Medienwandel. Joseph Garncarz

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dass hinreichend deutlich wird, was den Gegenstand der Medienhistoriografie ausmacht.

      Um die Kommunikation weniger störanfällig zu gestalten, soll hier keine Terminologie für Spezialisten im Elfenbeinturm entwickelt, sondern eine Definition gewählt werden, die sich an der dominanten Verwendungsweise des Begriffs in der Alltagssprache orientiert.

      [14]Zur Karriere eines Begriffs

      Der Begriff Medien hat ohne Zweifel Karriere gemacht. Wurde er Anfang des 20. Jahrhunderts noch selten verwendet, so ist er zu Beginn des 21. Jahrhunderts in aller Munde. Der Begriff wird jedoch nicht nur deutlich häufiger verwendet, sondern hat auch einen fundamentalen Bedeutungswandel erfahren. Ein Blick in einschlägige Enzyklopädien gibt einen ersten Eindruck der Begriffsgeschichte:

      Meyers Großes Konversationslexikon von 1905-1909 definiert den Begriff Medium folgendermaßen:

      »Medĭum (lat.), Mitte, Mittel, etwas Vermittelndes; in der griechischen Sprache ein eignes Genus des Verbums (s[iehe] d[ort]); in der spiritistischen Weltanschauung jemand, der den Verkehr mit der Geisterwelt vermittelt (→ Spiritismus); flanellartiger Wollenstoff für Frauenjacken u. dgl. mit 18-22 Fäden auf 1 cm aus Streichgarnen 14,000 m auf 1 kg.«3

      In den älteren indogermanischen Sprachen wurde die Art, in der sich das Subjekt zur Welt verhält, durch eine bestimmte Form des Verbs ausgedrückt.

      »Es gab dafür zwei Reihen von Formen: für das aktive Verhältnis oder Activum und für das Medium, d. h. für dasjenige Verhältnis, wobei das V[erbum] in der reflexiven oder einer sonstigen besonders nahen Beziehung zum Träger der Aussage steht. Auch das Passivum konnte mit den letztern Formen bezeichnet werden. Auch diese Verhältnisse, das sogen[annte] Genus des Verbums, gelangten an den Endungen zum Ausdruck.«4

      Als Medium galt also die Form des Verbs, die deutlich macht, dass sich die Aussage in einem besonderen Maß auf den Sprecher selbst bezieht.

      Meyers online definiert den Begriff Medium einhundert Jahre später so:

»1.[lateinisch ›Mitte‹] das, Plural Medien, allgemein: Mittel, vermittelndes Element.
2.[lateinisch ›Mitte‹] das, Plural Medien, Kommunikationswissenschaft: jedes Mittel der Publizistik und Kommunikation (→Medien).
3.Physik: Träger physikalischer oder chemischer Vorgänge, insbesondere im Sinne der Vermittlung von Wirkungen (z. B. Luft als Träger von Schallwellen); häufig synonym mit ›Stoff‹, ›Substanz‹ verwendet. Elektromagnetische, Gravitations- und Materiewellen breiten sich ohne Medium aus.
4.Parapsychologie: ein Mensch mit paranormalen Fähigkeiten. (→Okkultismus, →Parapsychologie, →Spiritismus)«5

      [15]Unter »Medien (Publizistik)« heißt es:

      »Medien [lateinisch], Vermittlungssysteme für Informationen aller Art (Nachrichten, Meinungen, Unterhaltung), die durch die →Neuen Medien starke Erweiterung erfahren haben; im engeren Sinn die Massenmedien (→Massenkommunikation).«6

      Die Bedeutung des Begriffs Medium bleibt im 20. Jahrhundert zumindest in zweierlei Hinsicht konstant: Der Begriff wird im Sinn von »vermittelndes Element« unverändert verwendet, und zudem bleibt die parapsychologische Verwendung des Begriffs als konkrete Objektbedeutung bestehen.

      Zu diesen tradierten Bedeutungen kommen im Verlauf des 20. Jahrhunderts neue Bedeutungen hinzu, die die älteren, wenn nicht verdrängen, so doch im alltäglichen Sprachgebrauch überlagern. Eine hervorragende Quelle für Wortbedeutungen ist über Enzyklopädien hinaus das Digitale Wörterbuch der deutschen Sprache des 20. Jahrhunderts (DWDS), das über rund 80.000 Texte mit 100 Millionen Wörtern verfügt.7 Die Texte entstammen den Textsorten Belletristik, Gebrauchsliteratur, Zeitung und Wissenschaft. Sie verteilen sich gleichmäßig auf alle Jahrzehnte des 20. Jahrhunderts. Wertet man dieses Textkorpus aus, kann man grundlegende Aussagen über den Wandel des Medienbegriffs machen.

      Der Begriff Medium wird erst seit den 1980er-Jahren inflationär verwendet. Taucht er im Textkorpus seit 1900 etwa 100-mal pro Jahrzehnt auf, so steigert sich die Nutzung in den 1990er-Jahren um den Faktor 10. Die häufigere Verwendung des Begriffs in den 1980er- und 1990er-Jahren erfolgt nicht primär in der Belletristik oder in der Gebrauchsliteratur, sondern in journalistischen und wissenschaftlichen Texten.

      Der Begriff wird – wie auch die zitierten Enzyklopädie-Artikel zeigen – Anfang des 20. Jahrhunderts in aller Regel nur im Singular gebraucht, Ende des 20. Jahrhunderts aber ganz überwiegend im Plural. Der Begriff, der sich Anfang des 20. Jahrhunderts überwiegend auf konkrete Objekte bezog (»ein Genus des Verbums«, »jemand, der den Verkehr mit der Geisterwelt vermittelt«, »flanellartiger Wollenstoff«), wird am Ende des Jahrhunderts in einem stärkeren Maß als ein Begriff auf einem höheren Syntheseniveau verwendet (»jedes Mittel der Publizistik und Kommunikation«, »Träger physikalischer oder chemischer Vorgänge«).

      Die häufigste Verwendung des Begriffs in den 1990er-Jahren bezieht sich auf die sogenannten Massenmedien Presse, Rundfunk und Fernsehen. Der Begriff zielt dabei in aller Regel nicht auf Unterhaltung, sondern auf aktuelle Berichterstattung und Meinungsbildung (weshalb der Film in einer solchen Aufzählung in aller Regel nicht auftaucht). Da es oft um eine wertende Benennung einer Wirkungsmacht von Presse, Rundfunk und Fernsehen geht, ist in der Regel von »den Medien« (und nicht etwa vom einzelnen Medium) die Rede.

       [16]

      Wortverlauf Medienim 20. Jahrhundert nach der Zahl der Nennungen im Kernkorpus des Digitalen Wörterbuchs der deutschen Sprache des 20. Jahrhunderts(www.dwds.de)

      Basisbegriffe

      Je mehrdeutiger und abstrakter ein Begriff ist, desto sorgfältiger muss man darauf achten, dass er klar definiert wird. Es gibt nicht die richtige Definition; es gibt nur konkurrierende Definitionen. Allerdings gibt es sinnvollere und weniger sinnvolle Definitionen. Eine Definition ist dann sinnvoll, wenn sie als Basiskonsens einer Gegenstandsbeschreibung zwischen Kommunikationspartnern dient und damit eine Wissensbildung bzw. -vermittlung über den jeweiligen Gegenstand befördert.

      Dieses Buch folgt nicht dem in Teilen der deutschen Medienwissenschaft anzutreffenden Trend, den Medienbegriff im Sinn der ursprünglichen lateinischen Bedeutung als »Mittel, etwas Vermittelndes« auf einer sehr hohen begrifflichen Syntheseebene zu fassen. Wenn man mit einem derart abstrakten Medienbegriff arbeitet, wird der Gegenstand der Medienwissenschaft unscharf, da Urknall und Mode, Geld und Luft, Rundfunk und Liebe nur so viel miteinander zu tun haben, dass sie »etwas vermitteln«. Je unpräziser der Medienbegriff definiert wird, desto rätselhafter wird, was der Gegenstand der Medienwissenschaften (und damit auch der der Medienhistoriografie) ist. Je unklarer die Konzeptualisierung des Gegenstandsbereichs einer wissenschaftlichen Disziplin jedoch ist, desto weniger relevant dürfte diese Disziplin für die Gesellschaft sein.

      [17]Als Medien werden in diesem Buch technische Verbreitungsmittel von Informationen von Mensch zu Mensch, ihre Nutzungsformen sowie die Institutionen, die sie verwenden bzw. hervorbringen, verstanden. Als technische Mittel gelten hier von Menschen gemachte, aus Werkstoffen bestehende Systeme (wie z. B. Druckerpresse, Filmkamera und -projektor, Fernseher, Smartphone, Computer), die mechanisch, elektrisch oder elektronisch funktionieren. Der Informationsbegriff wird hier semantisch definiert; eine Information ergibt für Produzenten und Rezipienten »Sinn«. Es geht also um die nachrichtentechnische Übertragung von Bits und Bytes nur insofern, als damit eine codierte Bedeutung übertragen wird. Die Information hat für die Produzenten

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