurmair (1994) entwickeln basierend auf linguistischen Wortbildungsanalysen ein für didaktische Zwecke funktionales Interpretationsmodell für Nominalkomposita. Zum Aufbau der Wortbildungskompetenz benötigen die Lernenden Wissen über die Möglichkeiten kontextfreier Interpretation sowie Strategien der Bedeutungserschließung im Textkontext. Ausgangspunkt für die Interpretation ist immer das Zweitglied. In Tab. 3.4 befinden sich Fälle mit semantisch „ergänzungsbedürftigem“ Zweitglied – das Erstglied besetzt sozusagen eine semantische Leerstelle. Andere Komposita lassen sich mit Hilfe von Grundrelationen erschließen, dargestellt in Tab. 3.5. Ergänzen Sie in der rechten Spalte beider Tabellen die Lücken für Beispielkomposita.
Beschreibung der semantischen Leerstellen | Beispielkomposita |
Das Zweitglied ist aus einem Verb abgeleitet: z.B. Trinker, Herstellung, Pflege; Das Erstglied ist Komplement dieses Verbs: __ trinken, __ herstellen, __ pflegen | ___________, ___________, Altenpflege |
Das Zweitglied ist ein relationales Nomen: z.B. Fan von __, Hälfte von __, Rest von ___ | ___________, Pizzahälfte, ___________ |
Das Zweitglied kann auch mit präpositionalem Komplement auftreten z.B. Angst vor ___, Sehnsucht nach ___, Liebe zu ___ | Prüfungsangst, Freiheitssehnsucht, Naturliebe |
Das Zweitglied steht in einer stereotypen Relation zum Erstglied z.B. eine Fabrik, in der ___ hergestellt wird, ein Markt, in/auf dem ___ verkauft werden | Kosmetikfabrik, ___________, Antiquitätenmarkt, ___________ |
Tab. 3.4:
Über semantische Leerstellen interpretierbare Komposita (nach Fandrych & Thurmair 1994: 38-39)
Grundrelationen | mögliche Umschreibungen |
Beispielkomposita
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