Didaktik /Methodik Sozialer Arbeit. Johannes Schilling

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Didaktik /Methodik Sozialer Arbeit - Johannes Schilling Studienbücher für soziale Berufe

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Forschungsergebnisse: Grundsätzlich sind folgende Erkenntnisse über unser Gehirn und dessen Arbeit festzuhalten: Das Gehirn

      –lernt immer, aber auf seine individuelle Weise.

      –ist kein Datenspeicher, sondern ein Datengenerator.

      –lernt am besten unter leichter Anspannung, leichtem Stress.

      –ist neugierig.

      –ist ein soziales Organ und sucht die Kooperation.

      –und seine neuronalen Netze müssen durch häufigen Gebrauch stabilisiert werden.

      –wird nicht durch Auswendiglernen von Sachverhalten, sondern durch Lösen von Problemen optimiert.

      –ist rastlos. Es sucht nach Anregungen, Abwechslung. Es ist lernsüchtig.

      –sucht nach Belohnung, Erfolg.

      –kann in seiner Leistungsfähigkeit kaum überfordert werden, die Gefahr liegt eher in einer Unterforderung (Braun 2009).

      Nach dieser allgemeinen Auflistung von Funktionen unseres Gehirns sollen im Folgenden einige besonders wichtige Funktionssysteme vorgestellt werden.

      Spiegelneuronen

      2.Spiegelneurone: Die Neurobiologie von intuitivem Verstehen und Empathie, diese vielleicht letzte große Frage der Hirnforschung, scheint vor ihrer Aufklärung zu stehen. Grund ist die Entdeckung der sogenannten Spiegel-Nervenzellen, die Anfang der 1990er Jahre entdeckt wurden (Bauer 2009). Sie ist in ihrer Bedeutung vergleichbar mit der Entdeckung der DNA.

      „Die Spiegel-Nervenzellen versorgen uns durch ihre stille Mit-Reaktion mit einem inneren Wissen über die Bedeutung der Handlung, die wir beobachten. Dieses innere Wissen ist intuitiv, es stellt sich von alleine in uns ein. Wir müssen nichts tun, um die Spiegelneuronen in Aktion zu setzen, sie werden von alleine aktiv. Die Spiegelneurone lassen uns aber nicht nur jene Teilabschnitte einer Handlung verstehen, die wir eins zu eins beobachten konnten. Sie lassen uns vielmehr auch dann, wenn wir nur den Anfang einer Handlung sehen konnten, erahnen, was im nächsten Moment kommen wird. Warum ist das so? Motorische Nervenzell-Netzwerke kodieren nicht nur den Plan einer bestimmten Handlung, sondern auch die erwartbare Gesamtsequenz dieser Handlung. Wenn motorische Spiegelneurone beim Beobachten einer Handlung mitreagieren, dann tun sie dies, sobald aufgrund der Beobachtung ein hinreichender Anfangsverdacht vorliegt, worauf eine begonnene beobachtete Aktion hinauslaufen wird. Da sie den Plan für den gesamten Ablauf einer Handlung gespeichert haben, vermitteln Spiegelzellen dem Beobachter also einen vorausschauenden Eindruck davon, was das Ergebnis einer beobachteten Handlung sein wird. Spiegelneurone fahren im miterlebenden Beobachter also nicht nur ein stilles inneres Simulationsprogramm, sondern sie informieren ihn auch über den – aufgrund bisheriger Erfahrungen – wahrscheinlichen Ausgang einer Handlungssequenz. […] Spiegelzellen vermitteln uns das, was wir meinen, wenn wir sagen, dass wir das Handeln eines anderen Menschen – intuitiv und ohne langes Nachdenken – verstehen.“ (Bauer 2009, 52f.)

      Spiegelneurone sind die neurobiologische Basis für das Lernen am Modell.

      „Spiegelzellen vermitteln zweierlei:

      –Indem sie in uns in Resonanz gehen, informieren sie uns mit einem in uns ausgelösten Gefühl (mit einer Intuition) über das, was sich in anderen Menschen abspielt.

      –Zusätzlich haben Spiegelzellen aber auch die Tendenz, uns anzustecken. Sie können uns mit der Stimmung eines Anderen infizieren (z.B. mit Lachen, guter Laune oder mit Gähnen).“ (Bauer 2009, 112)

      Letztes Ziel der Spiegelung ist, dass Menschen in dem Spiegelbild nach einer Auskunft über sich selbst suchen.

      Beziehungen

      3.Beziehungen: Alles Lehren und Lernen bedeutet Beziehungsgestaltung. Wer andere zu kompetenten, starken und selbstbewussten Persönlichkeiten erziehen bzw. anleiten, unterstützen will, muss in Beziehungen denken und in Beziehungsfähigkeit investieren.

      „Obwohl wir täglich, ja fast fortwährend in Beziehungen leben, wird selten reflektiert, was eine Beziehung eigentlich ausmacht, d.h. was in den jeweils Beteiligten dabei eigentlich vor sich geht und welche Stellschrauben uns zur Verfügung stehen, um das Beziehungsgeschehen zu beeinflussen.“ (Hüther 2009, 111)

      Für eine Pädagogik fordert Hüther daher:

      „Worum es geht, ist eine andere Kultur in unseren Schulen, eine andere Beziehungskultur der Wertschätzung, Ermutigung und der Unterstützung, in der Vertrauen wachsen kann und Kinder und Jugendliche in die Lage versetzt werden, hochkomplexe Muster in ihren Gehirnen aufzubauen. Eine zweite Ebene, auf der sich etwas ändern muss, ist die Lernkultur in unseren Schulen […]. Die dritte Ebene ist die Erziehungskultur. Wir müssen begreifen, dass die Vermittlung von Kompetenzen wichtiger ist als Vermittlung von Wissen. Wir brauchen als Lehrer starke Persönlichkeiten und keine Fachidioten.“ (Hüther 2009, 205f.)

      Motivation

      4.Motivation: Ein weiteres verblüffendes Ergebnis fand die Hirnforschung heraus:

      „Was die Motivationssysteme des menschlichen Gehirns aktiviert, ist die Beachtung, das Interesse, die Zuwendung und die Sympathie anderer Menschen; was sie inaktiviert, ist soziale Ausgrenzung und Isolation. […] Die stärkste Motivationsdroge für den Menschen ist der andere Mensch! Dies bedeutet: Es gibt keine Motivation ohne zwischenmenschliche Beziehung. Menschen sind in ihren zentralen Motivationen auf soziale Akzeptanz hin orientierte Wesen.“ (Bauer 2009, 110)

      Interessant sind diese Ergebnisse in Bezug auf soziale Ausgrenzung und Demütigung.

      „Sie beschränken sich nämlich nicht nur auf eine biologische Lähmung des Motivationssystems. Neuere Untersuchungen zeigen, dass Ausgrenzung aus der Sicht des Gehirns ähnlich wahrgenommen wird wie absichtsvoll zugefügter körperlicher Schmerz. Da zugefügter körperlicher Schmerz ein potenter Auslöser von Aggression ist, wird verständlich, warum auch soziale Ausgrenzung bzw. Bindungslosigkeit aggressives Verhalten begünstigt. Das Gehirn macht keine bzw. kaum eine Unterscheidung zwischen körperlichen und psychischem Schmerz und beantwortet daher beides mit Aggression.“ (Bauer 2009, 111)

Da das Gehirn ein Sozialorgan ist, ist es auf Beziehungen angewiesen. Beziehungsarbeit ist daher das Kerngeschäft des Lehrenden.images

      Gefühle

      5.Gefühle: Lernen bedeutet nicht passive Wissensaufnahme (Nürnberger Trichter), das Wissen entsteht im Netzwerk des Gehirns selbst. Lernen ist immer mit Emotionen verknüpft. Dabei spielt das limbische System eine bedeutende Rolle. Es besteht aus den Hirnteilen Großhirnrinde, Hippocampus, Amygdala, Mesolimbisches System und Neuromodulatorisches System. Die wichtigste Rolle in diesem System spielt die Amygdala, der Mandelkern.

      „Die gesamten limbischen Zentren bilden das zentrale Bewertungssystem unseres Gehirns. Dieses System bewertet alles, was durch uns und mit uns geschieht danach, ob es gut/vorteilhaft/lustvoll war und entsprechend wiederholt werden sollte, oder schlecht/nachteilig/schmerzhaft und entsprechend zu meiden ist. Es legt diese Bewertung im emotionalen Erfahrungsgedächtnis nieder, das weitgehend unbewusst arbeitet. In jeder Situation wird vom limbischen System geprüft, ob diese Situation bereits bekannt ist bzw. einer früheren sehr ähnelt, und welche Erfahrung wir damit gemacht haben.“ (Roth 2009, 61)

      Das limbische System versteht sich praktisch als Türöffner für Lernprozesse und Leistungen.

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