Handbuch Bibeldidaktik. Группа авторов
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Einerseits sind die biblischen Schriften von Menschen verfasst und sind deshalb wie alle anderen Schriften mit prinzipiell allen möglichen Methoden befragbar: Wie und wann ist der Text entstanden und von wem kommt er? Ist eine ursprüngliche Intention erkennbar? Hat es mögliche Zusätze gegeben, sind Redaktionsprozesse denkbar? Trotz einer wissenschaftsgemäß nicht eindeutigen Antwort zeigen sich innerhalb der Forschung Tendenzen und immer wieder auch breite Übereinstimmungen.
Andererseits reicht allein die Frage nach dem historischen Werden der Bibel theologisch nicht aus, denn es ist der Akzent auch auf die „Botschaft“ der Bibel insgesamt zu richten – sie ist die „Heilige Schrift“ des Christentums.[1] Wer die Bibel als Ganzes in den Blick nimmt, setzt den Kanonisierungsprozess voraus und fragt nach der Gegenwartsrelevanz: Und hier sind Kirche und Theologie |26|prinzipiell zuversichtlich, dass die Bibel sich als zuverlässiges und wirkmächtiges Zeugnis von Geschichte und Person Gottes erweist – immer wieder neu.
Entstehung des Alten Testaments
Im Judentum wurden zwischen ca. 250 und 50 v. Chr.[2] die im heutigen AT vorhandenen Schriften zusammengestellt. Die Hebräische Bibel hat aber eine andere Reihenfolge als das christliche AT. In drei „Abteilungen“ stehen dort die Tora (5 Bücher Mose), gefolgt von den Nebi’im (Propheten) und den Ketubim (andere Schriften); zusammengefasst mit dem Kunstwort „TeNaK“ (sprich: tenach; T = Tora, N = Nebi’im und K = Ketubim). Zwar gab es noch bis ins 3. Jh. n. Chr. im Judentum Diskussionen über einzelne Schriften (z.B. beim Buch Ester und bei Kohelet), aber im Prinzip gab es schon früh Klarheit über den Kernbestand der jetzt 22 Schriften umfassenden Sammlung. Die einzelnen Schriften sind nach gegenwärtiger Auffassung in ihrer Endfassung zwischen dem 6. und 2. Jh. v. Chr. entstanden, wobei viele ältere schriftliche und mündliche Überlieferungen eingearbeitet wurden (die bislang bekanntesten ältesten erhaltenen schriftlichen Fragmente sind zwei erst 1979 entdeckte Silberrollen aus dem 7. Jh. v. Chr. mit dem aaronitischen Segen aus Num 6). Immer wieder gibt es in der exegetischen Wissenschaft Diskussionen über die genaue Entstehungszeit einzelner Schriften und verschiedene Hypothesen über die Art und Weise der Redaktion.[3] Die Texte sind auf Hebräisch verfasst; einzelne Abschnitte aus dem Danielbuch sind aramäisch. Schon ab dem 3. Jh. v. Chr. entstand die Septuaginta („Übersetzung nach den Siebzig“), die griechische Übersetzung der Hebräischen Bibel. Die Septuaginta, die die Reihenfolge der Schriften zum Teil veränderte, war für viele Christen im 1. Jh. ihre Fassung der Heiligen Schriften.
Das christliche AT fußt auf der jüdischen Sammlung und hat den Textbestand übernommen. Da dieser aber sowohl in der Hebräischen Bibel als auch in der Septuaginta verschieden vorliegt, hat sich in der christlichen Kirche keine ganz einhellige Entwicklung ergeben. Einerseits ist die Vulgata (entstanden ab dem Ende des 4. Jh.s) vor allem als lateinische Übersetzung der Septuaginta zu sehen (wobei noch einmal die Reihenfolge der Bücher verändert wurde); andererseits ist schon früh deutlich, dass der eigentliche Referenztext die hebräische Fassung ist. Aufgrund der kirchenrechtlich hohen Bedeutung der Vulgata umfassen heute die Bibelfassungen der römisch-katholischen Kirche auch die Apokryphen, |27|wohingegen die Bibelfassungen der reformatorischen Kirchen sich am Textbestand der Hebräischen Bibel orientieren.
Entstehung des Neuen Testaments
Die 27 Schriften des NTs wurden vermutlich zwischen 50 und 120 n. Chr. auf Griechisch verfasst; als ältester Text gilt der 1 Thess, als jüngster der 2 Petr. Vor allem in den synoptischen Evangelien ist deutlich, dass sie einzelne (mündlich und schriftlich überlieferte) Erzählungen, Wunder und Worte integriert haben. Die genaue Entstehungsgeschichte der teilweise bis in den Wortlaut übereinstimmenden Evangelien ist immer wieder umstritten; als breiter Konsens gilt zur Zeit, dass Mt und Lk einerseits Mk und andererseits eine sogenannte Logienquelle (meist als Q abgekürzt)[4] vorlagen. Alle Evangelien haben aber in der jeweiligen Komposition ihre besondere theologische Perspektive auf Jesus herausgearbeitet.
Grundstock der Schriftensammlung des späteren NTs waren aber nicht die Evangelien, sondern Paulusbriefe. Zwar ist heute umstritten, ob alle unter dem Namen des Paulus verfassten Schriften tatsächlich von ihm und nicht eher von Paulus-Schülern verfasst wurden[5] (als nicht von Paulus stammend gelten heute 1 und 2 Tim, Tit und 2 Thess; unsicherer sind Eph und Kol), aber bereits um 200 liegt eine Sammlung von Paulusbriefen vor, die den heutigen Umfang hat.[6] Spätestens ab der Mitte des zweiten Jh.s werden in den Sonntagsgottesdiensten aber auch die Evangelien verlesen und gegen Ende des zweiten Jh.s stehen zumindest in Teilen der Christenheit die ersten zwei Drittel des späteren NTs faktisch in Geltung. Die endgültige Herausbildung des Kanons wurde neben der faktischen Durchsetzung in den christlichen Gemeinden auch durch Gruppierungen forciert, die z.T. eigene Sammlungen aufstellten (Marcion, Montanismus) – sie forderten die Kirche heraus, durch eine Festlegung der autoritativen Schriften ihren „Kanon“ (Messregel) zu fixieren. Gegen Ende des 3. Jh.s stand dann der heute vorhandene Umfang des NTs faktisch fest.[7]
|28|Die Kanonisierung in theologischer Sicht
„Mit Hilfe des Kanons als ‚Richtschnur‘ – in der ursprünglichen, griechischen Bedeutung des Wortes – lässt sich ermessen, wer sich ‚in der Wahrheit befindet‘ (Foucault) und wer nicht“.[8] Es ist also durchaus möglich, den Akt der Kanonisierung beispielsweise machtpolitisch zu verstehen – und die uns vorliegende Bibel wäre dann eben das Produkt möglicherweise sogar zufällig vorhandener Machtkonstellationen in der Alten Kirche. Solch ein Urteil greift aus mehrfacher Hinsicht zu kurz. Einmal ist es historisch zu simpel, weil es nicht zwischen einer „Kanonisierung via facti und einer Kanonisierung im Sinne eines Rechtsaktes“[9] unterscheidet – und von einem Großteil der biblischen Schriften ist zu sagen, dass sie sich faktisch in den Gemeinden als heilige Schriften durchgesetzt haben und sie nicht gleichsam „von oben“ dekretiert wurden. Gab es denn Kriterien für die Anerkennung? Hier wird man zurückhaltend sein müssen. Es gab das Kriterium der Apostolizität, aber es ist zu fragen, ob dies immer nur personal verstanden wurde, ohne dass man eine feste „regula fidei“ hatte. Auch war die Übereinstimmung mit den Schriften des ATs entscheidend. Und schließlich war die Durchsetzung in den Gemeinden als solche (via facti) wesentlich. Damit ist aber schon deutlich: Es gibt die Bibel als Kanon, weil es die Kirche gab, die ihn „beschlossen“ hat. Als Grund für die Kanonbildung kann sicher auch der identitätsstiftende Charakter, den v.a. J. Assmann herausgestellt hat, gesehen werden.[10] Deutlich aber ist schon damit, dass die Kanonbildung auch theologisch zu verstehen ist. Denn das Vorhandensein der Bibel Neuen und Alten Testaments ist als Bekenntnis der Kirche zu verstehen: Die „Feststellung als Kanon, seine Bezeichnung und Abgrenzung als solche [ist] ein Akt der Kirche, ein Akt ihres Glaubens, ihrer Erkenntnis und ihres Bekenntnisses“.[11] Die Kirche hat diese Schriften also als Wort Gottes verstanden – oder genauer: dass die Kirche den Kanon „nur als schon geschaffenen und ihr gegebenen Kanon