Die Befragung. Armin Scholl
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In Ländern, in denen ein hoher Anteil der Bevölkerung mit Computern ausgestattet ist, oder bei Fragestellungen, für die spezielle Populationen mit hoher Wahrscheinlichkeit einer Computerausstattung befragt werden sollen, ist es auch möglich, den Fragebogen per Diskette zu verschicken. Das Verfahren [44]»Disk by Mail« (DBM) findet im Unterschied zum elektronischen Versand mit dem herkömmlichen Postversand statt.
Bei der Beilagenbefragung werden die Fragebögen einer Zeitschrift beigelegt oder in sie eingeheftet. Dies sind zumeist entweder vierseitige Fragebögen in der Heftmitte oder zweiseitige heraustrennbare Fragebögen bzw. Fragekarten im Postkartenformat, die irgendwo im Heft platziert werden. Die Beilagenbefragung senkt die Kosten der postalischen Befragung, da keine Versendungskosten entstehen. Allerdings muss ein Rückumschlag mit dem Aufdruck »Gebühren zahlt Empfänger« eingeheftet oder punktuell aufgeklebt werden.
2.3.2 | Stichprobe |
Die Bildung repräsentativer Stichproben erfolgt bei schriftlichen Befragungen vom Prinzip her ähnlich wie bei persönlichen oder telefonischen Befragungen; sie hängt aber insbesondere von der gewählten Variante ab. Eine postalische Verschickung von Fragebögen erfordert die Kenntnis von Adressen. Diese können etwa von Einwohnermelderegistern oder aus Telefonbüchern bzw. von CD-ROMs mit Telefonverzeichnissen ermittelt werden. Je nach Fragestellung der Untersuchung liegen Adressen mitunter bereits vor, etwa wenn die Abonnenten einer Zeitung befragt werden sollen (vgl. Nötzel 1987a: 153). Für die Beilagenbefragung gilt dies ebenfalls. Hier kann eine einfache Zufallsauswahl aus dem Abonnentenstamm gezogen oder – wenn der Anteil des freien Verkaufs hoch ist – der Fragebogen jedem x-ten Exemplar beigelegt werden.
Eine besondere Variante ist die Einrichtung von Access-Panels. Das ist ein Pool von vorrekrutierten Haushalten, die sich zur Zusammenarbeit bereit erklärt haben und ad hoc für Befragungen und Tests zur Verfügung stellen. Diese Panels werden auf unterschiedliche Weisen rekrutiert: Entweder kauft sich das betreffende Institut die Adressen, oder der Interviewer fragt im Anschluss an mündliche oder telefonische Interviews den Befragten, ob er prinzipiell zur Panelteilnahme bereit sei. Als Schneeballaktion werden die Befragten auch um die Namen weiterer Personen gebeten, um diese dann für die Teilnahme am Access-Panel zu gewinnen. Bei der »Panelpflege« muss darauf geachtet werden, dass die Panelhaushalte weder zu oft noch zu selten (durchschnittlich sechsmal im Jahr) befragt werden. Wichtig ist auch ein abwechslungsreicher Themenmix. Ist ein solches Panel aufgebaut, erfolgt die Befragung schriftlich (vgl. Hoppe 2000: 147, 151, 159f.).
2.3.3 | Vorteile der schriftlichen Befragung |
Schriftliche Befragungen erfordern organisatorisch, zeitlich und finanziell deutlich weniger Aufwand als andere Formen der Befragung. Sie benötigen [45]keinen Interviewerstab, der Ablauf der Erhebung ist zeitlich gestrafft. Bei der Online-Befragung ist der Aufwand – zumindest für den Forscher – noch geringer, weil die wesentlichen Schritte des Forschungsprozesses, die Erstellung und Gestaltungsmöglichkeiten des Fragebogens, die Durchführung der Befragung, die Datenerfassung und die Datenanalyse automatisiert und protokolliert werden (vgl. Gadeib 1999: 108f.).
Es gibt kaum Probleme bei der Erreichbarkeit der Zielpersonen: Die postalische Befragung kann geografisch sehr weit streuen, und die Fragebögen können zeitlich fast simultan zugestellt werden. Das Verhältnis zwischen der Stichprobengröße (Anzahl der zu befragenden Personen) und dem Zeitraum und der geografischen Verbreitung der Stichprobe ist günstig. Außerdem sind Zielpersonen, die zu bestimmten Tageszeiten nicht interviewt werden können, weil sie zum Beispiel berufstätig sind, besser erreichbar.
Externe Effekte durch sichtbare Merkmale, Erwartungen und Verhaltensweisen von Interviewern treten nicht auf. Das bei mündlichen und telefonischen Interviews gelegentlich auftretende Problem der sozial erwünschten Beantwortung der Fragen wird auf diese Weise entschärft, obgleich es auch hier nicht ganz zu vermeiden ist (etwa bei heiklen Fragen nach Normverletzungen, vgl. Nötzel 1987a: 152). Da es keinen persönlichen Kontakt zwischen Forscher bzw. Interviewer und Befragtem gibt, ist die Anonymität der Befragung für den Befragten offensichtlicher gewahrt.
Ein weiterer Vorteil ist die Flexibilität bei der Beantwortung. Der Befragte kann sich in einem gewissen Rahmen den genauen Zeitpunkt selbst aussuchen, kann ferner seine Antworten überdenken, sich benötigte Informationen beschaffen und den Kontext der Fragen bzw. die Logik des Fragebogens erkennen. Die schriftliche Befragung ist also insbesondere geeignet, wenn es um Themen geht, bei denen der Befragte über die Antworten nachdenken muss. Sie nimmt damit die Selbstbestimmtheit des Befragten ernst.
Der Fragebogen kann visuelle Unterstützungen und lange Batterien mit ähnlichen Fragen enthalten, da diese nicht von einem Interviewer vorgelesen werden müssen. Der Befragte hat dann viel stärker die Möglichkeit, das Tempo seines Antwortprozesses selbst zu bestimmen (vgl. Bourque / Fielder 1995: 9ff.).
2.3.4 | Nachteile der schriftlichen Befragung |
Die Grundgesamtheit muss bekannt sein, damit aus ihr konkrete Adressenstichproben gezogen werden können. Gerade bei postalischen Befragungen ist nicht jede Grundgesamtheit definierbar, etwa die Leser einer Zeitschrift, [46]da nur aus der Abonnentenkartei Stichproben gezogen werden können. Dieser Nachteil tritt dagegen bei einer Beilagenbefragung weniger auf, weil damit alle Leser der betreffenden Zeitschrift erreichbar sind. Andere in der Umfragepraxis übliche Verfahren der Zufallsstichprobe wie das Random-Route-Verfahren sind nicht einsetzbar.
Bei postalischen Befragungen schwankt die Ausschöpfungs- bzw. Rücklaufquote erheblich und ist in der Regel deutlich geringer als bei den auf Interviews basierenden Befragungsformen. Dabei bleiben die Ausfallursachen weitgehend unbekannt. Die Zielpersonen vergessen oft einfach, den Fragebogen auszufüllen. Außerdem ist es durch die fehlende Interviewsituation leichter, die Beantwortung insgesamt oder einzelner Fragen zu verweigern. Die Motivationsleistung durch den Interviewer fallen aus. Dies gilt verschärft für die Beilagenbefragung, bei der selten Rücklaufquoten mit mehr als zwanzig Prozent realisierbar sind, weil Nachfassaktionen mit diesem Verfahren nicht durchführbar sind. Sie ist deshalb überhaupt nur dann einsetzbar, wenn die Grundgesamtheit sehr homogen ist, wie im Fall der Leserschaft einer Zeitschrift.
Verzerrungseffekte treten vor allem dadurch auf, dass durch die postalische Zustellung der Eindruck einer behördlichen Zustellung erweckt wird. Diese Kommunikationsform wirkt einerseits verbindlicher, weckt andererseits aber auch eher die Angst, kontrolliert zu werden, als dies beim konversationsähnlichen Interview der Fall ist. Weiterhin dürfte der Mittelschichtbias bei der schriftlichen Befragung noch stärker sein, als er für andere Befragungsformen bereits festgestellt wurde, weil die Beantwortung eines Fragebogens vergleichsweise hohe Lese- und Schreibfähigkeiten voraussetzt. Insbesondere offene Fragen sind davon betroffen und eignen sich für schriftliche Befragungen deshalb weniger. Die Selbstselektion der Befragten vermindert die Stichprobe damit nicht nur quantitativ, sondern auch in qualitativer Hinsicht.
Der Anwendungsbereich erstreckt sich aufgrund der schriftlichen Fixierung der Meinungen hauptsächlich auf im weiteren Sinn kognitive Sachverhalte. Spontane, unreflektierte und irrationale Äußerungen dürften eher die Ausnahme sein und eignen sich weniger als Untersuchungsziel einer schriftlichen Befragung. Auf der anderen Seite sind jedoch Abfragen über individuelles Wissen ebenfalls kaum möglich, da der Befragte auf fremdes Wissen zurückgreifen kann (vgl. Richter 1970: 142ff.; Bourque / Fielder 1995: 14ff.).