Agro-Food Studies. Ernst Langthaler

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Agro-Food Studies - Ernst Langthaler

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die ‚Biokiste‘ (eine regelmäßig zugestellte Auswahl an saisonalem, biologisch produziertem Obst und Gemüse), die solidarische Landwirtschaft (vgl. Box 3.4) oder Lebensmittelkooperativen (Box 3.5). Auch globale Initiativen wie die → slow-food-Bewegung oder Via Campensina tragen zur Bewusstseinsentwicklung bei und stärken kurze qualitätsorientierte Warenketten in den Regionen.

      Im Vergleich zu globalen Produktionssystemen sind regionale Warenketten kürzer und zeichnen sich durch die geografische und/oder soziale Nähe vergleichsweise weniger Betriebe und Personen aus. Noch weniger AkteurInnen umfasst nur die → Prosumption (siehe Abschnitt 9.5.3). Beim Selbstanbau in Eigen- und Gemeinschaftsgärten bzw. in Selbsternteprojekten erfolgen Produktion und Konsum durch dieselbe Person.

      LebensmittelaktivistInnen und vermehrt auch Marketingabteilungen des Lebensmitteleinzelhandels verknüpfen Regionalität argumentativ mit sozialer Nähe, mit Mitsprachemöglichkeiten bei der Definition von Qualitätsstandards (→ Ernährungssouveränität, Kapitel 9) oder mit der Förderung ‚authentischer‘, an die regionalen naturräumlichen und soziokulturellen Verhältnisse angepasster Lebensmittel und konstruieren damit Versprechen, die weit über kürzere Transportwege und entsprechende Klimaeffekte hinausgehen. Sie implizieren kausale Verknüpfungen zwischen der „Wo-Frage“ und der „Wie-Frage“, die so faktisch nicht bestehen (Ermann 2015).

      Ohne Rechtsdefinition wird Regionalität bei Lebensmitteln sehr unterschiedlich interpretiert und lässt je nach Interessenlage viel Definitionsspielraum (Hinrichs 2003; Ermann 2005; Sonnino 2013). Dass Regionalität sehr subjektiv ist, zeigen auch VerbraucherInnenbefragungen. Während einige den Begriff „regional“ sehr eng auf die nähere Umgebung mit einer maximalen Entfernung oder den Landkreis/Kanton/Bezirk festlegen, bestimmen ihn andere mit den Grenzen des Bundeslands oder des Nationalstaats. Viele assoziieren mit Regionalität aber auch eine kurze Wertschöpfungskette, direkte Interaktion mit den ProduzentInnen, Wissen über die Herkunft, bessere Qualität oder höhere soziale und ökologische Produktionsstandards. Hier seien beispielhaft vier überlappende, teilweise aber auch widersprüchliche Definitionsinhalte veranschaulicht:

      imagesLebensmittel, bei denen die KonsumentInnen die Bedingungen von Produktion, Verarbeitung oder Vertrieb mitbestimmen können (selbstproduzierte Lebensmittel, Lebensmittelkooperativen, solidarische Landwirtschaft; siehe Box 3.4).

      imagesLebensmittel persönlich gut bekannter ProduzentInnen, die den KonsumentInnen sozial (aber nicht unbedingt räumlich) nahestehen (die Marmelade der Großeltern oder der Schnaps des befreundeten Bauern am Urlaubsort).

      imagesLebensmittel, die in räumlicher Nähe produziert, verarbeitet und konsumiert werden; die räumliche Nähe definiert sich über einen bestimmten Kilometerumkreis (z. B. max. 50 km), die Länge der Transportwege entlang der gesamten Warenkette oder die Zugehörigkeit zum selben soziokulturellen Identifikationsraum (z. B. aus demselben Bundesland).

      imagesLebensmittel mit Herkunftsnachweis, die u. U. auch für internationale Märkte und weit entfernte KonsumentInnen produziert werden (z. B. rechtlich geschützte Herkunftsbezeichnungen wie Schweizer Gruyère oder Steirisches Kürbiskernöl) (siehe Abschnitt 3.4.3).

      Mitglieder, die üblicherweise in einem Verein organisiert sind, schließen mit Bäuerinnen und Bauern einen Vertrag ab, in dem sie sich verpflichten, die kalkulierten Kosten für die Jahresproduktion inklusive eines ausgehandelten Stundenlohns für die anfallenden landwirtschaftlichen Tätigkeiten anteilig zu bezahlen. Im Gegenzug erhalten sie einen entsprechenden Anteil der Ernte, der je nach Wetter und Bewirtschaftungsgeschick unterschiedlich groß ausfallen kann. Die Risiken von Missernten werden so zumindest teilweise von der Landwirtschaft zu den Mitgliedern verschoben. Die Vereinbarung regelt auch, was in welcher Menge und wie angebaut wird. Teilweise helfen Mitglieder bei landwirtschaftlichen Arbeiten oder übernehmen Aufgaben der Administration oder Warenverteilung. Diese erfolgt an vereinbarten Abholplätzen und zu festgelegten Zeiten. Man vertraut darauf, dass die Mitglieder nicht mehr nehmen, als ihnen zusteht, und die Betriebe tatsächlich die entsprechenden Ernteanteile an die Mitglieder weitergeben und bei der Produktion die vereinbarten Tierschutz- oder Umweltauflagen erfüllen. Auf eine Bio-Zertifizierung und externe Kontrollen wird oftmals verzichtet.

      Im Gegensatz zu Lebensmitteln, von denen man nicht weiß, woher sie kommen (food from nowhere; Campbell 2009), verfügen all die oben angeführten Lebensmittelkategorien über eine den KonsumentInnen bekannte Herkunft (food from somewhere; Campbell 2009).

      3.3.1 Triebfedern der Regionalisierung

      Regionalisierung als Gegenbewegung oder als Teil der Globalisierung

      Infolge von Globalisierungsprozessen, der steigenden Außer-Haus-Verpflegung und des erhöhten Verarbeitungsgrads gekaufter Lebensmittel haben Menschen teilweise die Kontrolle darüber verloren, was sie sich mehrmals täglich – im wahrsten Sinne des Wortes – einverleiben. Die Qualität hoch verarbeiteter und verpackter Produkte ist nur schwer über den Geruchs- und Geschmackssinn bzw. über Form oder Farbe zu beurteilen. KonsumentInnen verlassen sich auf ExpertInneninformationen, die Angaben auf Etiketten und Speisekarten sowie auf das staatliche System der Lebensmittelkontrolle. Diese Regulative produzieren oder substituieren aber nur bedingt das Vertrauen, das durch medial aufbereitete Lebensmittelskandale immer wieder erschüttert wird. Eine sehr kleine, aber wachsende Gruppe von Menschen hinterfragt die Folgen globalisierter Lebensmittelsysteme und beklagt Vertrauens- und Kontrollverlust, den Strukturwandel in der Landwirtschaft und im Gewerbe, die Ausbeutung von Mensch und Natur oder die Dominanz des Preisarguments über jenem der Qualität. Stattdessen legen sie Wert auf langfristige und möglichst persönliche Beziehungen zu ProduzentInnen in der eigenen Region. Insbesondere in den Monaten nach größeren internationalen Lebensmittelskandalen bietet Regionalität Orientierung und subjektive Sicherheit im globalisierten und für den einzelnen Menschen nicht zu überschauenden Lebensmittelmarkt (Großsteinbeck 2012).

      In diesem stark durch KonsumentInnen gesteuerten Versorgungssystem organisiert eine Gruppe von Mitgliedern den gemeinsamen Einkauf und die Verteilung meist regionaler Bioprodukte. Bauernhöfe des Vertrauens liefern die bestellten Lebensmittel, die dann aus den Lagerräumlichkeiten der Kooperative abgeholt werden. Aufgaben der Selbstverwaltung und Lebensmittelverteilung werden durch ehrenamtlich tätige Mitglieder arbeitsteilig bewerkstelligt. Die Abholung basiert oft auf Vertrauen (selbst abwiegen, verpacken und den entsprechenden Geldbetrag hinterlegen). Mitglieder akzeptieren auch nicht zertifizierte Bauernhöfe als Biobetriebe. Aufgrund der persönlichen Beziehung vertrauen sie darauf, dass diese nachhaltig produzieren, auch wenn sie nicht extern kontrolliert werden.

      Regionale Lebensmittel werden oftmals als Gegengewicht zu durchgreifenden Standardisierungs- und Homogenisierungsprozessen in der internationalen Lebensmittelindustrie verstanden. Die Vielfalt regionaler Ess- und Speisekulturen, die etwa von der slow-food-Bewegung propagiert wird, schlägt sich auch in einer Vielfalt von Kulturlandschaften, Sorten und Nutztierrassen nieder (z. B. die Lüneburger Heide mit ihren typischen Heidschnucken). In einer globalisierten Welt bindet sich Identität oftmals genau an diese Heterogenität regionstypischer

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