Friedens- und Konfliktforschung. Ines-Jacqueline Werkner

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Friedens- und Konfliktforschung - Ines-Jacqueline Werkner

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zählt zu den zentralen Grundbegriffen – nicht nur der Friedens- und Konfliktforschung, sondern der gesamten Sozialwissenschaften. Konflikte sind allgegenwärtig: Sie sind auf weltpolitischer Ebene, zwischenstaatlich, innergesellschaftlich sowie zwischenmenschlich und sogar intrapersonal anzutreffen. Zugleich gehört der Konfliktbegriff zu den umstrittensten seines Fachs. Er kann auf verschiedenste Weise verstanden und unterschiedlich eng und weit gefasst werden. Diese Debatten hat der Konfliktbegriff mit dem des Friedens gemeinsam. In der normativen Bewertung zeigen sich jedoch fundamentale Unterschiede: Zählt der Frieden als höchstes und anzustrebendes Gut, verbindet sich mit dem Terminus des Konflikts – insbesondere in seinem Alltagsverständnis – eine in der Regel negative Konnotation. Konflikte gelten gemeinhin als gewaltsame Erscheinungen, die einem friedlichen Miteinander abträglich und zu vermeiden beziehungsweise, sofern ausgebrochen, zu beenden sind. Ist ein solches Konfliktverständnis aber auch wissenschaftlich zu rechtfertigen und zu stützen? Dafür ist zunächst der Terminus selbst in den Blick zu nehmen.

      4.1 Zum Konfliktbegriff

      Konflikt ist dem lateinischen Ausdruck conflictus entlehnt und steht für Widerstreit und Zwiespalt. Etymologisch geht er auf confligere zurück, zusammengesetzt aus dem Präfix con (lateinisch für mit, zusammen) und dem Verb fligere (lateinisch für prallen). In dieser Ableitung stellen Konflikte – zunächst völlig wertneutral und unvoreingenommen – soziale Interaktionen beziehungsweise „soziale Tatbestände“ (Bonacker und Imbusch 2006, S.68) dar, an denen mindestens zwei Akteure1 (Individuen, Gruppen, Organisationen, Staaten etc.) beteiligt sind, charakterisiert durch unvereinbare Positionsdifferenzen.

      Johan Galtung (2007, S.135f.) betrachtet Konflikte als „triadisches Konstrukt“ (vgl. Schaubild 5), bestehend aus:

       dem Verhalten der Konfliktakteure, die den Konflikt anzeigen und bewusst werden lassen,

       den Einstellungen und Annahmen der Konfliktakteure in Bezug auf die angenommenen Konfliktursachen, die Wahrnehmung der eigenen Position und die Bewertung der anderen Partei sowie

       dem Widerspruch, ausgedrückt in inkompatiblen Zielzuständen.

      Schaubild 5:

      Das Konfliktdreieck nach Johan Galtung (2007, S.136)

      „Konflikt = Annahmen/Einstellungen + Verhalten + Widerspruch/Inhalt“ – so die Galtungsche Kurzformel (2007, S.135). Zwischen allen drei Komponenten besteht ein enger Zusammenhang; sie sind stets im Kontext zu betrachten. Dabei könne ein Konflikt von jedem Punkt aus beginnen: Beispielsweise könne ein Widerspruch, der ein gewünschtes Ziel versperrt, als Frustration erlebt werden und zu einer aggressiven Einstellung und einem aggressiven Verhalten führen. Aber auch negative Einstellungen oder Verhaltensdispositionen können – sofern „etwas ‚auftaucht’, das nach einem Problem aussieht“ (Galtung 2007, S.137) – aktiviert werden und zu einem manifesten Konflikt führen. Diese Mechanismen bergen das Potenzial, Gewaltspiralen auszulösen. Zugleich lassen sich aber auch negative Einstellungen und negatives Verhalten zügeln und Widersprüche überwinden.

      Galtung unterscheidet zudem zwischen der manifesten (sichtbaren) und latenten (unsichtbaren) Ebene eines Konflikts. Das Konfliktverhalten bildet die manifeste Ebene. Dagegen bleiben die Einstellungen der Akteure sowie ihre verfolgten Absichten und Ziele häufig im Verborgenen. Sie bilden die latente, unterbewusste Ebene des Konflikts. Dabei gebe es zwar Konflikte, die sich ausschließlich auf der latenten Ebene befinden, nicht dagegen Konflikte, die allein auf manifester Ebene verortet werden können.

      Soll aus einem Konflikt ein manifester werden, müssen die widerstreitenden, unvereinbaren Positionsdifferenzen auch offen kommuniziert werden. Das heißt: Die Positionsdifferenzen müssen den Akteuren bewusst sein und für sie handlungsbestimmend werden. Zudem müssen sie – so Werner Link (1994, S.100) – „eine kritische Spannung im Beziehungszusammenhang bilden“. Letzteres stellt eine notwendige Bedingung dafür dar, dass „aus in sich selbst ruhenden Individuen Konfliktparteien werden“ (Meyer 2011, S.29).

      4.2 Konflikte – unerwünschte Erscheinungen?

      Wie ein Konflikt bewertet und ob er als destruktive oder konstruktive Kraft wahrgenommen wird, hängt wesentlich von den jeweiligen theoretischen Vorannahmen ab. Idealtypisch lassen sich vier konflikttheoretische Positionen ausmachen (vgl. Bonacker und Imbusch 2006, S.76f.):

       Aus der Sicht konservativer Gesellschaftstheorien gilt Konflikt als pathologische Erscheinung, der die soziale Ordnung bedrohe und zu bekämpfen sei. Dem Konflikt kommt hier eine ausschließlich negative Funktion zu; die gesellschaftliche Konfliktrealität wird dabei weitgehend geleugnet.

       In einer abgeschwächten Variante wird Konflikt als Dysfunktion betrachtet. Hier wird die gesellschaftliche Konfliktrealität zwar nicht negiert, der Konflikt aber doch weitgehend negativ bewertet, sei er ein Anzeichen für die mangelnde Effizienz beziehungsweise das Nicht-Funktionieren gesellschaftlicher Strukturen.

       Andere betonen dagegen die integrative Funktion von Konflikten. Aus dieser Perspektive sei der Konflikt ein normales Phänomen von Gesellschaften. Hier erfährt der Konflikt eine positive Bewertung, insbesondere infolge seiner angenommenen systemintegrativen Funktionen.

       Darüber hinaus gibt es Vertreterinnen und Vertreter, die Konflikt als Katalysator sozialen Wandels betrachten. Aus dieser Perspektive werden soziale Konflikte als für die gesellschaftliche Entwicklung notwendiges Moment und Fortschritt der Geschichte verstanden.

      Was bedeutet nun aber die sozialwissenschaftliche Anerkennung der Rolle von Konflikten für den sozialen Wandel für die Friedens- und Konfliktforschung? Wie passt diese positive Funktionszuschreibung zu dem auch in der Friedens- und Konfliktforschung vorherrschenden negativen Bild von Konflikten? Hier gilt es zunächst, zwischen dem Konflikt und Formen seines Austrags zu unterscheiden (vgl. Wasmuht 1992, S.7; Bonacker und Imbusch 2006, S.68f.). Denn erfahren Konflikte – entgegen ihrer wertneutralen Beschreibung als soziale Tatbestände und ungeachtet ihrer auch positiven Funktionen – eine vorrangig negative Zuschreibung, ist dies häufig dem Umstand geschuldet, vorrangig Konflikte mit einem hohen Gewaltpotenzial im Blick zu haben. Diese Perspektive ist der Friedens- und Konfliktforschung auch eingeschrieben, befasst sie sich – wie im Kapitel 3 ausgeführt – mit der Frage, „welche Faktoren dazu beitragen, dass aus Konflikten gefährliche Konflikte werden und welche Möglichkeiten zu ihrer Einhegung bestehen“ (Struktur- und Findungskommission der Friedensforschung 2000, S.259). Ungeachtet dessen – und das ist stets mit im Blick zu behalten – werden die meisten der zwischen- wie auch innerstaatlichen Konflikte friedlich ausgetragen; nur wenige von ihnen entwickeln sich zu ernsten Krisen und von diesen wiederum enden etwa zehn Prozent im Krieg (vgl. Ruloff 2004, S.14; Bonacker und Imbusch 2006, S.75).

      Das erkenntnistheoretische Interesse der Friedens- und Konfliktforschung ist es also nicht, Konflikte per se zu vermeiden. Vielmehr geht es um einen gewaltfreien Austrag von Konflikten, das heißt um eine geregelte, zivile Konfliktbearbeitung. Das folgende Zitat illustriert diesen Sachverhalt in einem sehr anschaulichen Bild:

      „Konflikte sind […] das Salz in der Suppe sozialen Lebens. Weder versalzene Suppen – gewaltsam ausgetragene Konflikte – noch salzlose Suppen – völlig konfliktfreie Welten – sind wünschenswert.“ (List 2006, S.54)

      4.3 Konflikte – komplexe Phänomene

      Ausgehend von dem skizzierten Konfliktbegriff und -verständnis lassen sich weitere Bestimmungen vornehmen, die den Terminus näher qualifizieren

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