MORLOCK. Rolf Gröschner
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„Aha, du kennst sogar schon seinen Namen!“ „Das hat nichts zu bedeuten; der andere hat ihn so genannt.“ Dass sie Mike wieder getroffen hatte, verschwieg sie verständlicherweise. Die Wut ihres Vaters ebbte ab. Im Drohton verkündete er: „Damit du es dir hinter die Ohren schreiben kannst: Ich verbiete dir ein für alle Mal den Umgang mit den Amis in der Kneipe oder sonst wo – und glaub bloß nicht, dass ich das in Zukunft nicht bemerken würde!“ Sie wusste, dass er sich nicht mehr mit Ausreden besänftigen lassen würde. Derartige emotionale Ausbrüche ihres Vaters waren für Anni schrecklich, aber leider keine Seltenheit. „Das hat mit seiner Vergangenheit im Krieg zu tun“, hatte ihre Mutter auf Nachfrage „Warum Vater oft so wütend wird“, knapp geantwortet. Die ganze Wahrheit war: Am 25. Februar 1944 hatte er bei einem Luftangriff amerikanischer Bomber auf die damals kriegswichtigen „Bayerischen Waggon- und Flugzeugwerke“ sein linkes Bein verloren und litt heute noch unter ständigen Schmerzen und den täglichen Einschränkungen.
Die Werksanlagen auf der Fürther Hardhöhe zählten zu den bevorzugten Angriffszielen, die von amerikanischen Flugzeugen bombardiert wurden. Zwei seiner Brüder gehörten zu den 139 Todesopfern dieses Angriffs. Seit diesem Tag waren „die Amerikaner“ für ihn „Mörder und keine Befreier“. Er trichterte seinen Kindern ein: „Die Amerikaner behaupten, uns Deutsche 1945 vom Nationalsozialismus befreit zu haben. Das ist eine grobe Geschichtsfälschung. Die NSDAP war als stärkste Partei demokratisch an die Macht gekommen und Hitler war ihr Führer. Er hat die Arbeitslosigkeit der dreißiger Jahre beseitigt, die Autobahnen gebaut und Deutschland in der Welt wieder Respekt verschafft. Das mit den Juden war ein großer Fehler.“ Während Annis Bruder das alles richtig fand, war sie mit ihrer Mutter der Meinung, nach der bedingungslosen Kapitulation Deutschlands am 8. Mai 1945 die gesamte „Nazizeit“ für erledigt erklären zu können.
Das war auch der Frontverlauf im verbalen Krieg der Familie über die Wiederbewaffnung Deutschlands und die Gründung der Bundeswehr: Hier die pazifistischen Frauen, dort die militaristischen Männer. „Mein Namensvetter Konrad Adenauer verhandelt mit Truman und beugt sich amerikanischen Bedürfnissen, anstatt deutsche Interessen zu vertreten“, ließ Konrad Förster wissen. „Wenn uns keine Wehrmacht mehr schützt, müssen wir uns eben selbst verteidigen.“ Dass ihr Vater einen Revolver besaß, hatte Anni zufällig entdeckt, als sie im Kleiderschrank ihrer Eltern nach einem Faschingskostüm schnüffelte. Diese Entdeckung verheimlichte sie aber.
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