MORLOCK. Rolf Gröschner
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Aus der Seitenstraße war das Deutschlandlied zu hören. Vier Männer mit Bierflaschen in der Hand bogen grölend um die Ecke und wollten mit ihm „auf den Weltmeister“ anstoßen. Georg drehte ihnen spontan den Rücken zu und stellte sich mit gespreizten Beinen über die Blutspur. Einen Schubser musste er ertragen.
„So ein komischer Fußballmuffel! Wir sind wieder wer!“ Nach Hochrufen auf Morlock stimmten sie erneut ihre Hymne an.
Hier noch länger ’rumzustehen, wurde ihm zunehmend peinlich. Ärger über die scheinbare Hysterie seiner Frau stieg in ihm auf. Leicht neidisch schaute er hinter den Feiernden her. Sein Blick fiel auf das Fahrrad. „So können wir es nicht stehen lassen.“ Er griff Lenker und Sattel und schob es um die Ecke in die Wendlerstraße. Der seitliche Hauseingang gehörte noch zu Morlocks Geschäft. Inzwischen war Elisabeth zurück. „Du hast gar nicht bemerkt, dass die Polizei schon in Sicht ist!“ Georg fühlte sich von der angezettelten Sache überrumpelt. Mit einem so raschen Erscheinen der Polizei hatte er nicht gerechnet.
Aus dem grünen Volkswagen-Käfer mit der weißen Aufschrift „POLIZEI“ auf der Vorderhaube und dem übergroßen Blaulicht auf dem Dach stiegen zwei Männer in der blauen Uniform der Nürnberger Polizei.
Elisabeth Meier nahm das Heft des Handelns in die Hand: „Ich habe Sie gerufen, weil ich einen Schuss gehört und eine Blutspur gefunden habe.“ Die Beamten warteten darauf, dass Georg Stellung bezog. Der aber blickte verlegen auf den Boden.
„Wo soll denn das Blut sein?“ Elisabeth deutete auf die roten Tropfen. Da es inzwischen zu dämmern begonnen hatte, holte der größere Polizist eine Taschenlampe aus dem Wagen, um die Spur zu beleuchten.
„Das sieht nicht nach dem Blut eines Menschen aus. Es dürfte Katzenblut sein –und für den Tierschutz sind wir nicht zuständig.“ Der andere, kleinere Polizist nickte nur. Doch dann sah er die Gelegenheit gekommen, den Fall loszuwerden, ohne ein lästiges Protokoll schreiben zu müssen: „Selbst wenn auf die Katze geschossen wurde, sind wir als Stadtpolizei dafür nicht zuständig, sondern unsere bayerischen Kollegen.“
„Das kann doch nicht wahr sein! Georg, das lassen wir uns nicht gefallen!“ „Was wollen wir denn unternehmen, wenn es sich so verhält, wie die Herren sagen?“ „Das Fahrrad wird nicht von einer Katze gefahren worden sein“, zischte sie ihrem Mann – ihm zugewandt – zu.
Der kleinere Polizist fühlte sich durch diese Bemerkung auf den Arm genommen: „Sie sollten sich genau überlegen, was Sie sagen. Wenn Sie uns unterstellen, Rad fahrende Katzen für möglich zu halten, erfüllt das den Tatbestand der Beamtenbeleidigung.“ „Lass es gut sein, Elisabeth“, versuchte Georg seine vorwitzige Frau zu beruhigen.
Der kleine Schutzmann trat zwei Schritte vor. „Hören Sie auf Ihren Mann und sehen Sie von einer Anzeige ab. Dann vergessen wir auch die Beleidigung.“
Das Anrücken der Polizei hatte Aufsehen erregt. Aus einigen Fenstern schauten die Nachbarn neugierig herunter. „Gerch, was ist denn los?“ rief es aus dem zweiten Stockwerk. Georg zog den Kopf ein, er fühlte sich ab jetzt verantwortlich für die zu befürchtenden Gerüchte. Und ausgerechnet in einer solchen Situation sollte er den „Gerch“ verabschieden?
Er war schon im Hausflur und wollte – wie es seine Art war – die Tür nicht lautstark ins Schloss fallen lassen, sondern leise schließen, als eine lindgrüne Limousine auf der gegenüberliegenden Straßenseite langsam an Morlocks Laden in Richtung Hauptbahnhof vorbeifuhr. „Das sieht nach Elisabeths Straßenkreuzer aus. Ich muss mir das Kennzeichen merken!“ In dieser Absicht zog er die Tür so weit zurück, dass er freien Blick auf die Rückansicht des Wagens hatte, der schon fast wieder die Höhle des Celtis-Tunnels erreicht hatte. „Das sind die typischen Schwanzflossen eines Cadillac!“ Ein Kennzeichen war in der beginnenden Dunkelheit des Abends aber nicht mehr zu lesen.
3. Erpressung zweier Zeugen
Johann (Hans) Weiß, ehemaliger Leiter der Jugendabteilung beim „Club“ – wie der „Erste Fußballclub Nürnberg“ (1. FCN) unter Fußballanhängern auch außerhalb Frankens genannt wird – hatte im Frühjahr 1949 zusammen mit Max Morlock die „Totoannahme Weiß-Morlock“ am Celtisplatz 2 eröffnet. Zum „Sporthaus“ erweitert, war das allgemein als „Lottoladen“ bezeichnete Geschäft Anfang der fünfziger Jahre in die Pillenreuther Straße 23 umgezogen. 1950 hatte Morlock Inge Weiß, die Tochter seines Kompagnons, geheiratet.
Am Morgen des 5. Juli 1954 war Hans Weiß noch früher als sonst auf den Beinen, um den Laden zu öffnen. Er erwartete einen Ansturm von Gratulanten und erhoffte sich gute Umsätze. Als er in das Hinterzimmer ging, um einen Besen zu holen, bemerkte er zu seiner Überraschung, dass einige Zeitungen, Magazine und Kalender anders neben- und übereinander lagen als am Samstag. Er konnte sich das Durcheinander nicht erklären. Unruhig schaute er hinter die Regalwand, die quer im Raum stand.
„Das darf doch nicht wahr sein!“, brummte er. Die Tür zum Seiteneingang des Ladens in der Wendlerstraße war einen Spalt breit geöffnet. „Ich bin mir ganz sicher, abgeschlossen zu haben“, sagte er sich mit fester innerer Stimme. Penibel untersuchte er Schloss und Tür. Die paar Kratzer in Kniehöhe kannte er schon. „Komisch, alles ist unbeschädigt.“ Er beeilte sich, in der Kasse nachzusehen und bemerkte dabei, dass seine Hände leicht zitterten. Wechselgeld und einige Scheine lagen wie unberührt an Ort und Stelle. Offensichtlich fehlte nichts – und trotzdem musste sich jemand Zutritt in seinen Laden verschafft haben. „Ausgerechnet am Weltmeistersonntag!“
Bevor er weitere Überlegungen anstellen konnte, kam der erste Stammkunde, Siegfried Ernst, um Morlocks Schwiegervater zu gratulieren: „Mensch, Hans, dei Max hat des Wunder von Bern gezaubert!“ Bei diesen Worten platzte Richard Bubner herein. „So ein Wahnsinn! Max, lou dei Stiefelspitz vergolden!“ Siegfried war als Spaßvogel bekannt. Er ulkte: „Wou hat er den Spagatschritt glernt, doch wohl ned im Ballett?“ Ausgelassenes Gelächter erfüllte den Raum. Sie wurden unterbrochen, als ein weiterer Kunde sich vordrängte: „Zwei Schachteln Eckstein!“ forderte er lautstark. „Wer holt die Zigaretten?“ „Immer der wo frächt!“
Durch das große Ladenfenster erblickte Hans Weiß seinen alten Kumpel Georg Meier, der mit langen Schritten näher eilte. Er drängte sich durch die Gratulantenschar, in der gerade der Spruch zirkulierte „Kein Rahn ohne Morlock!“, hakte Hans unter und zog ihn ins Hinterzimmer. Bevor er die Geschichte von gestern erzählen konnte, musste er sich die Sache mit der offenen Seitentür anhören. „Das Hinterzimmer ist durchstöbert worden. Die Kasse ist aber unberührt!“
„Auch des no!“ Obwohl Georg einigermaßen aufgeregt war, bemühte er sich, die Geschichte von gestern so zu erzählen, dass Elisabeth keinen Grund gehabt hätte, seinen Dialekt zu kritisieren. „Übung macht den Meister“ dachte er sich und berichtete fast dialektfrei über den „Schuss, den meine Frau gehört hat“, die Blutspur vor dem Laden, „die wir beide gesehen haben“ und das liegen gebliebene Damenfahrrad. Den Cadillac verschwieg er.
„Wirklich? Eine Blutspur? Das hört sich ja an wie der Beginn eines Krimis.“ „Hör zu! Ich erzähle keinen Quatsch! Schließlich haben wir die Polizei geholt. In einem Krimi hätten die das Blut untersucht. Aber die beiden Doldi, die gestern hier waren, lehnten eine Untersuchung ab.“ Den „Doldi“ hätte er sich in Gegenwart seiner Frau natürlich nicht gegönnt. „Dann war’s wahrscheinlich doch kein Blut!“ „Das steht zweifelsfrei fest, aber die sagten, es ist Katzenblut.“
„Waren sie von der Kriminalpolizei?“„Sie sprachen von Stadtpolizei und davon, nicht zuständig zu sein.“ „Siehst