Film- und Fernsehanalyse. Lothar Mikos

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Film- und Fernsehanalyse - Lothar Mikos

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Aktivitäten abzutasten. Dabei geht es allerdings nicht darum, einzelne Bildinformationen gewissermaßen herauszupicken und als relevant anzusehen, sondern die Aktivität des Zuschauers liegt darin, die verschiedenen Aspekte des Bildes zueinander in Beziehung zu setzen (vgl. Ellis 1992, S. 54). Dabei kommt den einzelnen gestalterischen Mitteln besondere Bedeutung zu, denn sie lenken die Aufmerksamkeit der Zuschauer. Außerdem haben sie eine narrative Funktion, indem sie den Plot unterstützen. Sie dienen als Hinweise, die zum Verständnis der Filmerzählung beitragen und Erwartungen auf den Fortgang hervorrufen können (vgl. Ohler 1994, S. 36). Daher sind die gestalterischen Mittel für die Geschichte im Kopf der Zuschauer unentbehrlich.

      Für eine Analyse der formalen, stilistischen Mittel müssen diese sowohl einzeln betrachtet als auch in ihrem Zusammenwirken untersucht werden. Letzteres wird bereits dann deutlich, wenn die Einzelelemente in ihrer narrativen Funktion herausgearbeitet werden. In den Mittelpunkt der Analyse rücken dabei folgende Aspekte eines Films oder einer Fernsehsendung: die Kamera, die Ausstattung, das Licht, der Ton, die Musik, die Spezialeffekte, die Montage bzw. der Schnitt. Abgesehen vom Schnitt gehören alle Elemente zu dem, was in der Filmwissenschaft auch als »Mise-en-Scène« bezeichnet wird. Knut Hickethier (2012, S. 50 f.) spricht in diesem Zusammenhang von »Bildkomposition«. Manche Wissenschaftler rechnen die Kamera nicht dazu (vgl. dazu auch Rowe 1996, S. 93 f.). Generell umfasst Mise-en-Scène alle Elemente, die in die Szene gebracht werden. Wichtig ist dabei ihre Beziehung zueinander (vgl. Belton 1994, S. 43 f.; Bordwell/Thompson 2013, S. 112 ff.) sowie zu Inhalt und Repräsentation, Narration und Dramaturgie, Figuren und Akteuren. Das Zusammenspiel der gestalterischen Mittel regt die Aktivitäten der Zuschauer an und bindet sie in den Prozess des Verstehens und Erlebens von Film und Fernsehen ein. Welche Rolle die einzelnen Gestaltungsmittel spielen, wird in Kapitel 4 in Teil II ausführlich dargestellt.

      Die konventionellen Darstellungs- und Gestaltungsmittel, auch filmische oder televisuelle Codes genannt, lenken die Aufmerksamkeit der Zuschauer und haben einen wesentlichen Anteil an der Produktion von Bedeutung. In diesem Sinn können sie als die ästhetischen Mittel von Film und Fernsehen begriffen werden, die in der sinnlichen Wahrnehmung der Film- und Fernsehtexte durch die Zuschauer konkretisiert werden. Daher kann ein Erkenntnisinteresse, das sich auf diese formalästhetischen Mittel richtet, sehr fruchtbar sein. So ist es beispielsweise möglich, in der Analyse die Rolle der Kamera beim Aufbau der emotionalen Beziehung zwischen einer Filmfigur und dem Zuschauer herauszuarbeiten oder die Bedeutung der Montage für den Aufbau dramaturgischer Spannung zu untersuchen.

      Film- und Fernsehtexte erhalten ihre Bedeutung erst in der Interaktion mit ihren Zuschauern. Diese Interaktion steht nicht in einem gesellschaftsfreien Raum, sondern findet in Kontexten statt: in historischen, ökonomischen, juristischen, technischen, kulturellen und sozial-gesellschaftlichen. Für die Analyse von Filmen und Fernsehsendungen sind in ihrer Funktion für die Bedeutungsproduktion der Zuschauer vor allem fünf Kontexte zentral, die sich auf die textuelle, die mediale und die kulturell-gesellschaftliche Ebene von Film- und Fernsehtexten beziehen:

      – Gattungen und Genres

      – Intertextualität und Transmedia Storytelling

      – Diskurs

      – Lebenswelten

      – Produktion und Markt

      Historische, juristische und gesellschaftliche Kontexte werden hier nur berücksichtigt, insofern sie einen der fünf genannten Kontexte beeinflussen. Diese Kontexte sind für die Analyse in zweierlei Hinsicht bedeutsam: Einerseits spielen sie bei den bisher genannten Ebenen der Analyse (Inhalt und Repräsentation, Narration und Dramaturgie, Figuren und Akteure, Ästhetik und Gestaltung) eine wichtige Rolle, indem sie sich konkret auf die Film- und Fernsehtexte auswirken. Andererseits findet die Produktion von Bedeutung nicht unabhängig von ihnen statt.

      Je nach Kontext können Zuschauer mit demselben Film oder derselben Fernsehsendung unterschiedliche Bedeutungen produzieren. Denn: »Kulturelle Texte sind immer kontextuell artikuliert, in unterschiedlichem Maße polysem strukturiert, haben widersprüchliche, instabile und bestreitbare Bedeutungen« (Winter 2001, S. 347). Je nach Genre sind Figuren und Akteure z.B. anders gestaltet, und die Narration korrespondiert auf je andere Weise mit der Ästhetik. So spielen – wie bereits erwähnt – Komödien meist in hellen Räumen, Horrorfilme dagegen sind in dunklen, unübersichtlichen Häusern lokalisiert. Polizisten spielen in Gangsterfilmen und Thrillern als Antagonisten der Gangster und Nebenfiguren eine andere Rolle als in Polizeifilmen, in denen sie die Protagonisten und Helden sind. Je nach den Diskursen, die zu einer bestimmten Zeit in einer Gesellschaft zirkulieren, fällt die Produktion von Bedeutung bei einzelnen Filmen und Fernsehsendungen unterschiedlich aus. Tony Bennett und Janet Woollacott (1987, S. 64 f.) haben den Begriff »reading formations« geprägt, mit dem sie ausdrücken, dass Texte zu unterschiedlichen Zeiten abhängig von sozialen und kulturellen Entwicklungen auch unterschiedlich gelesen werden. Filme greifen auch zeitbedingte gesellschaftliche Diskurse auf, die sie bereits in einer bestimmten Epoche verorten, in der sie sich auch für die Zuschauer ganz wesentlich in die Zirkulation von Bedeutung einfügen. Während z.B. die Science-Fiction-Filme der 1950er und 1960er Jahre sich in den Diskurs des Kalten Krieges einfügten, ist die »Star Trek«-Serie in Film und Fernsehen eher in einem Diskurs des technologischen Aufbruchs und der multikulturellen Gesellschaft verortet. Auch James Bond hatte zu Zeiten des Kalten Krieges andere Aufgaben als in den 1980er Jahren (vgl. Bennett/Woollacott 1987). Im Folgenden werden die fünf für die Analyse relevanten Kontexte kurz in ihrer Bedeutung für die Film- und Fernsehtexte und deren Zuschauer geschildert, bevor dann in Kapitel 5 in Teil II des Buches ausführlicher auf die damit verbundenen theoretischen Ansätze eingegangen wird.

      Da narratives Wissen und das Wissen um die filmischen Darstellungsformen eine wichtige Rolle im Prozess des Filmverstehens und der Entwicklung der individuellen Geschichte im Kopf spielen, ist es wichtig, in der Analyse das Genre des zu analysierenden Films zu bestimmen und die Konventionen der Erzählung und der Darstellung herauszuarbeiten. Denn die Zugehörigkeit eines Films oder einer Fernsehsendung zu einem bestimmten Genre strukturiert bereits die Erwartungen des Publikums vor. Ein Genre ist in diesem Sinn gewissermaßen ein Gebrauchswertversprechen. Jeder wird von einer Gameshow die Darbietung von Spielen erwarten und nicht den Bericht über soziale Missstände in Großstädten. Niemand wird von einer Nachrichtensendung erwarten, dass dort ein Fantasy-Rollenspiel oder eine Hundedressur stattfinden, aber jeder wird von einem Western erwarten, dass dort galoppierende Pferde und schießende Männer zu sehen sind. Die Inszenierung von Figuren, Beziehungen, Handlungsräumen oder Interaktionsmustern hängt u.a. vom Genre ab. So wird z.B. Gewalt je nach Genre unterschiedlich inszeniert (vgl. Mikos 2001b). Unter dem Begriff »Genre« werden hier Muster und Konventionen der Erzählung bezeichnet, die als »Systeme von Orientierungen, Erwartungen und Konventionen, die zwischen Industrie, Text und Subjekt zirkulieren« (Neale 1981, S. 6), verstanden werden.

      Ohne die Genrezuordnung und die Kenntnis der Genrekonventionen können Probleme beim Verständnis des Films oder der Fernsehsendung auftauchen. Die Geschichte im Kopf lässt sich nicht mehr so recht zusammenfügen. Wenn z.B. in einem Film zeitweise Gegenstände durch die Luft schwirren, weil die Gesetze der Schwerkraft nicht gelten, werden die Zuschauer eine andere Geschichte im Kopf bilden, wenn sie wissen, dass es sich um einen Science-Fiction-Film handelt, als wenn sie von einem Melodram ausgehen und die entsprechenden Szenen als symbolischen Ausdruck der Innenwelt der Protagonistin ansehen. Nur wer die Genrekonventionen des Western kennt, wird die komischen und zum Teil ironischen Elemente in einem Film wie »Erbarmungslos« verstehen können und an dem Spiel mit den Genrekonventionen und der damit verbundenen Thematisierung des Western-Mythos seine Freude haben (vgl. Monsees 1996, S. 61 ff.). Die Kenntnis des

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