Warum tut er das?. Lundy Bancroft
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Ein missbrauchender Mann schmückt vielleicht sein Leiden aus der Kindheit aus, wenn er entdeckt hat, dass es ihm hilft, sich der Verantwortung zu entziehen. Das National District Attorney’s Association Bulletin berichtete über eine aufschlussreiche Studie, die an einer anderen Gruppe destruktiver Männer durchgeführt wurde: an Missbrauchstätern von Kindern. Der Forscher fragte jeden einzelnen, ob er selbst als Kind sexuell missbraucht worden sei. Stolze 67 Prozent der Probanden sagten ja. Der Forscher teilte den Männern dann jedoch mit, dass er sie einem Lügendetektortest unterziehen und ihnen dieselben Fragen erneut stellen werde. Die Zahl der bejahenden Antworten fiel plötzlich auf nur noch 29 Prozent. Mit anderen Worten: Missbrauchstäter jeglicher Art sind sich meist bewusst, wie weit sie damit kommen, wenn sie sagen: „Ich missbrauche, weil mir dasselbe angetan wurde.“
Obwohl der typische misshandelnde Mann bemüht ist, ein positives öffentliches Image aufrechtzuerhalten, trifft es zu, dass einige Frauen missbrauchende Partner haben, die für alle unangenehm oder einschüchternd sind. Was ist mit diesem Mann? Sind seine Probleme die Folge der Misshandlung durch seine Eltern? Die Antwort lautet sowohl ja als auch nein; es hängt davon ab, über welches Problem wir sprechen. Seine Feindseligkeit gegenüber der Menschheit mag aus der Grausamkeit seiner Erziehung herrühren, aber er missbraucht Frauen, weil er ein Missbrauchsproblem hat. Die beiden Probleme hängen zusammen, sind aber unterschiedlich.
Ich sage nicht, dass Sie kein Mitgefühl für das Leid Ihres Partners in seiner Kindheit haben sollten. Ein missbrauchender Mann verdient dasselbe Mitgefühl wie ein nicht missbrauchender Mann, nicht mehr und nicht weniger. Aber ein nicht-misshandelnder Mann benutzt seine Vergangenheit nicht als Vorwand, um Sie zu misshandeln. Mitleid mit Ihrem Partner kann eine Falle sein, wenn Sie sich dadurch schuldig fühlen, weil Sie sich seiner Misshandlung widersetzt haben.
Manchmal sage ich zu einem Klienten: „Wenn Sie so in Kontakt mit Ihren Gefühlen aus Ihrer missbräuchlichen Kindheit sind, dann sollten Sie wissen, wie sich Missbrauch anfühlt. Sie sollten in der Lage sein, sich daran zu erinnern, wie erbärmlich es war, grundlos niedergemacht und in Angst versetzt zu werden und gesagt zu bekommen, dass der Missbrauch Ihre eigene Schuld sei. Sie sollten deswegen eher weniger dazu neigen, eine Frau zu misshandeln, und nicht mehr, nachdem Sie es selbst durchgemacht haben.“ Sobald ich diesen Punkt anspreche, hört er in der Regel auf, seine schreckliche Kindheit zu erwähnen. Er will nur dann auf seine Kindheit aufmerksam machen, wenn er sie als Ausrede benutzt, sich nicht zu verändern, nicht aber, wenn es ein Grund ist, sich zu ändern.
Mythos Nr. 2:
Seine frühere Partnerin hat ihn schrecklich misshandelt, und jetzt hat er als Folge davon ein Problem mit Frauen. Er ist ein wunderbarer Mann, und nur wegen ihr ist er jetzt so geworden.
Wie wir bei Fran in Kapitel 1 gesehen haben, kann die bittere Vorgeschichte eines Missbrauchstäters durch seine emotionale Zerstörung vonseiten seiner Ex-Frau oder -Freundin einen starken Einfluss auf seine gegenwärtige Partnerin haben. Meist erzählt der Mann seine Geschichte in der Version, dass seine Ex-Partnerin ihm das Herz gebrochen habe, indem sie ihn betrogen hat, vielleicht mit unterschiedlichen Männern. Wenn Sie ihn fragen, wie er es herausgefunden hat, antwortet er, dass „jeder“ davon wusste oder dass seine Freunde es ihm erzählt haben. Vielleicht sagt er auch: „Ich habe sie selbst dabei erwischt, wie sie mich betrogen hat“, aber wenn man ihn drängt zu erzählen, was er tatsächlich gesehen hat, stellt sich oft heraus, dass er nichts gesehen hat, oder dass er sie spät in der Nacht mit einem Kerl reden oder in seinem Auto fahren sah, „deswegen wusste ich es“.
Er kann andere Wunden beschreiben, die er von einer früheren Partnerin davongetragen hat: Sie hat versucht, ihn zu kontrollieren; sie wollte ihm keine Freiheit lassen; sie erwartete, dass er sie von vorne bis hinten bedient; sie hetzte die Kinder gegen ihn; aus reiner Rachsucht „ließ sie ihn sogar verhaften“. Was er beschreibt, sind normalerweise seine eigenen Verhaltensweisen, aber er schreibt sie der Frau zu, sodass er das Opfer ist. Auf diese Weise kann er bei seiner neuen Partnerin Sympathien gewinnen, vor allem weil so viele Frauen – leider – wissen, was es heißt, misshandelt zu werden, sodass sie Empathie für seine erlittene Qual haben.
Der misshandelnde oder kontrollierende Mann kann eine Fülle von Ausreden aus seinen früheren Beziehungen ziehen und zum Beispiel dafür verwenden, dass er die Freundschaften seiner jetzigen Partnerin kontrolliert und sie beschuldigt, ihn zu betrügen: „Es liegt daran, dass meine Ex-Partnerin mich so schlimm verletzt hat, indem sie mich so oft betrogen hat, und deshalb bin ich so eifersüchtig und kann dir nicht vertrauen.“ Oder dafür, dass er einen Tobsuchtsanfall bekam, als sie ihn bat, er möge hinter sich aufräumen: „Meine Ex-Partnerin hat jede meiner Bewegungen kontrolliert, und so macht es mich jetzt wütend, wenn ich das Gefühl habe, dass du mir sagst, was ich tun soll.“ Oder aber dafür, dass er eigene Affären hat oder nebenbei andere Liebesinteressen verfolgt: „Letztes Mal wurde ich so verletzt, dass ich jetzt wirklich Angst davor habe, mich zu binden, und deshalb möchte ich mich weiterhin mit anderen Menschen einlassen.“ Er kann zu jeder seiner kontrollierenden Verhaltensweisen eine passende Ausrede erfinden.
Ich empfehle folgenden Grundsatz zu beachten, wenn ein wütender oder kontrollierender Mann Behauptungen über Ex-Frauen in seinem Leben aufstellt:
Wenn es eine Ausrede für sein missbräuchliches Verhalten Ihnen gegenüber ist, ist es eine Verzerrung
Ein Mann, der in einer Beziehung mit einer Frau wirklich misshandelt wurde, würde diese Erfahrung nicht nutzen, um damit davonzukommen, dass er jemand anderen verletzt hat.
Betrachten Sie die Situation für einen Moment von der anderen Seite: Haben Sie jemals gehört, dass eine Frau behauptet, der Grund, warum sie ihren männlichen Partner ständig misshandelt, seien die erlittenen Misshandlungen durch einen Ex-Partner? Diese Ausrede ist mir in den über dreißig Jahren, in denen ich auf dem Gebiet der Misshandlung tätig bin, noch nie begegnet. Sicherlich habe ich Fälle erlebt, in denen Frauen Schwierigkeiten hatten, einem anderen Mann zu vertrauen, nachdem sie einen Missbrauchstäter verlassen hatten, aber es gibt einen wichtigen Unterschied: Ihre früheren Erfahrungen mögen erklären, wie sie sich fühlt, aber sie sind keine Entschuldigung dafür, wie sie sich verhält. Und dasselbe gilt für einen Mann.
Wenn einer meiner Klienten eine frühere Beziehung für sein gegenwärtiges grausames oder kontrollsüchtiges Verhalten verantwortlich macht, hake ich mit einigen Fragen nach: „Hat Ihre Ex-Partnerin jemals gesagt, dass sie sich von Ihnen kontrolliert oder eingeschüchtert fühlt? Wie sieht sie die Geschichte? Haben Sie jemals in der Wut die Hand gegen sie erhoben oder hat sie jemals eine einstweilige Verfügung erwirkt?“ Wenn er mit seinen Antworten fertig ist, weiß ich normalerweise, was passiert ist: Er hat auch diese Frau misshandelt.
Es ist in Ordnung, Mitgefühl mit einem Mann wegen seiner schlechten Erfahrung mit einer Ex-Partnerin zu haben, aber in dem Moment, in dem er das Erlebnis als Vorwand benutzt,