Handbuch Bibeldidaktik. Группа авторов
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Reliefausschnitt aus dem Geburtshaus des Tempels in Dendera (röm. Zeit)
(Abb. nach Keel/Schroer, 2002, 122)
|35|Von der Alterität von Gott und Mensch handelt ein weiterer Vergleichspunkt mit dem Alten Orient, nämlich die Frage nach dem Ziel der Menschenschöpfung. Während die Rede von der Gottebenbildlichkeit in Gen 1 die Stellvertreterfunktion unterstreicht, beschreibt Gen 2f. die Funktion des Menschen im Bebauen und Bewahren. Dass Arbeit im Alten Orient als eine Grundkonstante menschlicher Existenz begriffen wurde, findet sich anschaulich in verschiedenen mesopotamischen Texten belegt: Die Menschen werden infolge eines Streits zwischen den Göttern geschaffen, wer für den im kargen Mesopotamien unabdingbaren Kanalbau zur Bewässerung der Felder zuständig ist.[13]Atr. I, 1700096>195En.el. VI,50096>8.TUAT III/3f. Auch in der mesopotamischen Königsideologie wird diese Bestimmung bildlich zum Ausdruck gebracht, wenn der König, dessen wichtige Pflicht zahlreichen Texten nach der Bau und Erhalt von Tempeln ist, selbst als Korbträger dargestellt wird.[14]
Innerhalb der stark ausdifferenzierten Götterhierarchie Mesopotamiens sind die Menschen also als Handlanger der Götter geschaffen, mit dem Ziel, den Frieden im Pantheon zu sichern. In Gen 2f. ist die Arbeit im Gottesgarten zwar ebenfalls Thema, doch handeln erst die Fluchsprüche in Gen 3,1–18Gen 3,10096>18 von deren Mühsal und Beschwernis. Davor ist Arbeit an keiner Stelle negativ konnotiert. Wenn auch das Ziel des Menschen zur Arbeit in den Traditionen übereinstimmt, so ist die Bewertung verschieden. Der alttestamentlichen Anthropologie nach hat der Mensch einen relativen Eigenwert gegenüber (dem einen) Gott. Religionspädagogisch lassen sich aus einem Vergleich Überlegungen zur Frage nach dem Sinn des Lebens/Sinn von Arbeit in Verbindung mit aktuellen Problemen wie Exklusion, Arbeitslosigkeit etc. ableiten.
Gottesbilder
Das christliche Verständnis des alttestamentlichen Gottesbildes ist vordergründig durch einen heilgeschichtlichen Zugang geprägt[15], der Gottes Geschichte mit Israel als eine Etappe der Verheißungs- bzw. Befreiungsgeschichte mit den Menschen charakterisiert. Erzeltern, Exodus, Landgabe- bzw. Landnahmegeschichte, Königsgeschichte bis hin zum babylonischen Exil werden in der religionspädagogischen Umsetzung als Folie verwendet, um einerseits den individuellen Lebensweg mit seinen Hoffnungen und Ängsten im Vergleich z.B. mit den „großen biblischen Gestalten“ zu beschreiben und andererseits die Bewältigung von Übergängen im Rückgriff auf das kollektive Gedächtnis (→ Art. Erzählen) zu thematisieren. Die alttestamentliche Heilsgeschichte hält zur Beschäftigung mit der Bibel als „Ur-Kunde christlichen Glaubens“ an, wobei die kulturelle Rückbindung an den Alten Orient daran erinnert, dass ein linear auf das NT zulaufendes heilsgeschichtliches Konzept fehlgeht. Stattdessen bietet es sich an, das im AT wie im gesamten Alten Orient verbreitete zirkulare Geschichtsdenken |36|aufzugreifen, wie es z.B. im Themenkreis von „Schöpfung, Flut/Zerstörung und Neuschöpfung“ sowohl in der Urgeschichte als auch im prophetischen Denken (z.B. DtJes) begegnet. Momente der mythischen wie der historischen Geschichte dienen als Paradigma der anhaltenden und sich in neuen Situationen wiederholenden Treue Gottes in Krisenzeiten.[16] Der Rückgriff auf die Heilsgeschichte des Volkes ist auch in den Vertrauensschilderungen der individuellen Klagepsalmen zugegen (Ps 22,5Ps 22,5), um der Hoffnung des Beters auf Wendung seiner persönlichen Not Nachdruck zu verleihen. Religionspädagogische Zugänge wie Bibliodrama und Bibliolog greifen den Gedanken der Reaktualisierung auf der Grundlage eines zirkulären Geschichtsbildes konzeptionell auf.
Der Alte Orient ist bezüglich des biblischen Gottesbildes außerdem wichtig für die Verhältnisbestimmung von Bild und Bilderverbot (→ Art. Bibel und Kunst). Verschiedene Unterrichtseinheiten sehen z.B. im Themenkomplex „Reformation“ vor, die kulturgeschichtlichen Auswirkungen des Bilderverbots in den Blick zu nehmen. Zuletzt unterstrichen aktuelle gesellschaftliche Konflikte (z.B. Karikaturenstreit) die Relevanz des Themas: Wie steht es um konkrete Gottesbilder, religiöse Symbole und die religiöse Bildsprache in den monotheistischen Religionen? Wie steht es um das Verhältnis von Bild und medial aufbereitetem Machterweis (religiöse Repräsentanz)? Der reformatorische Bildersturm, die kultisch geforderte Bildlosigkeit im Islam oder auch die deuterojesajanische Kritik an den aus der Umwelt bekannten Götterbildern (Jes 44Jes 44) zeigen verschiedene Facetten einer Auseinandersetzung, die ihre Letztbegründung jeweils in dem Exklusivitätsanspruch Gottes findet. Zwar trat in Abgrenzung zum Polytheismus des Alten Orients und der griechisch-römischen Kultur jüdischerseits an die Stelle der Götterbilder die Offenbarung durch die Heilige Schrift, was die Ausbildung des Bilderverbots im Juden- und z.T. im Christentum nach sich zog.[17] Da aber die biblischen Texte (wie auch der Koran) oft von Gott in Bildern sprechen, ist altorientalische Ikonographie unverzichtbar, um z.B. die sehr metaphorische Psalmensprache[18] („im Schatten seiner Flügel“; Gott als Hirte, König etc.[19]) wie auch die konzeptuelle Rede von der Gottebenbildlichkeit (s.o.) im Rückgriff auf die altorientalischen „realen“ Götterbilder zu erklären.
|37|Verwertbarkeit im RU
Die Auseinandersetzung mit dem Alten Orient in der Bibeldidaktik ermöglicht es, Religion und Glauben in ihrer historisch gewachsenen und kulturell bedingten Genese zu begreifen. Zu allen Zeiten haben Religionen sich aus vorausgehendem „Fremden“ entwickelt, um sich fortlaufend durch (und gegen) neue Fremdeinflüsse zu profilieren. Die multikulturelle(n) Gesellschaft(en) des 21. Jh.s machen es erforderlich, dass Traditionen aus Vergangenheit und Gegenwart historisch verortet werden, um ihre oft unreflektiert und eklektizistisch erfolgende Integration in das aktuelle Weltbild kritisch zu analysieren. Die Betrachtung des ATs als Teil altorientalischer Kulturgeschichte stützt die Profilierung der eigenen religiösen Identität in positiver Anerkennung anders verlaufender Traditionslinien, die inhaltlich und strukturell zwar verwandt sind, aber mitunter sehr andere theologische Prägung erkennen lassen. Neben den Texten steht Bildmaterial zur Verfügung, das der vergleichenden Betrachtung zu einem multimedialen Zugang verhilft.
Leseempfehlungen
BODO Bibel und Orient Datenbank online: http://www.bible-orient-museum.ch/bodo/
Gastaldi, Silvia/Musatti, Claire, Entdecke die Welt der Bibel. Neukirchen-Vluyn/Stuttgart 22005.
Kaiser, Otto (Hg.), TUAT. Gütersloh 2005 (CD-ROM); s. zuletzt auch Janowski, Bernd/Schwemer, Daniel (Hg.), Texte aus der Umwelt des Alten Testaments. Neue Folge. Bd. 8: Weisheitstexte, Mythen und Epen. Gütersloh 2015.
Keel, Othmar, Die Welt der altorientalischen Bildsymbolik und das Alte Testament. Am Beispiel der Psalmen. Göttingen 51996.
Lehmann, Christine/Schmidt-Kortenbusch, Martin, Dialogorientierter Religionsunterricht in integrierten