Medienwandel. Joseph Garncarz
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Wie kommuniziert wird, ist u. a. kulturell und sozial differenziert. Menschen sprechen nicht nur unterschiedliche Sprachen; die Art, wie sie kommunizieren, ist zudem von einer Fülle von Faktoren abhängig. Ein wichtiger Faktor ist die Abhängigkeit der Menschen voneinander. So unterscheidet sich die Kommunikation des Angestellten einer Firma mit seinem Chef von der eines Liebespaares untereinander. Die Kommunikation in einer militärischen Befehlskette ist eine völlig andere als die in einer Veranstaltung an einer Universität. Die Kommunikation unterliegt zudem einem grundlegenden gesellschaftlichen Wandel: Der Wertewandel, der sich infolge des Zweiten Weltkriegs in den westlichen Industriegesellschaften seit den 1960er-Jahren vollzogen hat, hat die Kommunikation in Firmen bzw. Universitäten in gewissem Umfang liberalisiert. Angestellte können heute ungezwungener mit ihren Chefs sprechen als in den 1950er-Jahren, und Studierende kommunizieren heute informeller mit ihren akademischen Lehrern.
Mit Medientechnologien wie dem Telefon oder Social Media wie Facebook oder Twitter wird eine Kommunikation über räumliche Distanzen hinweg möglich.
[24]Menschen tauschen sich über Privates oder Berufliches innerhalb der eigenen Stadt, des eigenen Landes oder über Kontinente hinweg aus. Die Kommunikation findet zeitgleich statt (wie beim Telefon oder Skypen) oder erfolgt nur in einem geringen Maß zeitverzögert (wie bei den Social Media Facebook oder Twitter).
Als Orientierung bezeichnet man die Fähigkeit des Menschen, sich zeitlich, räumlich und in Bezug auf sich selbst und seine Mitmenschen zurechtzufinden und die Welt in einem bescheidenen Maß kontrollieren zu können. Ein wichtiges Mittel zur Orientierung ist das Wissen, das symbolisch mittels Sprache und Schrift repräsentiert wird. Mithilfe des Wissens sind Menschen handlungsfähig; sie können sich zwischen Alternativen entscheiden und entsprechend handeln. Das Wissen ist jedoch keineswegs das einzige Orientierungsmittel. Menschen handeln auch, weil sich andere Menschen in einer bestimmten Art verhalten oder weil Menschen, die mit einer bestimmten Autorität ausgestattet sind, es von ihnen verlangen. Menschen orientieren sich oft am Verhalten anderer Menschen und treffen ihre Entscheidungen sogar wider besseres Wissen.
Grundsätzlich lassen sich zwei Formen des Wissens unterscheiden: das realitätsgerechte und das nicht-realitätsgerechte Wissen, wobei wir ein Wissen dann als realitätsgerecht bezeichnen, wenn es intersubjektiv einer Überprüfung standhält. Ein Beispiel dafür sind etwa die über GPS vermittelten räumlichen Daten, die es uns ermöglichen, mittels eines Navigationsgeräts oder einer entsprechenden App auf dem Smartphone einen Weg von A nach B zu finden. Ein anderes Beispiel ist etwa das Wissen um die Ansteckungswege bestimmter Krankheiten, das es uns ermöglicht, uns nicht zu infizieren, wenn wir uns entsprechend vorsehen.
Zum nicht-realitätsgerechten Wissen gehören Vorurteile, Gerüchte, Klatsch, Legenden und Märchen, aber auch das Religiöse. Viele Menschen glauben an überirdische Kräfte (die sie etwa als Ahnen, Geister oder Götter oder den einen Gott begreifen). Da etwa Christen und Moslems glauben, ihr religiöses Wissen stamme von Gott, fühlen sie sich daran gebunden. Da dieses (wie jedes andere) Wissen der Interpretation bedarf, spalten sich Religionsgemeinschaften oft in unterschiedliche Gruppen auf, wie z. B. Katholiken und Protestanten oder Sunniten und Schiiten. Religion ist immer ein kulturelles bzw. soziales Phänomen: Ein bestimmter Glaube bindet Menschen aneinander, indem er Menschen in Gläubige und Anders- bzw. Nichtgläubige differenziert. Da der Glaube nicht intersubjektiv überprüfbar ist, birgt er einen sozialen Sprengstoff, wenn unterschiedliche religiöse Gruppierungen aufeinandertreffen. Dies kann bis zur physischen Vernichtung der Anders- bzw. Nichtgläubigen führen.
Anders als das Religiöse ist das realitätsgerechte Wissen nicht kulturell oder sozial differenziert. Die Anforderungen an die Statik einer Brücke sind kulturübergreifend, das Wissen um die Übertragungswege von Krankheiten wie Cholera, HIV oder Ebola gilt grundsätzlich in allen Gesellschaften. Die Relevanz des Wissens[25] ist jedoch sehr wohl kulturell und sozial differenziert: Eine Stammesgesellschaft, die in einer Region lebt, in der es weder Flüsse noch Schluchten gibt, braucht das Wissen über die Statik von Brücken nicht, da sie keine Brücken baut. In Regionen, in denen eine bestimmte Krankheit wie Ebola grassiert, ist das Wissen um die Ansteckungswege dieser Krankheit von größerer praktischer Bedeutung als in Regionen, in denen es keine derartigen Krankheitsfälle gibt.
Zur Orientierungsfunktion der Medien gehört neben der Wissensvermittlung auch die Meinungsbildung. Um sich in der Welt orientieren zu können, muss die Relevanz des Wissens fortlaufend bewertet werden. Dies ist für den Mediennutzer allein dadurch möglich, dass Presse und Fernsehen über Ereignisse berichten – auch wenn sie selbst das Berichtete nicht bewerten. So kann sich der Leser bzw. Zuschauer eine Meinung über eine Regierung bilden, über deren Handeln berichtet wird. Darüber hinaus ermöglichen Kommentare zu Ereignissen bzw. Diskussionen in Tageszeitungen, im Rundfunk bzw. Fernsehen den Mediennutzern, ihre eigene Meinung zu bilden, indem sie sich das Urteil anderer zu eigen machen, das eigene gegen das Urteil anderer abgrenzen oder es modifizieren.
Unmittelbar mit der Orientierungs- hängt auch die Kontrollfunktion der Medien zusammen. Wer sich mittels Wissen in der Welt orientiert, indem er das Wissen selbst bewertet, wird handlungsfähig. Dies drückt sich etwa im Wahlverhalten der Menschen in demokratischen Gesellschaften aus. Entsprechend der eigenen Meinung, die auch in der Auseinandersetzung mit medialer Berichterstattung gebildet wird, wählt X etwa die Partei B und Y die Partei A. Investigative Journalisten aus Presse, Rundfunk und Fernsehen berichten über politische Entscheidungsträger und deren Handlungen. Indem sie etwa einen Machtmissbrauch aufdecken und diesen veröffentlichen, haben sie die gleiche Funktion wie Untersuchungsausschüsse von Parlamenten. Sie kontrollieren diejenigen, die Entscheidungsmacht haben, sodass Politiker ggf. zurücktreten müssen oder auch vor Gerichte gestellt werden.
Wissenserwerb jedweder Art beruht auf Lernen, das der Anstrengung jedes Einzelnen bedarf. Für die Wissensvermittlung bilden sich eigene Institutionen heraus, insbesondere Schulen und Universitäten, aber auch Medieninstitutionen wie Verlage, Rundfunk und Fernsehen.
Wissen kann angehäuft und so von Generation zu Generation weitergegeben werden. Mittel der Wissensspeicherung sind Medientechnologien. Das ständig wachsende Wissen, das Forscher weltweit täglich neu schaffen, wird mithilfe der Schrift festgehalten und via Medien (Zeitschriften, Bücher, World Wide Web) anderen zugänglich gemacht. Um etwas Neues zu erfahren, das bereits anderen, aber einem bestimmten Mediennutzer noch nicht bekannt ist, kann er etwa Zeitung lesen, eine Enzyklopädie zurate ziehen oder wissenschaftliche Literatur lesen. Auch das nicht-wissenschaftliche Wissen wird mittels Medientechnologien gespeichert[26] und von Generation zu Generation weitergegeben. So ist das Grundwissen von Hochreligionen wie Christentum oder Islam in Form von autoritativen Büchern, der Bibel bzw. dem Koran, symbolisch repräsentiert.
Als Unterhaltung bezeichnen wir eine menschliche Beschäftigung, die in erster Linie darauf ausgerichtet ist, Vergnügen – oder anders gesagt: Freude oder Spaß – zu bereiten, und dabei grundsätzlich ohne Konsequenzen für das wirkliche Leben bleibt. Menschen sehen sich Fernsehserien an, weil sie davon ausgehen, dass ihnen das Vergnügen bereitet. Sie gehen auf Pop- oder Rockkonzerte, weil sie sich für die Musik begeistern. Sie versammeln sich in Fußballstadien, um ihre Mannschaften gewinnen zu sehen. Natürlich stellt sich bei Fernsehserien oder Fußballspielen nur dann eine Freude ein, wenn dem Zuschauer die Serie gefällt bzw. die favorisierte Mannschaft gewinnt. Grundsätzlich bleibt das Vergnügen jedoch ohne Konsequenzen: Der Zuschauer wird nicht dafür bestraft, wenn er den Bösewicht eines Films umbringen möchte oder die gegnerische Fußballmannschaft lautstark wüst beschimpft.
Unterhaltung kann unterschiedlichen Zwecken