MORLOCK. Rolf Gröschner

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MORLOCK - Rolf Gröschner

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Und genau dies hast du gestern telefonisch bekanntgegeben. Ich habe mich deshalb darüber gewundert, weil es mit unserer Strafanzeige nichts zu tun hatte.“

      „Und warum habe ich nicht bemerkt, dass meine Tasche geöffnet und der Zettel hineingesteckt wurde?“ „Es gibt genug Trickdiebe, die so fingerfertig sind, dass sie dir unbemerkt eine Uhr vom Handgelenk klauen.“ Da fiel ihm die eigenartige Begegnung im Celtis-Tunnel ein, die er seiner Frau anschaulich erzählte. „Im Rückblick kommt mir die Sache sehr gewollt vor“, resümierte er. „Das war sie auch: Der Kontakt verschaffte jemand die Gelegenheit, den Zettel in deine Geldtasche zu schmuggeln.“ Georg wurde plötzlich leicht schwindelig. In welche Sache waren sie da verwickelt? Hätte Elisabeth doch besser keinen Schuss gehört. Wie gerne würde er den Film, der in seinem Kopf ablief, zurückspulen. Und wie schön wäre es, wenn er dem Regisseur in Gedanken einfach zurufen könnte: „Lou mer mei Rouh!“

      Angesichts der gefühlten Bedrohungslage verharrten beide schweigend am Küchentisch. Wie sollten sie nun mit der Drohung umgehen? Sie nahmen sie jedenfalls nicht auf die leichte Schulter. Elisabeth löste sich als erste aus der gedanklichen Umklammerung. In ihr reifte eine Idee: „Wir korrigieren unsere Aussage folgendermaßen: Es darf nicht mehr protokolliert werden, dass es sich um einen Cadillac oder überhaupt um eine amerikanische Automarke handelte.“ Georg war erleichtert: „Damit erfüllen wir die Bedingung unseres vermutlich amerikanischen Erpressers. Wir sollten besser hinzufügen: ‚Die beobachtete lindgrüne Limousine könnte auch ein deutsches Fabrikat gewesen sein, etwa ein Mercedes-Benz 300.‘ Schließlich war der Wagen schon zu weit weg.“ Jetzt durfte es ein Bier sein.

      Am nächsten Morgen rief Georg beim Landeskriminalamt an, ließ sich mit der Ermittlungsabteilung verbinden und erklärte dem seit gestern bekannten Beamten die Änderung der Aussage vom Cadillac zum Mercedes-Benz 300. „Das haben Sie sich gerade noch rechtzeitig überlegt, bevor das gesamte Protokoll an die Staatsanwaltschaft übermittelt wird. Vergessen Sie nicht, zur Unterschrift zu erscheinen.“

      Staatsanwalt Büchner war aus hartem Holz geschnitzt. „Sie können Ihre Strafanzeige erst unterschreiben, wenn Sie mir die Änderung Ihrer Aussage erklärt haben. Bis dahin halte ich die Festlegung auf eine bestimmte andere Automarke für unglaubhaft. Was haben sie wirklich gesehen?“ Georg Meier war völlig verunsichert. Nach einer Zeit des Schweigens reagierte Büchner geradezu knallhart: „Ich protokolliere: Auf Vorhalt schweigt der Anzeigeerstatter und gibt damit konkludent zu erkennen, dass die Festlegung auf eine Automarke entfällt. Das wird jetzt abgetippt und Sie können Ihre Anzeige in einer halben Stunde unterschreiben. Nehmen Sie solange auf dem Gang Platz.“

      4. Treffpunkt „Grüner Baum“ in Fürth

      Bis Ende 1954 bot die Fürther Altstadt beliebte Treffpunkte für amerikanische Soldaten. Zu einem ihrer bevorzugten Lokale gehörte der „Grüne Baum“ in der Gustavstraße. Dort arbeitete Kunigunde als Kellnerin, von allen „Kuni“ genannt. Ein Abend im Frühsommer 1954 blieb ihr wegen einer ungewöhnlichen Begegnung in besonderer Erinnerung.

      „Ten beers, please!“ Zehn lärmende GIs umlagerten den Tresen, an dessen Zapfhahn Kuni mit großer Routine agierte. Den meisten der bierdurstigen Kehlen ging es dennoch nicht schnell genug: „Quickly, rapidly!“ Die Halbliterkrüge wurden ihr förmlich aus den Händen gerissen. Maßkrüge waren wegen mehrerer Schlägereien seit einigen Wochen nicht mehr in Gebrauch. Dichter Zigarettenrauch lag in der Luft. Er mischte sich mit dem Geruch verschütteter Biere und wurde in dieser Mischung in der Kleidung nach Hause getragen.

      Die beiden, die sich als einzige nicht vorgedrängt hatten, setzten sich an einen Tisch in der Ecke. Kuni fand sie schon deshalb sympathisch, weil ihr Interesse offenbar nicht nur dem Bier galt, sondern auch dem Gespräch miteinander. Es machte den Eindruck enger Vertrautheit unter Freunden. „Endlich mal anständige Amis!“, dachte sie.

      Der größere der beiden kam an den Tresen. Kuni begann wie gewohnt auf Englisch: „Would you like …“ „Sie können Deutsch mit mir reden.“ „Sehr gern. Was kann ich für Sie tun?“ „Gibt es auch ein kleines Bier?“ „Eigentlich nicht. Ich kann aber den Krug nur halb füllen – ein ‚Schnitt‘ sagen wir auch dazu.“ „Das ist sehr nett. Dann bitte zwei Schnitt.“

      Um viertel vor acht erschien Kunis beste Freundin Anni, die sie seit der ersten Volksschulklasse kannte. Ihr Erscheinen erregte unter den Soldaten allgemeine Aufmerksamkeit, die sie jedoch entschlossen ignorierte. Da montags schon ab 20 Uhr Feierabend war, wollten sie beide zusammen ins Kino gehen. Kuni hatte Anni ausnahmsweise gebeten, sie im Grünen Baum abzuholen, obwohl sie wusste, dass Annis Vater ihr verboten hatte, in die „amerikanisch verseuchte“ Fürther Altstadt zu gehen.

      „Ich bin gleich fertig, gedulde dich noch einen Augenblick. Übrigens: In der Ecke sitzt ein gutaussehender GI, der sogar Deutsch spricht.“ Annis prüfender Blick wurde mit einem selbstbewussten Lächeln und einem erhobenen Krug erwidert. Kuni hatte das Gefühl, dass Annis naturrote Haare auch bei ihm Gefallen gefunden hatten. Als der große Gutaussehende aufstehen wollte, drückte ihn sein Freund mit irritierender Entschiedenheit wieder auf den Stuhl.

      „Stay seated!“, pfiff er ihn in militärischem Ton zurück. Sichtlich betreten stierte der so Angeschnauzte vor sich hin. „Sorry“. „Never mind“, flüsterte der andere kleinlaut. „Let’s have another beer“, schlug der Kleinere versöhnlich vor. Er gab Kuni ein Handzeichen mit zwei gestreckten Fingern.

      Als sie die Krüge auf den Tisch stellte, spürte sie zwischen den beiden eine angespannte Atmosphäre. Schon nach wenigen Minuten verließen sie das Gasthaus. Der Kleine deutete beim Hinausgehen auf den Tisch mit den zurückgelassenen Dollarscheinen.

      Seit ihrer Kindheit erlebte Anni einen psychisch labilen Vater, der zu unberechenbaren Wutanfällen neigte, vor allem, wenn man seine Verbote missachtete. Aber sie ließ sich nicht von seinem spürbaren Hass auf alles Amerikanische anstecken. Dennoch musste sie all ihre Bedenken und Skrupel überwinden, um Kuni wieder im Grünen Baum abzuholen. Sie spürte aber auch, dass das Lächeln des Unbekannten und der für sie zum Gruß erhobene Krug Eindruck auf sie gemacht hatte. Schon beim Betreten des Gastraums wurde sie von Kuni begrüßt. Als diese bemerkte, dass Anni den Raum sondierte, lächelte sie vielsagend und deutete mit dem Kopf in die hintere Richtung. Die beiden Freunde saßen am selben Tisch wie gestern und hatten ihr Kommen bemerkt.

      An Anni gerichtet, rief der Gutaussehende mit den braunen Augen und den buschigen Augenbrauen laut genug, um das Gebrüll der anderen GIs zu übertönen: „Wollt ihr euch zu uns setzen?“ Kaum war die Einladung ausgesprochen, stand der andere abrupt auf und drängte an Anni vorbei zum Ausgang.

      „Was hat er denn?“, fragte sie irritiert. „Robert ist anfangs immer etwas scheu. Das gibt sich aber mit der Zeit.“ Zögernd nahm Anni Platz auf dem frei gewordenen Stuhl. „Ich bin Mike“, stellte er sich vor, indem er sich kurz erhob. Anni gefiel diese Art alter Höflichkeit. Sie versuchte, auf Englisch zu antworten. „My name is Anni“. „Bleiben wir doch bei deiner Sprache. Pardon, ist Duzen o. k.?“, fragte er nach.

      „Kein Problem. Woher hast du dein gutes Deutsch?“, wollte Anni wissen. „Meine Familie stammt aus Deutschland und wir sprachen zuhause häufig Deutsch.“

      „Soll ich noch etwas bringen, bevor ich hier Schluss mache?“, mischte sich Kuni ein. „Nicht nötig, wir gehen ja gleich“, gab Anni kurz zurück. Sie hatte am Tonfall bemerkt, dass Kuni ihr die Plauderei mit Mike offenbar nicht gönnte oder wegen des anstehenden Kinobesuches drängte.

      Leicht verlegen versuchte Mike, den Gesprächsfaden wiederaufzunehmen. „Ich habe dich erst gestern hier gesehen. Aber du scheinst die Bedienung zu kennen.“ „Ja, Kuni ist meine beste Freundin.“ Sie schaute sich forschend nach Kuni um. „Wir kennen uns

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