Philosophie der Wissenschaft. Georg Römpp

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Philosophie der Wissenschaft - Georg Römpp

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Konklusion so nicht begründet werden kann.

      Diese Analyse des Begriffs des Wissens, die zu drei Kriterien für dessen richtige Verwendung führt, ist dennoch nicht ganz unbestritten. Dies gilt weniger für die beiden ersten Kriterien – dass Wissen wahr und von jemandem geglaubt sein muss – als vielmehr für das dritte Kriterium. Dass das Wissen wahr sein muss, führt nur dann zu Problemen, wenn wir nach der Bedeutung dieses Adjektivs fragen und darüber hinaus noch danach, welche Kriterien denn erfüllt sein müssen, um etwas als wahr bezeichnen zu dürfen. Dieses Problem lassen wir hier auf sich beruhen, weil es weit besser gelingen wird, den Stand der Philosophie der Wissenschaft zu verdeutlichen, wenn wir uns auf den Aspekt des Begründens in jedem Wissen konzentrieren, als dies bei einer Beschäftigung mit dem Begriff der Wahrheit der Fall wäre, der in der Wissenschaft sowieso fast nirgends verwendet wird. Dass Wissen nicht als Gegenstand in der Welt vorhanden ist wie Steine, Bäume oder Kängurus, sondern von jemandem geglaubt bzw. für wahr gehalten werden muss, ist sicherlich einleuchtend.

      Es wurden allerdings Beispiele gefunden, die es weniger selbstverständlich machen, dass Wissen auch begründet sein muss. Wir müssen uns hier aber auf die Behauptung beschränken, dass diese Beispiele nicht ausreichen, um den Aspekt der Begründung aus dem Begriff des Wissens auszuschließen. Etwa wird das bekannteste Beispiel so oder ähnlich beschrieben: Jemand schreibt in einer Prüfung von dem neben ihm sitzenden Kandidaten ab, und zwar von jemandem, von dem er weiß, dass er in diesem Fach ein Star ist, und was abgeschrieben wurde, ist unbezweifelbares Wissen des Prüfungsfaches. Der Schummler erfüllt also eigentlich alle drei Kriterien des Wissens: er glaubt, dass seine nur abgeschriebenen Kenntnisse gelten, sie sind auch tatsächlich wahr, und er kann gerechtfertigt glauben, dass diese Kenntnisse wahr sind, denn sich auf Autoritäten zu stützen, ist eine Form der Rechtfertigung, wenn auch nicht immer eine gute. Sagen wir in diesem Fall aber, dieser Prüfling verfüge über Wissen? Intuitiv könnten wir dies verneinen. Dann sind wir aber nicht ganz konsequent, denn der größte Teil unseres Wissens wird nur durch Autoritäten gerechtfertigt. Dass ‚to look forward to‘ in der englischen Sprache ein nachfolgendes Gerundium fordert (‚I am looking forward to seeing you‘), wissen Kontinentaleuropäer ebenso nur durch Autoritäten – etwa durch die Verfasser englischer Grammatiken – wie wir die fundamentalen Sätze der Quantenmechanik nur durch die rechtfertigende Vermittlung durch Physiklehrer und -professoren kennen, obwohl kaum jemand ohne ein Studium der theoretischen Physik eine ausreichende Begründung dafür geben kann.

      Aber die Frage, welche Art von Begründung denn vorliegen muss, damit wir von ‚Wissen‘ sprechen können, weist uns auf eine weitere wichtige Struktur unserer Auffassung des Wissens hin, das wir der Wissenschaft zuschreiben, wie wir dies oben skizziert haben, und von dem eine ‚Wissenschaftstheorie‘ ein Wissen beansprucht, auch wenn es nur so einfach ist, wie wir es eingangs dem Alltagsverständnis zugeschrieben haben. Jene Beschreibung, die wir als eine einfache Form von ‚Wissenschaftstheorie‘ bezeichnen könnten, gibt einen Begriff von Wissenschaft an, der nicht unabhängig ist von der Bedeutung, die wir mit dem Begriff des Wissens verbinden, und wenn wir in diesen Begriff die Begründbarkeit einschließen, dann wird der gewusste Begriff des Wissens des Weiteren abhängig von der Bedeutung, in der wir bereit sind, von Begründung zu sprechen. Offensichtlich wird das Wissen von der Wissenschaft und das Wissen der Wissenschaft selbst verschieden sein, je nachdem, ob wir eine Begründung durch Autoritäten als ausreichend für diesen Begriff erachten oder nicht. Und selbst wenn wir dazu bereit sind, so werden sich weitere Fragen stellen wie: Wie viele Autoritäten benötigen wir? Genügt es, dass 95 % aller Klimatologen der Welt bestätigen, dass der Klimawandel wirklich und menschengemacht ist, oder müssen es 99 % sein? Welche Qualifikationen müssen die Autoritäten aufweisen? Genügt eine Promotion, müssen sie eine Professur haben, oder dürfen sich auch gewöhnliche Schullehrer einmischen? Und wenn das erstere oder das zweitere gilt, wo müssen sie studiert haben – in Stanford, am MIT, in Harvard/Yale/Princeton, oder darf es auch eine Universität in der bayerischen Provinz sein?

      Wir haben zunächst einen Begriff von Wissenschaft skizziert, der heute weitgehend akzeptabel sein dürfte – außer vielleicht dort, wo die wilden Kerle der Philosophie wohnen. Wir haben dann den Begriff des Wissens nach einer Auffassung beschrieben, die man heute als Standardauffassung ansehen kann: jemand weiß etwas, wenn er es glaubt (‚für wahr hält‘), wenn es wahr ist und wenn er es begründen kann. Nun haben wir gesehen, dass der Begriff des Wissens in noch unabsehbare weitere Probleme führt, wenn wir ihn näher bestimmen wollen. Dies gilt nicht nur für den Begriff des Wissens, das die Wissenschaft von der Welt gewinnen kann, sondern auch für den Begriff des Wissens, den wir mit jenem Begriff von der Wissenschaft beanspruchen müssen. Die Antwort auf die Frage, ob und wie weit wir jenen Begriff von Wissenschaft nach einer genaueren Prüfung akzeptieren können, und ob und wie weit das Wissen der Wissenschaft wirklich so ist, wie es in jener Auffassung beschrieben wird, hängt also offenbar von einigen schwergewichtigen Begriffen und deren näherer Bedeutung ab.

      Deshalb werden für die Prüfung der Angemessenheit jener Begriffe von Wissen und von Wissenschaft Fragen nach der Herkunft, der Richtigkeit und der Bedeutung von Begriffen eine zentrale Stelle einnehmen müssen. Wir haben bereits eine gut begründete Entscheidung darüber getroffen, welchem Begriff aus der Standarddefinition von Wissen wir im Folgenden in erster Linie nachgehen wollen: der Begriff des ‚Glaubens‘ (also der Subjektbeziehung des Wissens) wirft nur wenige Probleme auf, der Begriff der ‚Wahrheit‘ (der lange Zeit als die Objektbeziehung des Wissens bezeichnend aufgefasst wurde) ist in der Wissenschaft unbedeutend und würde Probleme aufwerfen, die weit über die Gegenwart der Philosophie hinausgreifen, wie etwa eben die Frage nach einer ‚Objektbeziehung‘ des Wissens selbst. Also zeigt sich der Begriff der Begründung als derjenige, dessen Untersuchung den besten Zugang dazu bietet, wie wir das Wissen von und das Wissen der Wissenschaft auffassen müssen.

      Möglicherweise wurde und wird das Begründen und Rechtfertigen als die dritte Dimension des Wissens gerade deshalb so leicht außer Acht gelassen, wenn von Wissen die Rede ist, weil wir damit in ein folgenreiches Problem geraten. Wenn das Vorliegen von Wissen von Begründungen abhängt, so müssen diese Begründungen offenbar selbst die Kriterien für ‚Wissen‘ erfüllen, sonst können wir mit ihrer Hilfe kein Wissen erzeugen. Das zeigte sich schon in dem obigen Hai-Beispiel sehr deutlich: wenn der Obersatz, mit dessen Hilfe der Schluss durchgeführt wurde, falsch ist, dann kann mit ihm die Konklusion offenbar nicht begründet werden, und es handelt sich nicht um ein Wissen, obwohl die Konklusion wahr ist. Ganz ähnlich würde man den Glauben, dass Zeitreisen möglich sind, nicht als Wissen ansehen, wenn als Begründung deren Vorkommen in Hollywood-Filmen angegeben wird, obwohl diese Möglichkeit durch die Relativitätstheorie begründet werden kann und dann ein Wissen darstellen würde. Das Problem ist offenbar, dass Wissen anderes Wissen voraussetzt, damit ersteres begründet werden kann, wobei letzteres folglich selbst begründungspflichtig ist durch wieder anderes Wissen. Das Problem ist also das eines unendlichen Regresses.

      Können wir diesen Regress nicht stoppen, so sind wir nicht berechtigt zu behaupten, dass wir überhaupt etwas wissen – weder in der Wissenschaft, noch über die Wissenschaft. Stoppen wir ihn aber auf eine falsche Weise, so können wir ebenfalls keinen Anspruch auf Wissen erheben. Etwa könnten wir uns entschließen, nach einigen Begründungsschritten bei unbegründeten Annahmen stehen zu bleiben. Das ist die häufigste Lösung, die wir im Alltag anwenden, wenn wir nach Begründungen – und nach Begründungen für Begründungen – gefragt werden. Damit kann man es sehr weit bringen und sehr überzeugend wirken; man muss nur solche unbegründeten Annahmen finden, die wir selbst und unsere Gesprächspartner als selbstverständlich unterstellen, d. h. an die sie glauben. Das mag für viele Zwecke ausreichen, aber von Wissen können wir dann natürlich nicht sprechen, denn jene Begründbarkeit, die zu den Kriterien für Wissen gehört, endet dann bei einem Glauben als einem ‚Fürwahrhalten‘, womit das zu begründende Wissen selbst nur einen Glauben darstellt – und dies auch dann, wenn es wahr ist.

      Eine andere Möglichkeit

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