Die Befragung. Armin Scholl
Чтение книги онлайн.
Читать онлайн книгу Die Befragung - Armin Scholl страница 10
In der Praxis werden die prozedurale und die ergebnisorientierte Variante miteinander kombiniert, allerdings werden unterschiedliche Schwerpunkte gesetzt: Bei der Zufallsstichprobe wird in erster Linie Wert darauf gelegt, ein elaboriertes Verfahren zu entwickeln, mit dem die Zufälligkeit der Auswahl geregelt wird. Das Ergebnis der Stichprobenziehung wird mit den wichtigsten Merkmalen der Grundgesamtheit verglichen und – bei Abweichungen – durch Gewichtung korrigiert. Beim Quotenverfahren erfolgt der Abgleich der Stichprobenmerkmale mit den Grundgesamtheitsmerkmalen, während die Studie noch im Feld ist, sodass mögliche Abweichungen durch spezielle Quotenvorgaben der unterrepräsentierten Segmente noch in der Feldzeit korrigiert werden können.
Festzuhalten bleibt, dass die Repräsentativität einer Stichprobe nicht in der Verteilung aller (denkbaren) Merkmale proportional mit der Grundgesamtheit übereinstimmen kann. Die Stichprobe ist nicht in dem Sinn ein Abbild der Grundgesamtheit wie das Foto von seiner abgebildeten Umgebung, sondern die Stichprobe ist selbst Teil der Grundgesamtheit. Insofern gilt Repräsentativität nur für spezielle Merkmale und streng genommen auch nur für den Zeitpunkt der Erhebung (vgl. Erichson 1992: 19f.).
Im Folgenden werden einige relevante Stichprobenmodelle vorgestellt. Im Befragungsalltag gibt es natürlich zahlreiche weitere Möglichkeiten der Stichprobenziehung, auch solche, die keinen Anspruch auf bevölkerungsweite Repräsentativität erheben.
Zufallsstichprobe mit dem ADM-Stichprobensystem
Das ADM-Verfahren ist eine dreistufige Gebiets- bzw. Flächenstichprobe auf der Basis von geografischen Einheiten, den Wahlbezirken: Auf der ersten Stufe werden so genannte Sampling Points, die zumeist den Wahlbezirken entsprechen, ausgewählt. Darauf folgt eine Ziehung der Privathaushalte mit Hilfe einer Zufallsbegehung, woraus im letzten Schritt die zu befragenden Zielpersonen ermittelt werden (vgl. Behrens / Löffler 1999: 69). Die Grundgesamtheit bilden somit Privathaushalte unter Ausschluss von »Anstaltshaushalten«, gewerblichen Betrieben und Mehrfach-Wohnsitzen. Das vereinigte Deutschland besteht aus über 80.000 Wahlbezirken, die allerdings unterschiedlich viele wahlberechtigte [32]Personen umfassen. Deshalb werden einige Wahlbezirke zu synthetischen »Sample Points« zusammengefasst mit mindestens 400 Wahlberechtigten.
1. Stufe: Die Stichprobe der Sample Points wird als systematische Zufallsauswahl gezogen. Systematisch ist die Auswahl deshalb, weil sie nach verschiedenen geographischen Einheiten getrennt erfolgt: nach Bundesländern, pro Bundesland nach Regierungsbezirken, pro Regierungsbezirken nach Kreisen, pro Kreis nach Gemeindegrößeklassen, pro Gemeindegrößeklasse nach Gemeinden, eventuell Stadtteilen und Wahlbezirken. Auf diese Weise werden je nach Bedarf der ADM-Institute gesamtdeutsch 128 Netze aus jeweils 258 Sample Points gebildet (vgl. Behrens / Löffler 1999: 74ff.).
2. Stufe: Zur Ermittlung der Privathaushalte wird die im ersten Schritt ausgewählte Fläche »begangen«. Dazu wird ein Startpunkt bestimmt, von dem aus zwischen 20 und 50 Adressen von den Türschildern abgeschrieben oder erfragt werden. Das können entweder alle hintereinander oder nur jede x-te Adresse bis zur geforderten Anzahl sein. Für diese Zufallsbegehung gibt es genaue Anweisungen. Sie kann entweder als Adress-Random realisiert werden, wobei die Begehung bzw. Adressermittlung und die eigentliche Befragung voneinander getrennt werden, oder mittels Random-Route bzw. Random-Walk direkt mit der Befragung verknüpft werden. Die Trennung zwischen Stichprobenauswahl und Befragung beim Adress-Random entlastet den Interviewer, während bei Random-Route möglicherweise unbequeme Adressen übersprungen werden. Allerdings ist Random-Route ökonomisch und zeitlich günstiger und immer dann geeignet, wenn aufgrund der Beschränkung der Grundgesamtheit (etwa auf bestimmte Altersgruppen) mit hohen Fehlkontakten zu rechnen ist (vgl. Behrens / Löffler 1999: 78ff.; Noelle-Neumann / Petersen 1996: 246ff.).
3. Stufe: Schließlich muss die zu befragende Zielperson im Haushalt bestimmt werden. Dazu werden die Haushaltsmitglieder aufgelistet und per Zufallsverfahren (»Schwedenschlüssel«) die Zielperson ausgewählt. Alternativ kann auch die Person befragt werden, die als letztes Geburtstag hatte oder als nächste Geburtstag hat. Da die Haushalte aus unterschiedlich vielen Personen bestehen, haben Personen in kleinen Haushalten eine höhere Auswahlwahrscheinlichkeit, was gegen die wahrscheinlichkeitstheoretischen Regeln der Zufallsauswahl verstößt, wonach jedes Mitglied der Grundgesamtheit die gleiche Chance haben muss, ausgewählt zu werden. Deshalb werden in großen Haushalten oft zwei Personen befragt. Außerdem können bei bekannter Haushaltsgröße die individuelle Auswahlwahrscheinlichkeit jeder Person errechnet und diesbezügliche Disproportionalitäten durch Gewichtung in der Stichprobe ausgeglichen werden (vgl. Behrens / Löffler 1999: 81ff.).
[33]Die Ausschöpfung einer geplanten Stichprobe ist nie vollständig, weil aus verschiedenen Gründen das Interview mit der Zielperson nicht immer zustande kommt. Man unterscheidet unsystematische oder qualitätsneutrale und systematische oder (qualitäts)relevante Ausfälle. Zu den qualitätsneutralen Ausfällen, die keinen Einfluss auf die Güte der Stichprobe haben, zählen:
Dateifehler (Haushalt existiert trotz Adressauflistung nicht);
Straße oder Hausnummer nicht auffindbar;
Haushalt gehört nicht zur Stichprobe (Anstaltshaushalt, Gewerbebetrieb);
Wohnung oder Untermietwohnung zurzeit nicht bewohnt;
keine Person passt zur definierten Grundgesamtheit;
Haushalt oder Zielperson ist der deutschen Sprache nicht mächtig;
Totalausfälle von Sample Points;
Adresse nicht bearbeitet.16
Um relevante Ausfälle handelt es sich, wenn keine Interviews durchgeführt werden können, obwohl die Zielpersonen zur Stichprobe gehören. Hierzu zählen:
Haushalt oder Zielperson trotz mehrmaliger Versuche nicht erreichbar;
Haushalt oder Zielperson verweigert jede Auskunft ohne Angabe von Gründen, aus Zeitmangel, aus Interesselosigkeit oder aus prinzipiellen Erwägungen gegen Meinungsforschung;
Zielperson bricht das Interview frühzeitig ab;
Zielperson ist krank oder kann dem Interview geistig nicht folgen;
Interview ist fehlerhaft und kann nicht ausgewertet werden17 (vgl. Behrens / Löffler 1999: 88f.; Porst 1991: 61).
Die Ausschöpfungsquote ist ein wichtiger Indikator für die Qualität der Stichprobenrealisierung; sie wird wie folgt berechnet18: Ausgangspunkt ist die Bruttostichprobe, die alle ausgewählten und eingesetzten Adressen umfasst. Davon werden die qualitätsneutralen Ausfälle abgezogen; der Rest ist die Nettostichprobe [34]oder »bereinigte« Stichprobe. Von dieser werden die relevanten Ausfälle abgezogen, sodass der Anteil der tatsächlich durchgeführten und auswertbaren Interviews an der Nettostichprobe die Ausschöpfungsquote ergibt. Man kann zwar nicht eindeutig mathematisch bestimmen, unterhalb welcher Grenze eine Stichprobe nicht mehr repräsentativ ist, aber die Marktforschung sieht als Konvention eine Mindestausschöpfung von 70 Prozent an,