Friedens- und Konfliktforschung. Ines-Jacqueline Werkner

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Ausrichtung – in durchaus unterschiedlicher Weise an den Ergebnissen der Friedensforschungsinstitute interessiert. Illustrativ vergleicht Michael Brzoska (2012, S.134) das Verhältnis der Politik zur Wissenschaft mit dem des Betrunkenen zum Laternenpfahl: „Sie suchen Halt und nicht Erleuchtung.“ Dahinter steht die für die Friedensforschung virulente Frage, inwieweit angesichts dieser Situation „eine gleichermaßen kritische wie handlungsrelevante Friedensforschung“ (Senghaas 1971b, S.313f.) überhaupt möglich und sinnvoll ist.

      Zu den Trägerinnen und Trägern friedenspraktischen Handelns gehört neben der staatlichen Exekutive und den etablierten politischen Parteien auch die Öffentlichkeit, darunter insbesondere die Friedensbewegung (vgl. Schwerdtfeger 2001, S.181). Was lässt sich nun über die Beziehungen von Friedensforschung und Friedensbewegung konstatieren? Karlheinz Koppe (2009, S.78) fasst das Verhältnis beider unter dem Stichwort „ein Ziel, zwei Wege“ zusammen:

      „Sie verfolgen das gleiche Ziel: Frieden schaffen, wenn’s geht ohne Waffen und ohne Gewalt. Aber ihre Wege sind verschieden: […] Die Friedensforschung beansprucht, durch möglichst sorgfältige Untersuchung von Kriegsursachen und Friedensbedingungen den Weg dahin zu bahnen. Die Friedensbewegung will sich aktiv in das politische Geschehen einmischen, um mit gewaltfreien Demonstrationen, Protestaktionen und öffentlichen Aufrufen die gesellschaftlichen Verhältnisse in Richtung Friedensbereitschaft und Friedensfähigkeit zu verändern“ (Koppe 2009, S.78).

      Diese beiden Wege zeichnen sich im dialektischen Sinne durch „Nähe und Distanz“ (Koppe 1987, S.97) aus. Die Nähe ergibt sich durch die Verfolgung des gemeinsamen Ziels, Frieden zu befördern, jedenfalls dann, wenn Friedensforschung normativ verstanden wird. Für die Distanz spricht nach Karlheinz Koppe ein Aspekt, der an obiger Stelle bereits für den politischen Raum konstatiert wurde:

      „Die Forschung liefert Analysen (auch hinsichtlich denkbarer Strategien zur Umsetzung von Schlüssen aufgrund eben solcher Analysen in politisches Handeln), während die Bewegung Rezepte anbietet und oft die Analysen der Forschung – wenn überhaupt – nur nutzt, wenn sie ihre in der Regel politisch begründeten Vorschläge stützen“ (Koppe 1987, S.97f.).

      Diese „Unterwerfung der Friedensforschung“ (Koppe 1987, S.98) unter die eigenen Prämissen könne in der Friedensbewegung gegebenenfalls sogar noch „rigoroser, durch keine selbstkritische Toleranz gemäßigt“ (Koppe 1987, S.98) ausfallen als bei politischen Repräsentantinnen und Repräsentanten. Auch schrecken Vertreterinnen und Vertreter der Friedensbewegung bisweilen nicht davor zurück, Forschungsergebnisse einseitig in ihrem Sinne zu interpretieren (vgl. hierzu auch Schmitt 1990, S.101).

      Diese These von der Distanz wird von einer, wenn auch älteren empirischen Untersuchung in Finnland gestützt: Danach betrachte die Friedensbewegung die Friedensforschung (entgegen ihrem eigenen Selbstverständnis) als „einfache soziale Technologie“. Umgekehrt kritisiere die Friedensforschung Aktionen und alternative Wege der Friedensbewegung, die für diese einen hohen Stellenwert besitzen, als naive Utopie (vgl. Koppe 1987, S.99).

      Welche Schlussfolgerungen sollten Friedensforscher und -forscherinnen aus dieser Konstellation und den mit der Politikberatung verbundenen Herausforderungen ziehen? Nach Johan Galtung (1985, S.149) könne dies nur bedeuten, im Sinne wissenschaftlicher Glaubwürdigkeit sowohl zum Establishment als auch zum Anti-Establishment Distanz zu wahren. In diesem Sinne spricht sich auch Andrew Mack (1985) für eine öffentliche Bereitstellung von Informationen aus, ohne sich selbst in den Dienst dieser zu stellen (vgl. Koppe 1987, S.98). In der Praxis stellt dies für Friedensforscherinnen und -forschern ein nicht einfaches Unterfangen dar, gilt es, die wissenschaftliche Unabhängigkeit auch bei finanziellen Abhängigkeiten gegen potenziell entgegenstehende Akteursinteressen aufrechtzuerhalten.

      3.3 Zur disziplinären Verortung der Friedensforschung

      Umstritten ist zudem der disziplinäre Status der Friedensforschung: Zu klären ist zuvorderst, wie sich die Friedensforschung zu den Internationalen Beziehungen positioniert, beschäftigen auch diese sich mit dem Thementableau von Krieg und Frieden. Stellt sie eine Subdisziplin der Internationalen Beziehungen dar, kann sie als eigenständige Disziplin gelten oder fungiert sie eher als Forschungsverbund? Und was bedeutet die in diesem Kontext häufig konstatierte Interdisziplinarität – jüngst auch Transdisziplinarität – der Friedensforschung?

      Das Verhältnis zwischen der Friedensforschung und den Internationalen Beziehungen war von Beginn an weitgehend unbestimmt und ihre Forschungsfelder nicht klar voneinander abgegrenzt (vgl. Czempiel 1986, S.254). In den Anfangsjahren der Friedensforschung haben viele ihrer Vertreterinnen und Vertreter diese als Gegenentwurf zum neorealistischen Paradigma der Internationalen Beziehungen verstanden. Damit sollte explizit eine Alternative zur neorealistischen Annahme, Gewalt lasse sich nur durch Gegengewalt begrenzen, aufgezeigt werden (vgl. Bonacker 2011, S.66; Brühl 2012, S.174). Mit der seit den 1990er Jahren zu beobachtenden Verengung des Friedensbegriffs auf die Dimension des Schutzes vor Gewalt (vgl. Kapitel 1 dieses Lehrbuchs) sowie gegenwärtigen Forschungen zu militärischen Interventionen oder zur internationalen Schutzverantwortung scheint diese Form der Abgrenzung von den Internationalen Beziehungen immer weniger zuzutreffen. Im Gegenteil: Friedensforscherinnen wie Tanja Brühl (2012, S.172) konstatieren eine Annäherung der beiden Disziplinen: „Die Schnittmenge wird tendenziell eher größer als kleiner“.

      Was bedeutet nun dieser Befund für die Friedensforschung? Kann sie – auf Forschungen zum Frieden fokussiert – als eine Subdisziplin der Internationalen Beziehungen gelten? Die personellen und inhaltlichen Überschneidungen könnten symptomatisch dafür sprechen. So lässt sich zwischen Vertreterinnen und Vertretern der Internationalen Beziehungen und der Friedensforschung häufig nicht trennen. In diesem Sinne ist es kennzeichnend, dass sich unter den Autoren und Autorinnen von Lehrbüchern zu den Internationalen Beziehungen (vgl. Deitelhoff und Zürn 2016; Krell und Schlotter 2018) oder unter den Herausgebern und Herausgeberinnen von Zeitschriften der Internationalen Beziehungen (wie z.B. die Zeitschrift Internationale Beziehungen, ZIB) dezidiert auch Friedensforscher und -forscherinnen finden.

      Ein anderer Faktor spricht aber eher gegen die Annahme einer Subdisziplin: die Multidisziplinarität der Friedensforschung. Während sich die Internationalen Beziehungen als Teildisziplin der Politikwissenschaft etabliert haben und weitgehend mit einem politikwissenschaftlichen Theorien- und Methodenset arbeiten, verbindet sich mit der Friedensforschung eine Vielzahl von Disziplinen: Neben Vertreterinnen und Vertretern der Politikwissenschaft sind es Soziologinnen, Völkerrechtler, Historikerinnen, Philosophen, Theologinnen, Psychologen, Ethnologinnen, Ökonomen oder auch Naturwissenschaftlerinnen wie Physiker (vgl. Jahn 2012, S.7; auch Schneider et al. 2017), die ihre je eigenen theoretischen Ansätze und methodischen Zugänge in die friedenswissenschaftliche Forschung einbringen. So sind auch wegweisende Friedensforscherinnen und -forscher wie beispielsweise Johan Galtung nicht der Politikwissenschaft zuzurechnen.

      Wenn vieles dagegen spricht, die Friedensforschung als Subdisziplin der Internationalen Beziehungen zu verorten, kann sie dann als eigenständige Disziplin gelten? In den letzten Jahrzehnten ist zumindest eine deutliche Professionalisierung der Friedensforschung zu verzeichnen: In Deutschland – wie auch in Europa insgesamt – etablierten sich außeruniversitäre Friedensforschungsinstitute, universitäre Institute und Zentren, Masterstudiengänge zur Friedens- und Konfliktforschung, friedenswissenschaftliche Vereinigungen und Netzwerke sowie Stiftungen.1 Von der Institutionalisierung lässt sich aber noch nicht ohne Weiteres auf eine eigenständige Disziplin schließen. Dazu bedarf es bestimmter Kriterien: Eine Disziplin ist durch (1) den Gegenstand, (2) ein spezifisches Erkenntnisinteresse, (3) Theorien und deren systematische und historische Zusammenhänge sowie (4) (Kern-)Methoden gekennzeichnet und grenzt sich durch diese von anderen Disziplinen ab (vgl. Dubielzig und Schaltegger 2004, S.8; Sukopp 2013, S.19f.). Diesbezüglich verfüge die Friedensforschung zwar – so Wilfried Graf und Werner Wintersteiner (2016, S.45) – über „einen (wenn auch diffusen) Gegenstand, über den sie sich definiert: Frieden“, auch gebe es „ein Repertoire an (kontroversen)

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